TE OGH 1990/6/20 2Ob27/90

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Veröffentlicht am 20.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingrid P***, Kellnerin, Heinrichsbrunn 6, 4310 Mauthausen, vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien, 1) Manfred W***, Lehrling, Ufer 150, 4310 Mauthausen, und 2) DER A*** Allgemeine Versicherungs-AG, Hoher Markt 10-11, 1010 Wien, beide vertreten durch Dr. Eduard Saxinger und Dr. Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 487.007,20 sA und Feststellung (S 30.000,--), Revisionsstreitwert S 172.444,01 hinsichtlich der klagenden Partei und S 74.149,99 hinsichtlich der beklagten Parteien, infolge Revision der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urtei des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 23. November 1989, GZ 6 R 218/89-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 31. Mai 1989, GZ 7 Cg 272/86-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von S 4.074,84 (darin Umsatzsteuer von S 679,14, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 16.11.1985 ereignete sich gegen 19,30 Uhr auf der Machland-Landesstraße bei Km 2,6 (Freilandgebiet) ein Verkehrsunfall, an dem die Klägerin als Fußgängerin und der Erstbeklagte als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen O-307.636 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer dieses Kraftfahrzeuges. Der mit seinem PKW in Richtung Au/Donau fahrende Erstbeklagte stieß im Zuge eines Überholmanövers die auf der Fahrbahn gehende Klägerin nieder; dabei wurde die Klägerin verletzt. Der Erstbeklagte wurde wegen dieses Verkehrsunfalles mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Mauthausen vom 7.4.1986, 2 U 433/85-6, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Satz StGB schuldig erkannt. Es wurde ihm zur Last gelegt, trotz unzureichender Sicht einen PKW überholt und dabei die Klägerin niedergestoßen zu haben.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall nach mehrfachen Klagsänderungen zuletzt (ON 27 S 194) unter Berücksichtigung von Akontozahlungen der Zweitbeklagten und eines im Adhäsionsverfahren erfolgten Zuspruches die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 487.007,20 sA; überdies stellte sie ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für (künftige) Unfallsfolgen, der Zweitbeklagten im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages, gerichtetes Feststellungsbegehren, dem mit Teilanerkenntnisurteil vom 15.12.1986 (ON 5) in Ansehung von zwei Drittel der Schäden der Klägerin stattgegeben wurde.

Dem Grunde nach stützte die Klägerin ihr Begehren im wesentlichen darauf, daß das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall den Erstbeklagten treffe, weil er mit überhöhter Fahrgeschwindigkeit von 120 km/h bei eingeschaltetem Abblendlicht ein unzulässiges Überholmanöver durchgeführt und dabei die Klägerin niedergestoßen habe. Dem Leistungsbegehren der Klägerin liegt unter anderem ein von ihr geltend gemachter Schmerzengeldanspruch von S 350.000,-- zugrunde.

Die Beklagten wendeten dem Grunde nach im wesentlichen ein, daß die Klägerin ein mit einem Drittel zu bewertendes Mitverschulden treffe, weil sie bei Dunkelheit auf einer unbeleuchteten Freilandstraße etwa in der Mitte des linken Fahrstreifens gegangen sei und dadurch einen zu großen Abstand vom linken Fahrbahnrand eingehalten habe. Überdies habe sie auf das Bremsgeräusch des PKW des Erstbeklagten nicht reagiert und es damit verabsäumt, die Fahrbahn für den herankommenden PKW des Erstbeklagten freizumachen. Das von der Klägerin beanspruchte Schmerzengeld sei überhöht. Das Erstgericht verurteilte mit seinem Endurteil die Beklagten zur Zahlung von S 261.516,97 sA und gab dem Feststellungsbegehren in Ansehung eines weiteren Zwölftels der Schäden der Klägerin (insgesamt also in Ansehung von drei Vierteln der Schäden der Klägerin) statt. Das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 225.490,23 sA gerichtete Leistungsmehrbegehren und das Feststellungsmehrbegehren wies es ab.

