TE OGH 1990/6/27 3Ob573/90 (3Ob1514/90)

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Veröffentlicht am 27.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Franz P***, Rechtsanwalt in Zwettl, als Masseverwalter im Konkurs der M. R*** Gesellschaft mbH, Dobersberg, Karlsteinerstraße 13 (S 31/86 des Kreisgerichtes Krems), wider die beklagte Partei W*** S*** V*** 1842, Waidhofen an der Thaya, Hauptplatz 20, vertreten durch Dr. Kurt Schlosser, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Thaya, wegen Anfechtung der Aufrechnung von Eingängen aus Scheckeinlösungen von 230.251,05 S und 565.784,69 S, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23.Juni 1989, GZ 3 R 98/89-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 2.Februar 1989, GZ 5 Cg 21/87-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird im Umfang von 230.251,05 S zurückgewiesen. Im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen vierzehn Tagen die mit 17.494,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.915,90 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Masseverwalter in dem am 2.Dezember 1986 eröffneten Konkurs über das Vermögen der M. R*** Gesellschaft mbH. Von der gegen die Hausbank der Gemeinschuldnerin eingebrachten Anfechtungsklage sind im Revisionsverfahren nur mehr zwei Scheckhereinnahmen von 230.251,05 S am 15.September 1986 und von 565.784,69 S am 22.September 1986 strittig. Wegen nicht erwiesener Kenntnis oder Kennenmüssens der Zahlungsunfähigkeit der späteren Gemeinschuldnerin seitens der beklagten Partei geht es nur mehr um den Anfechtungstatbestand nach § 30 Abs. 1 Z 1 KO.

Der Kläger macht insoweit geltend, daß die beklagte Partei durch die hereingenommenen Schecks und die Aufrechnung mit ihrer offenen Kreditverbindlichkeit eine inkongruente Befriedigung erlangt habe, und begehrt die Unwirksamerklärung der vorgenommenen Aufrechnung und die Zahlung des so erlösten Betrages von zusammen 796.035,74 S. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß den strittigen Scheckeinlösungen jeweils die Genehmigung einer Kontoüberziehung gegen Zusage der baldigen Abdeckung vorausgegangen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im noch strittigen Umfang ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach für den Scheck über 230.251,05 S infolge Auftrages des Revisionsgerichtes aus, daß insoweit die Revision nicht zulässig sei. Die Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Die beiden Schecks betrafen die Bezahlung zweier Rechnungen der Gemeinschuldnerin vom 8.September 1986 und 15.September 1986 durch einen Stammkunden des von der Gemeinschuldnerin betriebenen Holzhandelsgeschäftes. Für diesen Holzhandel hatte die beklagte Partei einen Kreditrahmen von zusammen 750.000,-- S gewährt. Auf Grund der guten Bonität wurde eine Rahmenüberschreitung von 250.000 S ohne weitere Besicherung im Stillschweigen genehmigt. Wenn der Kreditrahmen allerdings über eine Million hinaus überzogen werden sollte, war es üblich, daß die Gemeinschuldnerin die beklagte Partei ersuchte, die vorübergehende Überziehung zu gestatten, und gleichzeitig jeweils die baldige Rückzahlung durch in den nächsten Tagen zu erwartende Zahlungseingänge zusagte. Auf diese Weise wurden wiederholt Überziehungen über eine Million Schilling hinaus von 200.000 bis 300.000 S genehmigt.

Am 15.September 1986 (Hereinnahme des ersten Schecks) betrug der Debetsaldo 1,188.215,30 S plus 83.775,23 S = 1,271.990,53 S und sank durch die Gutschrift wegen des Schecks von 230.251,05 S auf 1,041.739,48 S.

Am 22.September 1986 (Hereinnahme des zweiten Schecks) betrug der Debetsaldo 1,080.978,60 S plus 29.596,50 S = 1,110.575,10 S und sank durch die Gutschrift für den Scheck von 565.784,69 S auf 544.790,41 S (bzw 544.790,11 S laut Ersturteil).

Der Scheckhereinnahme vom 15.September 1986 ging am 3. September 1986 eine Abhebung der Gemeinschuldnerin von 362.520 S voraus, welche den Debetsaldo auf 1,278.639,92 S erhöhte. Dem standen in der Folge Scheckgutschriften von 104.737,97 S am 4. September 1986, von 32.576,34 S am 8.September 1986 und von 230.251,05 S am 15.September 1986 aus dem ersten strittigen Scheck gegenüber. In diesem Fall hatte die Gemeinschuldnerin bei der beklagten Partei auf die geschilderte Weise vorgesprochen, die gewünschte Überziehung bekanntgegeben und gleichzeitig in Aussicht gestellt, daß in den nächsten Tagen größere Eingänge zu erwarten seien.

