Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*** Handelsgesellschaft m.b.H., Salzburg, Schallmooser Hauptstraße 38, vertreten durch Dr. Gerwin Brandauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei D & B S*** Gesellschaft m.b.H., Wien 1, Opernring 3-5, vertreten durch Dr. Herbert Weber, Rechtsanwalt in Wien, wegen 260.167,06 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. November 1988, GZ 4 R 88-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 18. März 1988, GZ 32 Cg 26/87-19, richtig -10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Am 13. November 1985 erteilte die klagende Partei der beklagten Auskunftei den Auftrag zur Erteilung einer Auskunft über die W*** O*** Gesellschaft mbH und gab als Anlaß bekannt, daß eine neue Verbindung mit einer Krediteinräumung von 300.000 S geplant sei.
Dem Auftrag lagen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei zugrunde, wonach im Rahmen der von der klagenden Partei gewählten einfachen abonnementsmäßigen Anfrage die beklagte Partei einen kurzen Bericht auf Grund dessen zu liefern habe, was ihr durch ihren betriebsüblichen Erkundigungsdienst bekannt geworden sei. Solle die Auskunft ausführlicher lauten, solle sie unbedingt auf mehrseitigen und neuesten Erkundigungen beruhen, solle dies nach bestimmten Richtungen hin vorgenommen werden, solle die beklagte Partei verpflichtet sein, bestimmte Register einzusehen, oder sollten besondere Fragen beantwortet werden, sei ein Sonderbericht zu erhöhten kundenüblichen Gebühren zu bestellen. Die beklagte Partei sei für die Folgen keiner wie immer gearteten Entschließung haftbar, die der Kunde auf Grund der dem Abonnenten bekanntgewordenen Aufkünfte treffe. Das Risiko, das mit der Verwendung von angestellten Vertrauensleuten und sonstigen Quellen verknüpft sei, trage ausschließlich der Abonnent. Der beklagten Partei sei ausdrücklich jedwede Haftung für ein Verschulden aller derjenigen Personen erlassen, deren sie sich zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten bediene.
Es handelte sich um eine sogenannte Blitzauskunft, für die nach den Preislisten der beklagten Partei der dreifache Preis (bei Abonnenten die Verwendung von drei Anfragescheinen statt einem für die Normalauskunft und zweier für die Expreßauskunft) zu zahlen ist. Aus der Sicht des Leiters des Wiener Büros der beklagten Partei besteht der Unterschied nur in der Erledigungsdauer nicht im Umfang der Recherchen. Bei Blitzauskünften könne es mitunter nur Probleme der Selbstauskunft wegen zu knapper Zeit geben (was aber bei der vorliegenden Auskunftsbearbeitung nicht der Fall war). Die Auskunft der beklagten Partei enthielt die Eintragungen im Handelsregister, die Zahl der Beschäftigten (zwei Fixangestellte und freie Mitarbeiter je nach Bedarf) und den im Jahr 1984 erzielten Umsatz. Über den Geschäftsführer wurde neben persönlichen Angaben berichtet, daß er als vielseitiger interessierter Kaufmann gelte, dessen persönliche und geschäftliche Beurteilung uneinheitlich laute. Es wurde auch ein von der Unternehmensleitung der angefragten Firma jüngst bekanntgegebener etwa ausgeglichener Vermögensstatus dargestellt und auf nahestehende Unternehmen hingewiesen, wobei bei einer Gesellschaft die Eröffnung des Anschlußkonkurses vermerkt war. Unter der Überschrift "Zahlweise und Krediturteil" wurde wörtlich folgendes ausgeführt: "Wie nicht anders bekannt, kam bisher den eingegangenen Zahlungsverpflichtungen vereinbarungsgemäß nach. Negative Zahlungserfahrungen oder gerichtliche Betreibungen liegen uns nicht vor. Eine allgemeine Verbindung wird nicht abgelehnt."
Im Vertrauen auf die Bonität der Werbeagentur lieferte ihr die klagende Partei auf Grund der im November 1985 erteilten Bestellungen in der Zeit von November 1985 bis Feber 1986 gegen prompte Zahlung mit einem üblichen Zahlungsziel von einem Monat Waren im Gesamtfakturenwert von 268.355,76 S, welche in der Folge alle unbezahlt blieben und wegen Zahlungsunfähigkeit auch nicht einbringlich waren. Die Zahlungsunfähigkeit der Werbeagentur bestand schon seit Mitte 1985. Das Unternehmen wurde von zahlreichen Klagen und Exekutionen verfolgt. Im August, Oktober und November (4. November) 1985 kam es zu mehreren Pfändungen. Der beklagten Partei waren diese Umstände nicht bekannt. Sie bezog ihren in der Auskunft verarbeiteten Wissensstand von nicht bekannt gewordenen Gewährsleuten. Es ist nicht feststellbar, ob diese Gewährsleute entsprechende Recherchen vorgenommen hatten.
