TE OGH 1989/10/19 8Ob649/89

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Veröffentlicht am 19.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Josef F***, Arzt, Reichsratsstraße 7/11, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Eduard Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei mj. Viktoria R***, geboren 3.November 1984, vertreten durch die Mutter und gesetzliche Vertreterin Liliana R***, Krankenschwester, Staargasse 10/52, 1140 Wien, diese vertreten durch Dr. Helmut Krenn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme (Feststellung der Vaterschaft) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 11.Mai 1989, GZ 47 R 2024/89-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing!vom 7.Dezember 1989, GZ 7 C 33/88-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 1.977,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 329,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Verfahren AZ 2 C 2/85 des Bezirksgerichtes Hietzing klagte die jetzige Beklagte den Kläger auf Feststellung, daß er ihr Vater und als solcher unterhaltspflichtig sei. Der Kläger bestritt, innerhalb der kritischen Zeit der Mutter des Kindes beigewohnt zu haben; nach Einholung eines blutserologischen Gutachtens und eines Gutachtens über den Zeugungstermin des Kindes anerkannte der Kläger jedoch seine Vaterschaft. Das daraufhin erlassene Urteil über die Feststellung der Vaterschaft des Klägers zur Beklagten wurde rechtskräftig.

Nun begehrte der Kläger, das Verfahren AZ 2 C 2/85 des Bezirksgerichtes Hietzing wiederaufzunehmen, das ergangene Urteil aufzuheben und nach Einholung eines erbbiologisch-anthropologischen Gutachtens seinem Antrag auf Abweisung des Feststellungsbegehrens der Beklagten stattzugeben. Er begründete sein Begehren damit, daß zwar nach dem serologischen Gutachten seine Vaterschaft mit 99,997 % wahrscheinlich sei, er aber feststellen habe müssen, daß das Kind ihm überhaupt nicht ähnlich wäre. Da das Kind über vier Jahre alt sei, wäre die Durchführung des anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens möglich.

Die durch ihre Mutter vertretene Beklagte beteiligte sich trotz ausgewiesener Ladung nicht am erstgerichtlichen Verfahren. Das Erstgericht wies nach Einschränkung des Verfahrens auf den Grund und die Zulässigkeit der Wiederaufnahme das Wiederaufnahmebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Das beklagte Kind Viktoria R*** wurde am 3.11.1984 mit einer Körpergröße von 46 cm und einem Gewicht von 2.750 g außer der Ehe von Liliana R*** geboren. Auf Grund des serologischen Gutachtens und des Tragzeitgutachtens des Univ.Prof. Dr. Josef Herbich ist die Vaterschaft des Klägers praktisch erwiesen. Bei der Anzahl der in dieser Rechtssache untersuchten 24 brauchbaren Merkmalsysteme ergibt sich einschließlich des HLA-Systems für den Kläger ein log Y/X+10-Wert von 5,449; das entspricht einer Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,997 % mit der Beurteilung der praktisch erwiesenen Vaterschaft. Der sich aus den Geburtsmaßen des beklagten Kindes ergebende höchstwahrscheinliche Zeugungstermin ist zwischen dem 25.2. und 3.3.1984 gelegen. Der Kläger hat die Vaterschaft zum beklagten Kind am 9.5.1985 vor dem Bezirksgericht Hietzing anerkannt.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß zwar das anthropologisch-erbbiologische Gutachten an sich einen Wiederaufnahmsgrund darstellen könne; nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft wäre das neue Beweismittel jedoch hier nicht geeignet, das serologische Gutachten des Vorprozesses zu widerlegen, weshalb es im vorliegenden Fall keinen Wiederaufnahmsgrund bilde. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die entscheidungswesentliche Frage dieses Verfahrens, ob der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 530 Abs.1 Z 7 ZPO geeignet ist, eine für den Kläger günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen, sei zu verneinen. Ein serologisches Gutachten mit der verbalen Beurteilung: "Vaterschaft praktisch erwiesen" (99,99 % und darüber), könne nach der Rechtsprechung durch ein erbbiologisch-anthropologisches Gutachten nicht widerlegt werden. Aus dem von H***, Derzeitiger Stand der serologischen Begutachtung in Paternitätsfällen, Kritisches zur anthropologisch-erbbiologischen Begutachtung in ÖAV 1/89 abgedruckten Artikel ergebe sich eindeutig, daß bei dem derzeitigen Stand der Serologie anthropologisch-erbbiologische Gutachten nur mehr in extremen Problemfällen eingeholt werden sollten. Schon ein Mann, für den sich eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,94 % ergebe, sei auf Grund der heutigen Erkennungsrate von Nichtvätern als Erzeuger des Kindes anzusehen; umso mehr müsse dies im vorliegenden Fall bei einer Wahrscheinlichkeitsrate von 99,997 % gelten.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 2 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil oder auch das Urteil erster Instanz aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs- oder Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt in ihrer Rechtsmittelgegenschrift, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar zulässig (§ 502 Abs.5 ZPO, § 49 a Abs.1 JN), aber nicht berechtigt.