Der Scheckhereinnahme vom 22.September 1986 stehen seit 15. September 1986 vorangegangene Kontoabhebungen von 6.222,22 S am 16. September 1986, 47.742,72 S, 77.095,92 S und 38.743,20 S am 17. September 1986, 10.000,-- S am 18.September 1986, 30.018,-- S am 19. September 1986 und 29.596,50 S am 22.September 1986, das sind zusammen 239.418,56 S, gegenüber. Nach der Scheckeinlösung erfolgten weitere Kontoabhebungen von 15.000,-- S am 23.September 1986, von 28.659,79 S und 65.000,-- S am 25.September 1986, von 62.725,52 S am 26. September 1986, von 7.383,20 S, 9.459,-- S und 77.317,65 S am 29. September 1986, von 14.896,75 S, 15.903,75 S und 47.564,-- S am 30. September 1986, das sind zusammen 343.909,66 S. Durch weitere teilweise nicht angefochtene Gutschriften betrug der Debetsaldo am Konkurseröffnungstag 698.862,13 S. In diesem Betrag sind allerdings drei Scheckeinlösungen im Gesamtbetrag von 221.333,03 S enthalten, die gemäß dem in Rechtskraft erwachsenen Teil des Ersturteiles erfolgreich angefochten wurden. Die Summe dieser Beträge entspricht bis auf einen Groschen dem im Berufungsurteil genannten fiktiven Debetstand von 920.195,17 S.

Der Konkursantrag wurde nach dem Freitod des Geschäftsführers und einzigen Gesellschafters der Gemeinschuldnerin am 25. Oktober 1986 vom Steuerberater der Gesellschaft am 1. Dezember 1986 als Notgeschäftsführer gestellt. Für den Steuerberater der Gemeinschuldnerin gab es bis zum Todestag des genannten Geschäftsführers keine Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit. Es sind außer einer geringfügigen und bald eingestellten Exekution keine laufenden Exekutionen erwiesen. Rechnungen an die Gemeinschuldnerin wurden immer bezahlt. Die durchgeführten Holzgeschäfte warfen einen Gewinn ab. Im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bestanden allerdings über vier Millionen S Konkursforderungen, und es waren keine nennenswerten Konkursaktiva vorhanden.

In rechtlicher Hinsicht verneinten die Vorinstanzen auf Grund dieses Sachverhaltes das Vorliegen der Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Z 1 KO. Eine inkongruente Deckung könne bei einem Kontokorrentkredit der vorliegenden Art nur darin liegen, daß durch eingehende Zahlungen in kritischer Zeit der Debetsaldo unter den Kredithöchstrahmen sinke. Dieser habe 750.000,-- S betragen. Die immer wieder stillschweigend genehmigte Überziehung um 250.000,-- S habe nicht zur konkludent vereinbarten Erhöhung des Kreditrahmens auf eine Million Schilling geführt. Bei einem 750.000,-- S übersteigenden Debetsaldo habe daher ein sofort fälliger Anspruch auf Rückführung des Kredites auf den vereinbarten Höchstbetrag bestanden. Im übrigen entspreche es bei einem Kontokorrentkredit regelmäßig dem Willen der Parteien, daß Zahlungseingänge sofort mit der offenen Kreditverbindlichkeit aufgerechnet würden. Dem Umstand, daß der Debetsaldo durch die zweite Scheckhereinnahme vorübergehend unter die durch den Kreditrahmen gezogene Grenze sank, komme keine Bedeutung zu. Maßgebend sei nur die insgesamt eintretende Saldoverringerung.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Revision den am 15.September 1986 eingelösten Scheck von 230.251,05 S betrifft, ist sie mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 2 ZPO idF vor der WGN 1989 unzulässig. Im übrigen ist sie nicht berechtigt.

Beim ersten Scheck (Gegenstand der außerordentlichen Revision) steht fest, daß kurz vor seiner Hereinnahme eine vorübergehende Ausweitung der Kreditüberziehung zwischen der Gemeinschuldnerin und der beklagten Partei ausdrücklich besprochen wurde. Die Kreditausweitung wurde nur gestattet, weil die Gemeinschuldnerin das Eintreffen einer entsprechend hohen Zahlung für die nächsten Tage zusagte. Hier lag ein Zug-um-Zug-Geschäft vor. Auf Grund der Zusagen der Gemeinschuldnerin bestand ein Anspruch der beklagten Partei gegenüber der Gemeinschuldnerin, den Scheck zwecks Einlösung und Vornahme der Aufrechnung einzureichen. Es kam somit nicht zu einer inkongruenten Deckung. Insoweit liegt keine uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor. Auch im außerordentlichen Revisionsrekurs wird keine gegenteilige Entscheidung oder auch nur eine etwa abweichende Ansicht im Schrifttum angeführt. Die außerordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Etwas anders verhält es sich mit dem zweiten Scheck. Hier kann nicht ohne weiteres von einem Zug-um-Zug-Geschäft gesprochen werden; denn zum einen ist hier nicht eine ausdrückliche Vereinbarung im Sinne einer vorübergehend gegen unverzügliche Scheckvorlage in Anspruch genommene Kreditausweitung erwiesen, und zum anderen spricht auch die Kontoentwicklung gegen einen bloßen Austausch von hereingenommenen Schecks und ausgenütztem Kredit. Unmittelbar vor oder nach der Scheckhereinnahme erfolgten nämlich keine dem Scheckbetrag entsprechenden Abhebungen vom Konto. Allerdings kam es in späterer Folge zur neuerlichen Inanspruchnahme des Kredites in einer den Scheckbetrag übersteigenden Höhe. Diesen Kreditinanspruchnahmen standen aber weitere Eingänge, welche nicht alle angefochten sind, gegenüber. Die Hereinnahme dieses zweiten Schecks könnte also zu einer Saldoverringerung geführt haben, auf die die beklagte Partei zu diesem Zeitpunkt noch keinen Anspruch hatte.

