TE OGH 1990/5/30 11Os51/90

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Veröffentlicht am 30.05.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Mai 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bernhard D*** wegen des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach den §§ 15, 169 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27.September 1989, GZ 15 Vr 1.114/89-23, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27. September 1989, GZ 15 Vr 1.114/89-23 (Punkt a), mit dem Bernhard D*** gemäß dem § 22 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher eingewiesen wurde, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 22 Abs. 2 StGB und 435 StPO. Dieser Beschluß wird aufgehoben und es wird gemäß den §§ 292, 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einweisung des Bernhard D*** in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27. September 1989, GZ 15 Vr 1.114/89-23, wurde der am 25.Jänner 1958 geborene Angeklagte Bernhard D*** des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach den §§ 15, 169 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten verurteilt. Gemäß dem § 38 Abs. 1 StGB wurde die Vorhaft vom 23. Juni 1989, 2.20 Uhr, bis 4.Juli 1989, 18.00 Uhr, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Gleichzeitig wurde mit - gemeinsam mit dem Urteil ausgefertigten - Beschlüssen a/ Bernhard D*** gemäß dem § 22 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher eingewiesen, b/ (gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO) die bedingte Entlassung dieses Verurteilten aus der im Verfahren zum AZ 10 E Vr 609/82 des Landesgerichtes Klagenfurt verhängten Freiheitsstrafe (offener Strafrest: drei Monate und drei Tage) widerrufen und c/ der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht im Verfahren zum AZ 12 U 2.070/86 des Bezirksgerichtes Klagenfurt unter Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre abgewiesen.

Das Urteil und die Beschlüsse erwuchsen am 2.Oktober 1989 in Rechtskraft.

Am 27.September 1989, dem Tag der Urteilsfällung im vorerwähnten Strafverfahren, verbüßte Bernhard D*** eine über ihn mit Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 21.Juni 1989, GZ 3 U 10/89-5, verhängte Freiheitsstrafe von drei Monaten. Der Vollzug dieser Strafe endete am 4.Oktober 1989 (ON 10 in 3 U 10/89 und ON 11 und 28 in 15 Vr 1.114/89).

Aus Anlaß der letztgenannten Verurteilung wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 21.Juni 1989, GZ 3 U 10/89-5 (S 29), die mit Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 19. September 1986, GZ 12 U 802/86-7a, verhängte und bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten widerrufen. Diese Strafe wurde noch nicht vollzogen (vorläufiger Bericht über den Strafantritt in 12 U 802/86).

Im Zeitpunkt der Urteilsfällung zum AZ 15 Vr 1.114/89 des Landesgerichtes Klagenfurt (27.September 1989) hatte Bernhard D*** daher noch Freiheitsstrafen bzw. Strafreste in der Gesamtdauer von zwei Jahren und rund einem Monat zu verbüßen, nämlich (nach Abzug der Vorhaft) neunzehn Monate und einundzwanzig Tage zum AZ 15 Vr 1.114/89 des Landesgerichtes Klagenfurt, drei Monate und drei Tage zum AZ 10 E Vr 609/82 desselben Gerichtshofes, weiters (unter Berücksichtigung des im Urteilszeitpunkt verbüßten Teils der Strafe) sieben Tage zum AZ 3 U 10/89 des Bezirksgerichtes Klagenfurt und zwei Monate zum AZ 12 U 802/86 dieses Bezirksgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27. September 1989, GZ 15 Vr 1.114/89-23 (Punkt a), mit dem der Angeklagte Bernhard D*** gemäß dem § 22 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher eingewiesen wurde, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Abgesehen davon, daß das Gericht über die Anwendung der in den §§ 21 Abs. 2, 22 und 23 StGB vorgesehenen vorbeugenden Maßnahmen (mit Ausnahme der hier nicht vorliegenden Fälle einer Entscheidung durch selbständiges Urteil - § 441 StPO) im Strafurteil zu entscheiden hat (§ 435 Abs. 1 StPO), ist von der Unterbringung eines entwöhnungsbedürftigen Rechtsbrechers in einer Anstalt nach dem § 22 Abs. 1 StGB (unter anderem) abzusehen, wenn der Rechtsbrecher mehr als zwei Jahre in Strafhaft verbüßen muß. Da Bernhard D*** - wie dargelegt - zum maßgebenden Urteilszeitpunkt unter Abzug der im Urteil angerechneten Vorhaftzeiten bzw. des Teilvollzuges und unter Einbeziehung aller Freiheitsstrafen, deren Vollzug bereits angeordnet war, bzw. die noch in Vollzug zu setzen waren (Mayerhofer-Rieder3 EGr. 4 b zu § 22 StGB), mehr als zwei Jahre in Strafhaft zu verbüßen hatte, war die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nach dem Gesetz nicht zulässig (§ 22 Abs. 2 StGB).

Die - in Beschlußform ergangene - Einweisung des Bernhard D*** in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher ist daher mit dem Nichtigkeitsgrund gemäß dem § 281 Abs. 1 Z 11 StPO iVm dem § 435 Abs. 2 StPO behaftet. Diese Gesetzesverletzung wirkt sich zum Nachteil des Angeklagten aus.

Da dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einweisung des Bernhard D*** in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher (S 217, 235) aus den dargelegten Erwägungen die gesetzliche Deckung fehlt, war in Stattgebung der von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E20810

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0110OS00051.9.0530.000

Dokumentnummer

JJT_19900530_OGH0002_0110OS00051_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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