TE OGH 1989/11/16 6Ob709/89

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Veröffentlicht am 16.11.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Vormundschaftssache der am 15.Mai 1987 außer der Ehe geborenen Nina Maria T***, infolge Revisionsrekurses des Dipl.Ing. Kurt P***, Angestellter und der Mag. Elisabeth P***, Haushalt, beide Landstraßer Hauptstraße 123/4, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Joachim Meixner, Dr. Josef Schima, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 27. Juli 1989, GZ 43 R 677/88-76, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 21.April 1988, GZ 9 P 146/87-15, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die mj. Nina Maria T*** ist die Tochter der am 19. Oktober 1969 geborenen ledigen Lillian T***. Mutter und Kind sind Staatsbürger von Uganda. Der Vater wurde bis jetzt nicht festgestellt. Das Kind wurde in Österreich geboren. Einen Tag vor der Entbindung unterfertigte seine Mutter beim Jugendamt Linz eine Niederschrift, wonach sie einer Inkognitoadoption zustimmte. Das Kind kam nach seiner Geburt zu den Revisionsrekurswerbern. Diese schlossen mit dem durch das Bezirksjugendamt für den 3. Bezirk vertretenen Kind einen Adpotionsvertrag. Der Amtsvormund beantragte die Bewilligung unter den Bedingungen einer Inkognitoadoption nach § 259 AußStrG.

Die Mutter lehnt es ab, der Adoption zuzustimmen.

Das Erstgericht ersetzte auf Antrag des Amtsvormundes die verweigerte Zustimmung der leiblichen Mutter zur Inkognitoadoption. Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag des Amtsvormundes auf Ersetzung der verweigerten Zustimmung abgewiesen wird. Das Gericht zweiter Instanz ging nach Beweisergänzung von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Die Mutter, die den Beruf einer Kindergärtnerin erlernt hatte, kam im Dezember 1987 nach Österreich, um einer Tante, der Ärztin Dr. Rhonna F***, im Haushalt und bei Beaufsichtigung ihres Kindes behilflich zu sein. Die Mutter war damals - von einem Afrikaner - bereits schwanger. Dr. Rhonna F*** "entdeckte" die Schwangerschaft im April 1987, war darüber ungehalten und gab der Mutter zu verstehen, daß sie mit dem Kind nicht in ihrem Haushalt bleiben könne und es in Österreich nicht gestattet sei, daß sie als noch nicht Großjährige das Kind selbst aufziehe. Sie machte der Mutter plausibel, daß das Kind vorerst zu anderen Leuten müssen, und ergriff Initiativen, die zur Einleitung eines Adoptionsverfahrens führten. Am 14.Mai 1987 wurde beim Jugendamt Linz mit der Mutter ein Protokoll in deutscher Sprache, die sie kaum beherrschte, aufgenommen, wonach die Mutter erklärte, das Kind zur Adpotion freizugeben. In Wahrheit gab die Mutter eine derartige Erklärung nie ab, hatte nie die Absicht, das damals noch nicht geborene Kind zur Adoption freizugeben und war der Ansicht, das Kind komme nur vorübergehend zu anderen Leuten, bis sie selbst in der Lage sei, mit ihm nach Uganda zu fahren. Die Mutter, für die die Verhältnisse bei Dr. Rhonna F***, die sie auch schlug, immer unerträglicher wurden, wandte sich an die Fürsorge und wurde schließlich in einem Kinderheim untergebracht. Die Rückkehr der Mutter nach Uganda und die Aufnahme bei ihrer Familie sind gesichert, die Fahrtkosten sind gedeckt. Die Mutter hat Chancen, in ihrer Heimat Uganda einen Arbeitsplatz als Kindergärtnerin zu finden. Es bestehen keine Anhaltspunkte, daß die Mutter in Uganda in schlechteren als dort durchschnittlichen Verhältnissen leben und wohnen würde, auch für eine Verwahrlosung in den heimatlichen Verhältnissen finden sich keine Anhaltspunkte. In Österreich will die Mutter nur so lange bleiben, bis sie wieder ihr Kind hat, um mit diesem in ihre Heimat zurückzukehren.

Das Rekursgericht holte gemäß § 4 Abs. 1 IPR-Gesetz eine Auskunft des Bundesministeriums für Justiz ein, nach welcher der englischsprachige Text des Gesetzes über die Adoption von Kindern mitgeteilt wurde. Die hier maßgebenden Bestimmungen lauten in deutscher Übersetzung:

"4. .....