Das Erstgericht stellte, soweit für die im Revisionsverfahren noch strittigen Fragen von Bedeutung, im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Machland-Landesstraße hat im weiteren Unfallsbereich eine asphaltierte Breite von 5,9 m, exakt an der Kollisionsstelle jedoch eine solche von 5,7 m. In der Fahrbahnmitte befindet sich eine Leitlinie. Die Unfallstelle ist übersichtlich; die Sichtweite beträgt 500 m. Die Unfallstelle befindet sich im Freilandgebiet. Die Leitpflöcke am linken Fahrbahnrand befinden sich in einem Abstand von etwa 30 cm zur Asphaltgrenze.

Zur Unfallszeit fuhr der Erstbeklagte mit seinem PKW auf der Machland-Landesstraße von Mauthausen kommend in Richtung Au/Donau mit Abblendlicht mit einer Geschwindigkeit von 90 bis 100 km/h. Kurz vor Straßenkilometer 2,6 wollte er den vor ihm fahrenden PKW des Josef L*** überholen. Zu diesem Zweck scherte er mit seinem Fahrzeug nach links aus, erhöhte dabei seine Geschwindigkeit auf 114 km/h und schaltete, als sich die beiden Fahrzeuge auf gleicher Höhe befanden, das Fernlicht ein. Im Scheinwerferkegel bemerkte er dabei auf eine Distanz von 100 bis 150 m eine auf der linken Fahrbahnhälfte in gleicher Richtung gehende Gruppe von vier Fußgängern, unter welcher sich auch die Klägerin befand. Diese vier Fußgänger gingen zwar nebeneinander, jedoch nicht in einer Linie, sondern etwas gestaffelt in der Weise, daß äußerst links, und zwar schon zum Teil auf dem schneebedeckten Bankett, Manfred H*** ging, daneben Andrea P***, neben dieser Robert G*** und schließlich neben diesem die Klägerin in einem Seitenabstand zum linken Fahrbahnrand von zumindest 1,16 m. Auf das Auftauchen dieser Fußgängergruppe im Scheinwerferkegel reagierte der Erstbeklagte 3,62 Sekunden vor der späteren Kollision mit der Klägerin bzw. 92 m vor der späteren Kollisionsstelle mit einer Vollbremsung, wobei unter Berücksichtigung einer Rekationszeit von einer Sekunde und einer Bremsschwellzeit von 0,2 Sekunden 2,42 Sekunden vor der späteren Kollision die Abzeichnung der 65 m langen rechtsseitigen und der 68 m langen linksseitigen Bremsspur von seinem Fahrzeug begann. 14 m vor dem Ende der linksseitigen Bremsspur, als die linke Begrenzung des PKW vom linken Rand der dort 5,7 m breiten Fahrbahn 79 cm entfernt war, wurde die Klägerin im Bereiche ihres rechten Beines vom PKW niedergestoßen, wobei bei diesem die Konkaktstelle vom linken Rand des Fahrzeuges 37 cm entfernt war. Die Kollisionsgeschwindigkeit betrug 50 km/h. Der Abstand der Klägerin zum linken Fahrbahnrand betrug auch zum Kollisionszeitpunkt 1,16 m, weil die Klägerin auf das Auftauchen des PKW des Erstbeklagten insbesondere auf die 2,43 Sekunden vor der Kollision einsetzenden Bremsquietschgeräusche, nicht reagierte, sondern ihre ursprüngliche Gehweise beibehielt, während sich ihre drei Begleiter durch Ausweichen nach links in Sicherheit gebracht hatten. In der Zeitspanne von 2,43 Sekunden wäre ein Räumen des Fahrraumes des PKW des Erstbeklagten durch die Klägerin möglich gewesen. Andererseits hätte der Erstbeklagte, wenn er anstatt einer Geschwindigkeit von 114 km/h nur eine Geschwindigkeit von 104 km/h eingehalten hätte, sein Fahrzeug noch einen Meter vor der Klägerin anhalten können.

Um bei eingeschaltetem Abblendlicht mit einer Ausleuchtweite von 40 m dem Gebot des Fahrens auf Sicht zu entsprechen, hätte nur eine Geschwindigkeit von 62 km/h eingehalten werden dürfen. In diesem Fall hätte bereits eine leichte bis mittelstarke Bremsung mit einer Verzögerung von 2,03 m/sec2 ausgereicht, um das Fahrzeug bis zur Kollisionsstelle bis zum Stillstand abzubremsen.