Der Kläger erachtet die Ausführungen der Vorinstanzen für unzutreffend; es solle dem Vater nicht die Möglichkeit genommen werden, neue Begutachtungsmethoden zu verlangen; das Verfahren der Vorinstanzen sei mangelhaft geblieben, weil das beantragte anthropologisch-erbbiologische Gutachten nicht eingeholt wurde.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern:

Die Wiederholung der vom Kläger schon in zweiter Instanz erhobenen Mängelrüge in der vorliegenden Vaterschaftsstreitigkeit, die gemäß Art.V Z 5 UeKindG der Offizialmaxime unterliegt, ist zwar zulässig, aber erfolglos.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach erkannte, geht der Untersuchungsgrundsatz nicht so weit, daß sämtliche erdenklichen Beweise aufgenommen werden müßten (EFSlg.43.308, 41.779, 34.524; 3 Ob540/85; 4 Ob 515/84; 1 Ob 510/86 ua). Die Nichtaufnahme weiterer Beweise ist nur dann ein Verfahrensmangel, wenn die Grenzen des pflichtgemäßen richterlichen Ermessens mißachtet wurden (EFSlg.43.308, 41.777, 36.779, 34.525 ua; Fasching IV 311). Gewiß kann auch mit Hilfe der erbbiologischen Begutachtung der Beweis erbracht werden, daß jemand nicht der Vater des Kindes ist (EFSlg.43.306, 34.525; 4 Ob 515/84), doch kommt diesem Beweismittel erfahrungsgemäß nicht der gleiche Beweiswert wie dem serologischen Ausschluß zu (EFSlg.43.307, 34.525 ua; 6 Ob 535/83; 6 Ob 718/83;

4 Ob 515/84; Herbich, Der Vaterschaftsprozeß, RZ 1975, 131;

derselbe, Aus der Praxis der Vaterschaftsbegutachtung, RZ 1978, 124). Nach Herbich, Derzeitiger Stand der serologischen Begutachtung in Paternitätsfällen, Kritisches zur a.e. Begutachtung, ÖAV/1 S.7 ist - worauf schon das Berufungsgericht verweist - bei dem heutigen Stand der blutgruppenserologischen Begutachtung in Abstammungsverfahren eine Ähnlichkeitsbegutachtung praktisch obsolet geworden und nur noch in extremen Fällen erforderlich. Ein solcher problematischer Fall liegt hier nicht vor. Wie der Oberste Gerichtshof in 1 Ob 510/86 unter Hinweis auf EFSlg.43.307, 41.779, 34.525 und 1 Ob 645/85 ausführte, ist dann, wenn ein Mann bei einer speziellen Ausschlußchance von mehr als 95 % einen Wahrscheinlichkeitswert für die Vaterschaft von 99,5 % erreicht, bereits eine sichere Unterscheidung zwischen Vater und Nichtvätern gegeben.

Die Ausschlußchance des Klägers beträgt bei der vorliegenden Konstellation der Blutgruppeneigenschaften von Mutter und Kind 99,9 % (SV-Gutachten im Vorakt S.7), seine Vaterschaft ist nach den Feststellungen mit 99,997 % "praktisch erwiesen"; die Ablehnung der Durchführung weiterer Beweise durch die Vorinstanzen ist daher trotz des Untersuchungsgrundsatzes zu billigen (1 Ob 510/86; 1 Ob 645/85; 3 Ob 540/85; 5 Ob 506/84; EFSlg.43.307, 41.779, 34.525). Damit kommt aber der vom Kläger herangezogene Wiederaufnahmegrund des Verfahrens gemäß § 530 Abs.1 Z 7 ZPO nicht zum Tragen, so daß die Vorinstanzen mit Recht das Wiederaufnahmebegehren des Klägers abgewiesen haben. Seiner Revision war der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E18930

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0080OB00649.89.1019.000

Dokumentnummer

JJT_19891019_OGH0002_0080OB00649_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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