(3) Eine Adoptionsverfügung hat nicht zu ergehen, außer mit der Zustimmung jeder Person, die ein Elternteil oder Vormund des Minderjährigen ist, bezüglich welches der Antrag gestellt wird oder welche die tatsächliche Obsorge über den Minderjährigen hat und welche verpflichtet ist, zum Unterhalt des Minderjährigen beizutragen:

Mit der Maßgabe, daß das Gericht von jeglicher in diesem Unterabschnitt verlangten Zustimmung absehen (= davon befreien) kann, wenn es als erwiesen (bescheinigt) ansieht, daß die Person, auf deren Zustimmung zu verzichten ist, den Minderjährigen aufgegeben (auch im Sinne von "ausgesetzt" übersetzbar) oder verlassen hat oder nicht gefunden werden kann oder unfähig ist, eine derartige Zustimmung zu erklären, oder, wenn es sich um eine Person handelt, die verpflichtet ist, zum Unterhalt des Minderjährigen beizutragen, entweder nachhaltig diese Pflicht vernachlässigt oder sich geweigert hat, zu diesem Unterhalt beizutragen oder eine Person ist, auf deren Zustimmung, nach Ansicht des Gerichtes und unter Würdigung aller Umstände der Sache, zu verzichten ist.

..................................................

5. Das Gericht hat, bevor es eine Adpotionsverfügung trifft, festzustellen (als erwiesen anzunehmen) -

a) daß jede Person, deren Zustimmung nach diesem Gesetz notwendig ist und auf deren Zustimmung nicht verzichtet worden ist, der Adoption zugestimmt hat und die Natur und Wirkung der beantragten Adoptionsverfügung versteht und im besonderen im Falle eines Elternteiles versteht, daß die Wirkung der Adoptionsverfügung die ist, daß er oder sie seine bzw. ihre Elternrechte für immer verliert; ....".

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, nach § 26 Abs. 1 erster Satz IPR-Gesetz seien die Voraussetzungen der Annahme an Kindes Statt nach dem Personalstatut jedes Annehmenden zu beurteilen, im vorliegenden Fall demnach nach österreichischem Recht. Sei nach dem Personalstatut des Kindes die Zustimmung des Kindes oder eines Dritten, zu dem das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis stehe, erforderlich, so sei insoweit auch dieses Recht maßgebend. Ob der leiblichen Mutter im vorliegenden Fall ein Zustimmungsrecht zustehe, richte sich demnach nach dem Recht des Staates Uganda. Nach diesem könne die Adoption eines Kindes ohne Zustimmung seiner Eltern nicht stattfinden, es sei denn, daß die im einzelnen angeführten Ausnahmetatbestände vorlägen (eine Generalklausel im Sinne des § 181 Abs. 3 ABGB kenne dieses Recht nicht). Diese Ausnahmetatbestände seien jedoch nicht gegeben. Vor allem sei nicht davon auszugehen, daß die Mutter das Kind aufgegeben hätte. Allein aus diesen Erwägungen sei der Antrag abzuweisen. Die Ersetzung der verweigerten Zustimmung der Mutter hätte aber auch dann nicht zu erfolgen, wenn der Entscheidung § 181 Abs. 3 ABGB zugrundezulegen wäre. Eine Inkognitoadoption könne nach der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 259 erster Satz AußStrG nur über Antrag beider Vertragsteile erfolgen. Die Adoptiveltern hätten nur die Adoption beantragt, ein Antrag auf Inkognitoadoption sei lediglich vom Amtsvormund gestellt worden. Abgesehen davon, daß das Rekursgericht eine materiell wirksame Zustimmung der Mutter vor dem Jugendamt Linz am 14.Mai 1987 als nicht gegeben erachte, wäre eine solche auch sonst unwirksam und unbeachtlich, weil sie der Formvorschrift des § 258 AußStrG nicht entspräche. Die fehlende Zustimmung der Mutter könnte auch nicht nach § 181 Abs. 3 AußStrG ersetzt werden. Das Bekenntnis der Mutter zu ihrem Kind sei grundsätzlich als schutzwürdig anzusehen. Ein sachlicher Grund zur Befürwortung einer Inkognitoadoption bestehe nicht. Ein Grund, an der Erziehungsfähigkeit der Mutter zu zweifeln, sei nicht gegeben. Daß die Rückführung des Kindes zur Mutter mit Umstellungsschwierigkeiten verbunden sei, sei nicht von der Hand zu weisen, könne aber als durchwegs bewältigbar hingenommen werden. Keinesfalls gehe es an, aus diesem Grunde der Mutter ihr Kind wegzunehmen. Auf der Basis einer positiven Mutter-Kind-Beziehung, die von der Mutter erkennbar gewollt werde, sei dieses Problem lösbar. Das Aufwachsen des Kindes als Afrikanerin in Österreich wäre ein gravierendes Problem. Daß die Mutter während der Berufsausübung die Elternrechte gegebenenfalls durch Dritte ausüben lasse, spreche nicht gegen diese Entscheidung, weil auch die Adoptivmutter als Lehrerin tätig sei und daher eine Betreuung durch Dritte erfolgen müßte.