In der Entscheidung EvBl 1982/143 = JBl 1982, 380, wurde in einem vergleichbaren Fall die zeitliche Inkongruenz eines solchen Kontoeingangs angenommen, ohne auf die etwa fehlende Begünstigung nach § 30 Abs. 1 Z 1 letzter Halbsatz KO einzugehen. Diese Entscheidung stieß jedoch im Schrifttum auf einhellige Ablehnung (KÖnig, ÖJZ 1982, 458; Koziol JBl 1982, 382; Schumacher ÖBA 1982, 330).

Soweit nach dieser Entscheidung gefordert wird, daß schon ein klagbarer Anspruch auf Kreditrückzahlung bestehen muß um zeitliche Kongruenz zu begründen, kann ihr aber weiterhin trotz auch hier geäußerter Kritik im Schrifttum gefolgt werden. Die bloße Möglichkeit, den Kredit vorzeitig fällig zu stellen, genügt nicht. Auch eine Vereinbarung, wonach der Kreditnehmer seinen gesamten Geldverkehr über das Konto des Kreditgebers laufen lassen mußte, wird im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht.

Der erkennende Senat ist jedoch der Auffassung, daß bei einem revolvierenden Kontokorrentkredit nur solche Tilgungen wegen inkongruenter Deckung angefochten werden können, die dazu geführt haben, daß der tatsächliche Debetstand bis zum Konkurseröffnungstag unter den Kredithöchstrahmen gesunken ist, und schließt sich insoweit der in SZ 58/213 vertretenen Ansicht an.

Soweit eine Überziehung des Kredithöchstrahmens abgedeckt wird, liegt schon deshalb keine Inkongruenz vor, weil hier der Kreditgeber jederzeit klagen hätte können.

Soweit aber der Kreditnehmer über den angefochtenen Kontoeingang wieder disponiert hat, hat sich der Kredit in Wahrheit nicht zum Nachteil der übrigen Gläubiger verändert.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen führte die Hereinnahme des zweiten Schecks letzten Endes zu einer Senkung des Debetsaldos von 1,041.739,48 S am 15.September 1986 (Hereinnahme des ersten Schecks) auf 698.862,13 S bzw nach Hinzurechnung der rechtskräftig angefochtenen Aufrechnungen auf 920.195,17 S am Konkurseröffnungstag. Würde man daher im Sinne der Revisionsausführungen von einem Kredithöchstrahmen von einer Million Schilling ausgehen müssen, dann könnte der Differenzbetrag von 920.195,17 S und 1,000.000,--S der Anfechtung unterliegen. Mit Recht hat aber das Berufungsgericht angenommen, daß sich die klagende Partei durch die längere Zeit geduldete Überschreitung eines mit 750.000,-- S vereinbarten Kreditrahmens noch nicht des Rechts begeben hat, die sofortige Zahlung des Überziehungsbetrages zu fordern. Für den Abschluß eines Kreditvertrages ist zwar keine bestimmte Form erforderlich. In der Regel erfolgen aber doch schriftliche Festlegungen, vor allem in der Form eines Korrespondenzvertrages (Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 II 15). Ohne Hinzukommen weiterer Umstände läßt der Umstand, daß die Bank eine vertragswidrige Kontoüberziehung durch längere Zeit zugelassen hat, noch nicht den im Sinne des § 863 ABGB zwingenden Schluß zu, daß sie den bisher schriftlich fixierten Kreditrahmen in einer die Bank verpflichtenden Weise erhöht habe (vgl E wie SZ 54/161 oder ÖBA 1988, 399, sowie zur deutschen Rechtslage Hopt-Mülbert, Kreditrecht Rz 249). Solche Umstände, etwa, daß die beklagte Partei für den Überziehungsbetrag keine Überziehungszinsen verrechnete, hat die klagende Partei nicht behauptet.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage zur ordentlichen Revision beträgt jedoch nur 565.784,69 S.

Anmerkung

E20923

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00573.9.0627.000

Dokumentnummer

JJT_19900627_OGH0002_0030OB00573_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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