Die am 22.7.1969 geborene Klägerin erlitt bei dem Verkehrsunfall nachstehende Verletzungen:

1.) Eine größere 10 cm messende Rißquetschwunde am Hinterhaupt mit einem Bruch vom Hinterhaupt ausgehend im Schädeldachbereich verlaufend und eine Hirnerschütterung und Hirnquetschung, wobei insbesondere Kontusionsherde in der linken Hemisphäre des Gehirns vorhanden waren;

2.) Im rechten Oberarm einen subkapitalen Oberarmbruch und kleinere Schnittwunden in der rechten Hand.

3.) Einen Bruch des linken Schulterblattes, und zwar im Ausmaß von 10 cm;

4.) Einen Sitzbeinbruch und eine Schambeinfugensprengung mit einer primären Diastase von 3 cm.

5.) Zwei Stichwunden im Bereich der hinteren Oberschenkelpartie rechts.

Sie war zu folgenden Zeitpunkten in stationärer Behandlung:

1.) Vom 16.11.1985 bis 17.1.1986 (62 Tage) im AKH Linz, wovon sie bis 10.12.1986, also 25 Tage, auf der Intensivstation lag.

2.) In der Zeit vom 27.5. bis 26.6.1986 (31 Tage) im Rehabilitationszentrum Bad Häring.

3.) In der Zeit vom 1. bis 4.9.1986 (4 Tage) noch ein zweites Mal im AKH Linz.

Beim ersten Krankenhausaufenthalt wurden die Wunden ausgeschnitten und genäht und es wurde dann etwas später, nämlich am 28.11.1985, eine Zuggurtung der Symphysenruptur durchgeführt und ein Beckengurt verordnet. Die Klägerin hatte einen Strumpf-Desault-Verband für den Oberarmbruch; vor allem war primär eine Schockbekämpfung notwendig. Schließlich hatte sie Sprachstörungen, sie wurde logopädisch betreut und es wurde eine intensive Behandlung im Rehabilitationszentrum Bad Häring durchgeführt. Es war eine Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes vorhanden, primär sogar ein posttraumatisches Hirnödem. Es bestanden diskrete Zeichen einer Semiparese, die sich wiederum zurückbildeten. Das EEG ergab Allgemeinveränderungen und dann eine herdförmige Schädigung der linken Hirnhälfte. Beim zweiten Aufenthalt im AKH Linz wurde am 2.9.1986 das Metall, nämlich zwei Schrauben und die Drahtschlinge, an der Schambeinfuge wiederum entfernt. Die Klägerin hat jetzt eine andere Aussprache als früher; es besteht eine Dysphonie.

Die Klägerin war zum Unfallszeitpunkt in der 3. Klasse der Berufsschule und wollte Gastgewerbe lernen. Sie hat durch den Unfall ein Jahr verloren und war in der Zeit vom 16.11.1985 bis 13.7.1986 arbeitsunfähig; erst am 14.7.1987 wurde sie wieder arbeitsfähig geschrieben. Sie war dann noch nach dem 1.9.1986 zwei bis drei Wochen arbeitsunfähig. Durch die Verletzungsfolgen, und zwar insbesondere durch das schwere Schädel-Hirn-Trauma, ist eine Dauerinvalidität von rund 25 % eingetreten. Sportausübung ist der Klägerin nicht mehr im gleichen Maße wie vor dem Unfall möglich. Zur Zeit der Untersuchung durch den medizinischen Sachverständigen am 29.1.1987 wurde folgender Befund erhoben:

1.) Von Seiten des schweren Schädel-Hirn-Traumas bestanden keine wesentlichen organneurologischen Ausfallserscheinungen mehr; die Halbseitensymptomatik hatte sich weitgehend zurückgebildet. Im EEG fand man aber noch einen Restherd links. Grobe psychische Veränderungen im Sinne eines echten organischen Psychosyndroms waren nicht mehr vorhanden.