Für den Geschäftsführer der klagenden Partei war auffallend, daß in der jetzt strittigen Auskunft entgegen früheren Auskünften gerade auch auf das Nichtvorliegen gerichtlicher Betreibungen hingewiesen wurde.
Die klagende Partei begehrt auf Grund dieser im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen Sachverhaltes aus dem Titel des Schadenersatzes den Fakturenbetrag abzüglich Umsatzsteuer zuzüglich aufgelaufener Eintreibungskosten, insgesamt 260.167,06 S sA, wobei sie vor allem auch Sittenwidrigkeit der in den Geschäftsbedingungen enthaltenen Freizeichnungsklausel geltend machte.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt ein Verschulden, berief sich auf die Freizeichnungsklausel und wendete Mitverschulden der klagenden Partei wegen Nichtbeachtung des in der Auskunft der beklagten Partei enthaltenen negativen Hinweise und Fortsetzung der Lieferungen nach Versäumung der ersten Zahlungsziele ein.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Ansicht, daß die Auskunft der beklagten Partei objektiv falsch gewesen sei. Die Berufung auf den eigenen Wissensstand hätte einen Hinweis erfordert, daß die beklagte Partei keine verläßlichen Informationen mitteilen, sondern ausschließlich eine nicht überprüfte Selbstauskunft der betroffenen Firma darstellte. Die unrichtige Auskunft sei daher eine Vertragsverletzung, die zum Schadenersatz verpflichte. Ein Mitverschulden der klagenden Partei scheide aus, weil sie dem leicht negativen, aber im Grunde nichtssagenden Hinweis zur persönlichen Einschätzung des Geschäftsführers der betroffenen Firma kein besonderes Gewicht beimessen mußte und ein Stoppen weiterer Lieferungen nichts mehr gebracht hätte, weil eine sonst unverkäufliche Spezialanfertigung vorgelegen habe. Die Freizeichnungsklausel sei sittenwidrig und daher unwirksam.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Auch das Berufungsgericht war der Ansicht, daß eine Vertragsverletzung vorliege. Die beklagte Partei sei verpflichtet gewesen, alle jene Erhebungen sorgfältig durchzuführen, die im Auskunfteigewerbe bei der Erledigung gleichartiger Anfragen bei Kenntnis des in Aussicht genommenen Geschäftsumfanges üblich seien. Wenn hier auch keine Erfolgshaftung gelten könne, so habe die vorliegende Auskunft doch in schuldhafter Weise Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten aufgewiesen, die einen entsprechenden Vorbehalt erfordert hätten. Im Gegensatz zum Erstgericht vertrat jedoch das Berufungsgericht die Auffassung, daß die Freizeichnungsklausel im vorliegenden Fall nicht unwirksam sei, weil gerade noch kein krass grob fahrlässiges Verhalten vorliege. Die Auskunft sei zwar dürftig gewesen, habe aber doch gewisse Zurückhaltungen und Einschränkungen enthalten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist unzulässig, weil ungeachtet des Ausspruches des Berufungsgerichtes aus folgenden Gründen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorliegt:
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist eine Freizeichnungsklausel nur soweit sittenwidrig und unwirksam, als auch die Haftung für eine krasse grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen wird (SZ 57/184 ua). Die hiezu im Schrifttum geäußerten Bedenken (zB Jabornegg, JBl 1986, 144) erfordern aber keine neuerliche Prüfung dieser Rechtsfrage - etwa in der Richtung, ob zumindest für entgeltliche Auskünfte einer Auskunftei die Freizeichnungsklausel auch schon im Fall einer nur schlichten groben Fahrlässigkeit unwirksam ist -, im vorliegenden Fall nicht einmal eine solche schlichte Fahrlässigkeit gegeben ist.