Die in Aussicht genommenen Adoptiveltern bekämpfen den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs und beantragen die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, da die in Aussicht genommenen Wahleltern gemäß § 257 Abs. 1 AußStrG Beteiligte des Verfahrens sind (SZ 45/104), er ist jedoch nicht berechtigt.

Mit dem Anfechtungsgrund der Nichtigkeit bekämpfen die Rechtsmittelwerber lediglich die Beweiswürdigung des Rekursgerichtes zur Frage über das Zustandekommen der vom Jugendamt aufgenommenen Niederschrift vom 14.Mai 1987. Auf diese Ausführungen ist nicht einzugehen, da der Oberste Gerichtshof auch im Verfahren Außerstreitsachen keine Möglichkeit hat, die Beweiswürdigung zu überprüfen (EFSlg. 49.855, 55.542 uva).

Die Ausführungen zur Aktenwidrigkeit und zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens betreffen die Fragen, unter welchen Verhältnissen Mutter und Kind nach einer Rückkehr nach Uganda leben würden und welche Folgen dadurch für das Kind entstehen würden. Diese Fragen sind im vorliegenden Fall aber rechtlich ohne Bedeutung. Unerheblich ist auch, ob die Adoptivmutter - wie das Rekursgericht annahm - ihren Beruf ausübt oder nicht.

Auch die Rechtsausführungen des Revisionsrekurses sind nicht berechtigt.

Das Übereinkommen vom 15.November 1965 über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindes Statt, BGBl. Nr. 581/1978, wäre nach seinem Artikel 1 nur anwendbar, wenn sowohl die Annehmenden als auch das Kind Staatsangehörige des Vertragsstaates sind (EFSlg. 31.935). Uganda ist aber nicht Vertragsstaat. Maßgebend ist daher § 26 Abs. 1 IPR-Gesetz. Danach sind die Voraussetzungen der Annahme an Kindes Statt und der Beendigung der Wahlkindschaft nach dem Personalstatut jedes Annehmenden zu beurteilen. Ist nach dem Personalstatut des Kindes die Zustimmung des Kindes oder eines Dritten, zu dem das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, erforderlich, so ist insoweit auch dieses Recht maßgebend. Daraus folgt, daß eine Bewilligung der Adoption ausgeschlossen ist, wenn nach dem Recht Ugandas eine Zustimmung der Mutter erforderlich ist. Dies ist aber gemäß Abschnitt 4 Abs. 3 des oben angeführten Gesetzes der Fall. Wohl kann auch nach diesem Gesetz von der Zustimmung abgesehen werden, doch hat dies das Vorliegen konkret angeführter Gründe zur Voraussetzung. Bei Beurteilung der Frage, ob derartige Gründe vorliegen, ist davon auszugehen, daß die Mutter, die zur Zeit der Geburt des Kindes minderjährig war und der man gesagt hatte, sie könne in Österreich das Kind als nicht Großjährige nicht selbst aufziehen, sie müsse es vorerst zu anderen Leuten geben, mit der vorübergehenden Betreuung des Kindes durch andere Leute einverstanden war, nicht aber mit einer Adoption, und daß sie schon immer die Absicht hatte, mit dem Kind in ihre Heimat Uganda zurückzukehren. Unter diesen Umstände kann gewiß nicht davon gesprochen werden, die Mutter habe das Kind aufgegeben bzw. ausgesetzt (keine der für das im englischen Gesetzestext verwendete Wort "abandoned" möglichen Übersetzungen trifft auf das Verhalten der Mutter zu) oder verlassen. Der Mutter, die das Kind selbst betreuen und mit diesem in ihre Heimat zurückkehren möchte, kann auch nicht angelastet werden, ihre Unterhaltspflicht nachhaltig vernachlässigt oder sich geweigert zu haben, zum Unterhalt beizutragen. Gründe, die die Annahme rechtfertigen würden, die Mutter sei eine Person, auf deren Zustimmung nach Ansicht des Gerichtes und unter Würdigung aller Umstände der Sache, zu verzichten sei, liegen nicht vor. Im vorliegenden Fall ist daher eine Adoption ohne Zustimmung der Mutter nach dem Recht Ugandas nicht zulässig.

Aus diesem Grunde mußte dem Rekurs ein Erfolg versagt bleiben, ohne daß es erforderlich gewesen wäre, zu prüfen, ob eine Ersetzung der verweigerten Zustimmung nach § 181 Abs. 3 ABGB im Hinblick auf Gefahren, die dem Kind in Uganda drohen könnten, möglich wäre. Es muß auch nicht erörtert werden, ob einer Inkognitoadoption die Form der Antragstellung entgegenstünde und ob eine Inkognitoadoption eines Staatsbürgers Ugandas überhaupt möglich ist, weil das Recht dieses Staates eine derartige Adoption offenbar nicht kennt (vgl. Schwimann in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 26 IPR-Gesetz).

Anmerkung

E19087

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00709.89.1116.000

Dokumentnummer

JJT_19891116_OGH0002_0060OB00709_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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