2.) Der linke Schulterblattbruch war relativ gut bei guter Beweglichkeit verheilt. Der Oberarmbruch rechts ist mit einer Verkürzung des Oberarmes um einen Zentimeter abgeheilt. Es bestand auch ein leichter Muskelschwund rechts, doch ist die Klägerin Linkshänderin, sodaß eine Differenz ohnedies gegeben ist. Jedenfalls war die Schulter nur bis 130 Grad hebbar, während links 180 Grad möglich waren. Es war auch das Abspreizen nur bis 125 Grad gegenüber links 180 Grad möglich. Die Wunden am Handrücken waren glatt abgeheilt und machten keine besonderen Beschwerden.

3.) Im Bereich des Unterbauches entsprechend der Bauchfalte war eine quer verlaufende bandförmige 3 cm messende 2 mm breite Narbe vorhanden, wie sie normalerweise bei gynäkologischen Operationen auch zu finden ist. Die Symphysensprengung ist gut verheilt.

4.) Im Bereich des rechten Oberschenkels rückwärts fand man zwei blasse Narben; eine davon war 3,5 x 2 cm, eine 3,5 x 1 cm. Die Narben waren zwar sichtbar, doch war kein besonderer Auffälligkeitswert gegeben.

Die unfallskausalen Verletzungsfolgen verursachten der Klägerin 27 Tage starke Schmerkzen, 5 bis 6 Wochen mittelstarke Schmerzen und vier bis fünf Monate gerafft leichte SChmerzen.

In der Zeit vom 8. bis 10.2.1987 wurde eine kosmetische Operation der Narben durchgeführt; die chirurgische Behandlung der Narbenkorrektur war mit 18.3.1988 abgeschlossen. Die Narben haben ihren bestmöglichen Zustand erreicht und es ist keine weitere chirurgische Korrektur mehr sinnvoll. Die Narben dürften sich mit der Zeit noch spontan ein wenig verbessern.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß das Verschulden des Erstbeklagten darin liege, daß er trotz unzureichender Sicht ein nach § 16 StVO verpöntes Überholmanöver durchgeführt habe und zudem mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei. Die Klägerin treffe ein Mitverschulden, weil sie sich als Fußgängerin nicht entsprechend den Vorschriften des § 76 Abs 1 und Abs 2 StVO verhalten habe; sie sei nicht am äußersten Fahrbahnrand gegangen. Es sei eine Schadensteilung im Verhältnis von 3 : 1 zu Gunsten der Klägerin vorzunehmen. Die Unfallsverletzungen der Klägerin und die daraus resultierenden Folgen rechtfertigten ein Schmerzengeld in der Höhe von S 300.000,--.

Den gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufungen beider Streitteile gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil vom 23.11.1989 keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte sowohl die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung als auch die Bemessung des Schmerzengeldes. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen beider Streitteile. Die Klägerin bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanzen zurückzuverweisen, allenfalls es dahin abzuändern, daß der Klägerin ein Betrag von S 426.460,98 sA zugesprochen und ihrem Feststellungsbegehren vollinhaltlich stattgegeben werde. Die Beklagten bekämpfen die Entscheidung des Berufungsgerichtes gleichfalls aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren hinsichtlich eines weiteren Betrages von S 71.649,99 sA und im Umfang des noch nicht mit dem Teilanerkenntnisurteil erledigten Feststellungsbegehrens abgewiesen werde; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag. Beide Streitteile haben Revisionsbeantwortungen mit dem Antrag erstattet, der Revision des Gegners keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Während die Klägerin in ihrer Revision darzutun versucht, daß ihr überhaupt kein Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften anzulasten bzw ein sie treffendes geringfügiges Mitverschulden zu vernachlässigen sei, vertreten die Beklagten in ihrer Rechtsrüge die Meinung, daß eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu ihren Lasten vorzunehmen sei.