Nach den Behauptungen der klagenden Partei treffe die beklagte Partei deshalb ein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit ihrer Bonitätsauskunft, weil sie in ihren Geschäftsunterlagen wiederholt eine höchsten Qualitätsansprüchen genügende Zuverlässigkeit und die Einhaltung größtmöglicher Sorgfalt zugesagt und trotz gegebenen rechtlichen Interesses nicht in die anhängigen Exekutionsakten Einsicht genommen habe. Beide Vorwürfe sind jedoch nicht berechtigt. Die Eigenbewertung der Qualitäten des Unternehmens der beklagten Partei und ihrer Dienstleistungen ist eine reine Werbeaussage, der keine rechtsgeschäftliche Bedeutung zukommt. Zur höchstmöglichen Sorgfalt ist die beklagte Partei ohnedies nach den Maßstäben des § 1299 ABGB verpflichtet. Die besondere Hervorhebung der eigenen Zuverlässigkeit kann aber nicht etwa bedeuten, daß die beklagte Partei damit eine reine Erfolgshaftung übernommen hätte, zumal die Haftungsfreizeichnung (s.u.) gegenteilig war. Die Erteilung von generellen Auskünften über Klagen und Zwangsvollstreckungen an Auskunfteien aber ist durch die Bestimmungen der §§ 219 Abs 2 ZPO und 255 EO nicht gedeckt (Heller-Berger-Stix 1705 mit Hinweis auf die Mitteilung JABl 1931, 44). Der beklagten Partei kann daher auch nicht vorgeworfen werden, die Einholung einer solcher dem Gesetz widersprechenden Auskunft nicht versucht zu haben.
Anhaltspunkte dafür, daß der beklagten Partei irgend etwas bekannt gewesen sei, was sie aus Nachlässigkeit verschwiegen hätte, oder daß ihr irgend etwas aus (sonstigen) konkreten Gründen bekannt sein hätte können oder müssen, was ihr nur aus eigener Nachlässigkeit nicht bekannt war, jedoch bei Anlegung des Maßstabes des § 1299 ABGB jeder anderen Auskunftei bekannt wäre, liegen nicht vor. Die beklagte Partei hat sich daher zwar nicht iSd § 1298 ABGB von jeder Fahrlässigkeit freibewiesen; ein Beweis grober Fahrlässigkeit wurde jedoch von der hiefür beweispflichtigen Klägerin (SZ 44/87; JBl 1977, 648; SZ 58/195 ua) erbracht. Von den beiden Rechtsfällen JBl 1967, 369 und JBl 1986, 172 unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt erheblich. Im ersten Fall war festgestellt, daß sich die Auskunftei nur auf die Selbstauskunft des Kreditwerbers oder ihm nahestehender Personen verlassen hatte, ohne daß diese wahrheitswidrigen Angaben durch einen Telefonanruf beim vorgegebenen Dienstgeber überprüft wurden; im anderen Fall hatte die Auskunftei keine Kenntnis von einer im Handelsregister eingetragenen Auflösung der angefragten Gesellschaft und von mehreren mangels hinreichenden Vermögens abgewiesenen Konkurseröffnungsanträgen. Im vorliegenden Fall begnügte sich die beklagte Partei hingegen nicht mit der Selbstauskunft, sondern sie verwertete auch andere Erhebungen, die immerhin zu dem nicht unbeachtlichen Hinweis führten, der Geschäftsführer der angefragten Gesellschaft werde nicht einheitlich beurteilt und über das Vermögen einer mit der angefragten Gesellschaft verquickten Gesellschaft sei der Anschlußkonkurs eröffnet. Der Handelsregisterstand wurde nicht unrichtig wiedergegeben. Anhaltspunkte dafür, daß aus Anlaß anhängiger Exekutionsverfahren geraume Zeit vor der strittigen Auskunftserteilung schon Edikte an der Gerichtstafel mit Anführung der verpflichteten Partei oder Veröffentlichungen in Zeitungen stattgefunden hätten, liegen nicht vor. Im Gegensatz zu abgewiesenen Konkurseröffnungsanträgen (§ 72 Abs 3 KO) werden aber anhängige Prozesse oder Exekutionsverfahren nicht öffentlich bekannt gemacht. Zu sagen, daß keine negativen Zahlungserfahrungen oder gerichtliche Betreibungen vorlägen, war zwar für die klagende Partei sehr irreführend, ist aber für sich allein noch kein Hinweis dafür, daß die beklagte Partei grob gegen ihre Pflichten verstoßen habe, weil nicht erkennbar ist, welche konkreten Möglichkeiten sie nicht ausgeschöpft hätte.
Da die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, hat sie die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung gemäß den §§ 41 und 50 ZPO selbst zu tragen.
Anmerkung
E17881European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0030OB00527.89.0614.000Dokumentnummer
JJT_19890614_OGH0002_0030OB00527_8900000_000