Beidem ist nicht zu folgen.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß im Sinne der Bestimmungen des § 76 Abs 1 und Abs 2 StVO das Nebeneinandergehen von Fußgängern am linken Fahrbahnrand nicht schlechthin verboten ist, wohl aber dann, wenn andere Verkehrsteilnehmer hiedurch gefährdet oder behindert werden könnten (ZVR 1984/161 mwN; siehe dazu auch Dittrich-Stolzlechner, StVO3 § 76 Rz 24 und die dort angeführte Judikatur). In diesem Sinne wurde auch entschieden, daß nebeneinandergehende Fußgänger beim Herannahen eines Fahrzeuges auf der von ihnen benützten Fahrbahnseite sofort an den äußersten Fahrbahnrand heranzutreten, das heißt hintereinander abzufallen haben (ZVR 1968/52). Die Klägerin hat nach den im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen gegen diese sie als Fußgängerin treffenden Verpflichtungen eindeutig verstoßen, wenn sie in einer gestaffelt gehenden Gruppe von vier Personen in einem Abstand von zumindest 1,16 m zum linken Fahrbahnrand am weitesten innerhalb der Fahrbahn ging. Denn gerade bei der zur Unfallszeit herrschenden Dunkelheit (siehe dazu Dittrich-Stolzlechner aaO) kann bei dieser Gehweise der Klägerin keine Rede davon sein, daß dadurch auf einer unbeleuchteten Freilandstraße andere Straßenbenützer weder gefährdet noch behindert wurden. Dazu kommt noch, daß die Klägerin auf das Herankommen des PKW des Erstbeklagten und auf die von diesem Fahrzeug ausgehenden Bremsgeräusche in keiner Weise reagierte, obwohl sie genügend Zeit gehabt hätte, sich ebenso wie ihre Begleiter durch rechtzeitiges Herantreten an den linken Fahrbahnrand in Sicherheit zu bringen. Dieses der Klägerin anzulastende Verschulden ist entgegen ihren Revisionsausführungen keinesfalls zu vernachlässigen, zumal die von der Klägeirn eingehaltene Gehweise als in hohem Grad leichtsinnig beurteilt werden muß. Allerdings wird das Gewicht des Fehlverhaltens der Klägerin durch die dem Erstbeklagten anzulastende rücksichtslose Fahrweise (Durchführung eines Überholmanövers mit absolut und relativ überhöhter Geschwindigkeit bei Dunkelheit trotz durch die Verwendung von Abblendlicht bedingter ungenügender Sicht) bei weitem überwogen. Unter Bedachtnahme auf die im vorliegenden Einzelfall festgestellten Umstände ist in der von den Vorinstanzen vorgenommenen Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten der Beklagten ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen.

In der Frage der Schmerzengeldbemessung versucht die Klägerin in ihrer Revision darzutun, daß ihr ein Schmerzengeld von S 350.000,-- gebühre; dem gegenüber vertreten die Beklagten in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, daß der Klägerin nur ein Schmerzengeld von S 250.000,-- zuzusprechen sei.

Auch hier kann beiden Rechtsmitteln nicht gefolgt werden. Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen ist der vorliegende Fall dadurch charakterisiert, daß die Klägerin wohl schwere Verletzungen mit nicht unbeträchtlichen Dauerfolgen erlitten hat, daß sich aber der Heilungsverlauf vergleichsweise unkompliziert gestaltete und die von der Klägerin zu ertragenden Schmerzen nach Grad und Dauer kein außergewöhnliches Ausmaß erreichten. Die Klägerin konnte immerhin gesundheitlich so weit wiederhergestellt werden, daß sie ihrem Beruf als Kellnerin nachgehen kann. Unter diesen Umständen kommt zwar im Hinblick auf die Schwere der der Klägerin zugefügten Verletzungen eine Herabsetzung des ihr zuerkannten Schmerzengeldes im Sinne der Revisionsausführungen der Beklagten nicht in Betracht, doch besteht im Hinblick auf den verhältnismäßig unkomplizierten Heilungsverlauf und die weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit der Klägerin auch kein Anlaß für den Zuspruch eines höheren Schmerzengeldes.

Es muß daher beiden Revisionen ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittel haben beide Streitteile selbst zu tragen. Hingegen gebührt den Beklagten der Ersatz der Differenz der Kosten der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Revisionsbeantwortungen.

Anmerkung

E21127

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00027.9.0620.000

Dokumentnummer

JJT_19900620_OGH0002_0020OB00027_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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