TE OGH 1990/6/28 12Os61/90

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Veröffentlicht am 28.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juni 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Horak, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Ungerank als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois H*** wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 23. Jänner 1990, GZ 10 Vr 2402/89-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Mader, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 3 (drei) Jahre herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 9.März 1965 geborene Alois H*** wurde des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Den wesentlichen Urteilsfeststellungen zufolge hat Josef E*** im Juni 1989 durch Kauf vom Vater des Angeklagten, Alfred H***, das außerbücherliche Eigentum an der Hälfte des Grundstückes samt Haus in Seibersdorf 102 erworben, während die andere Hälfte dieser Liegenschaft im (vollen) Eigentum der Mutter des Angeklagten verblieb. Da eine räumliche Trennung des Hauses durch den Umstand, daß dieses vom Angeklagten sowie von dessen Mutter und dessen Lebensgefährtin bewohnt wurde, mit Schwierigkeiten verbunden war und Josef E*** nach einer Möglichkeit der Lagerung diverser Gegenstände suchte (S 25, 95, 139, 159), bemühte er sich, die zweite Hälfte der Liegenschaft von Anna H*** zu erwerben. Zu diesem Zweck suchte E*** am 21.September 1989 Anna H*** in ihrem Haus auf, in dem sich zu diesem Zeitpunkt auch der Angeklagte, dessen Lebensgefährtin und ein Bekannter (Adolf H***) befanden. Nachdem Josef E*** sein Kaufangebot für die Liegenschaftshälfte erneuert und Anna H*** dieses abgelehnt hatte, mischte sich der Angeklagte in die Unterredung ein. Er versetzte dem E*** Faustschläge und Fußtritte (die leichte Verletzungen des E*** nach sich zogen) und nötigte ihn schließlich in der Absicht, sich durch das Verhalten des E*** unrechtmäßig zu bereichern und diesen in seinem Vermögen zu schädigen, durch Drohung mit weiteren Mißhandlungen und schließlich auch durch Bedrohung mit dem Abstechen, nach seinem Diktat eine Erklärung zu schreiben und zu unterfertigen, wonach E*** auf die Liegenschaft und "natürlich auch auf die landwirtschaftliche Nutzfläche" verzichtete. Anschließend ließ der Angeklagte dieses Schriftstück von seiner Mutter, seiner Lebensgefährtin und Adolf H*** als Zeugen mitunterfertigen (S 158 ff).

Deliktsvollendung nahm das Schöffengericht deshalb an, weil das Opfer infolge der Nötigung insoweit auf ein sein Vermögen in einer es verringernden Weise eingewirkt habe, als es auf die Nutzung der von ihm gekauften Liegenschaftshälfte verzichtete, sodaß Josef E*** mit der Überlassung der von ihm erworbenen Liegenschaftshälfte zur unbeschränkten Nutzung des Angeklagten und seiner Mutter gleichermaßen jenen Vermögensschaden erlitt, um welchen der Angeklagte sein oder das Vermögen seiner Mutter unrechtmäßig vermehrte (S 164 f).

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten allein gegen den Schuldspruch wegen schwerer Erpressung sowie gegen den Strafausspruch aus § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl. Da die Entscheidungsgründe mit dem Urteilsspruch eine Einheit bilden und daher zur Auslegung eines bloß mißverständlich gefaßten Urteilsspruches herangezogen werden können (Mayerhofer-Rieder2, § 260 StPO ENr 2 a), vermag der in der Mängelrüge (Z 5) monierte Umstand, daß im Urteilsspruch nur vom Verzicht auf den Hälfteanteil gesprochen wird, durch den E*** an seinem Vermögen geschädigt werden sollte, angesichts der oben wiedergegebenen Entscheidungsgründe einen Nichtigkeit nach sich ziehenden Mangel in Gestalt einer Undeutlichkeit der Begründung nicht zu bewirken, dies umso weniger, als im Spruch die Nötigung zur Verfassung des gesamten Schriftstückes inkriminiert wird, in dem auch vom Verzicht auf mit dem Miteigentum verbundene Nutzungsrechte die Rede ist. Angesichts der auf die Bekundungen des Gendarmeriebeamten G*** gestützten und damit schlüssig begründeten Konstatierung, Josef E*** sei im Zeitpunkt der Anzeigeerstattung nicht höhergradig alkoholisiert gewesen (S 161), kommt der Frage, welcher Zeitraum zwischen dem Verlassen des Hauses des Angeklagten und der Anzeigeerstattung lag, ersichtlich keine Relevanz zu und konnte mithin schon deshalb eine Erörterung der Zeitangaben des Zeugen E*** sanktionslos unterbleiben; abgesehen davon ist die Beschwerde des Angeklagten insoweit nicht aktengetreu, als E*** - entgegen den Rechtsmittelbehauptungen - den Zeitpunkt seines Wegganges nicht durchwegs exakt mit 18,30 Uhr angegeben, sondern in der Hauptverhandlung auf Vorhalt des Verteidigers, für eine einen Kilometer lange Wegstrecke mit dem Motorfahrrad ca eine Stunde gebraucht zu haben, durch die Erklärung, daß er "dann eben später von den H*** weggefahren sein muß", diesbezüglich eine Relativierung eingebracht hatte (S 141).

Ebenso unbegründet wie die Mängel- ist aber auch die Tatsachenrüge (Z 5 a); denn die darin ins Treffen geführten Umstände und Hinweise waren nicht geeignet, im Senat - der an Hand des Beschwerdevorbringens den gesamten Akt einer sorgfältigen Prüfung unterzog - Bedenken gegen die Richtigkeit des den Schuldspruch wegen schwerer Erpressung tragenden Tatsachenfeststellungen zu erwecken. Soweit in der Rechtsrüge (Z 10) behauptet wird, es liege ein absolut untauglicher Versuch vor, weil die abgenötigte Erklärung völlig wertlos und weder geeignet sei, Josef E*** am Vermögen zu schädigen noch jemanden zu bereichern, genügt die Erwiderung, daß die Beschwerde sich hier in unzulässiger Weise über den vom Erstgericht angenommenen effektiven Verlust an Vermögenssubstanz durch die abgenötigte Verzichtserklärung (Deliktsvollendung!) hinwegsetzt.

Ihrem Kerneinwand jedoch, Josef E*** habe durch seine Verzichtserklärung keinen Vermögensschaden erlitten, weil sie keinen Begünstigten nenne und daher niemand daraus ein Recht für sich ableiten und gegen E*** durchsetzen konnte, ist - in Übereinstimmung mit dem Erstgericht - zu entgegnen, daß in einem im - wenn auch noch nicht verbücherten (SSt 55/71) - (Mit-)Eigentum fundierten Nutzungsanspruch - anders etwa als in einem keinen selbständigen Wertträger verkörpernden Schuldschein (LSK 1976/384) - ein realer Vermögensbestandteil zu erblicken ist, auf den (formfrei; siehe MietSlg 7.037) verzichtet werden kann, wobei die (bei der Verzichtserklärung gegenwärtigen) Begünstigten aus dem Text mit eindeutiger Sicherheit zu entnehmen sind und bei der gegebenen Sachlage insofern auf der Hand liegen, also durch den ausgesprochenen Verzicht - ungeachtet seiner

Anfechtbarkeit - zunächst die weitere unbeschränkte und ungeteilte Nutzung der Liegenschaft durch Anna H*** und die weiteren Bewohner des Hauses (S 158 f) sichergestellt, Josef E*** aber von der Mitbenützung der Liegenschaft (zu welchem Zweck - Möglichkeit der Lagerung diverser Gegenstände - er ja vorsprach!) ab dem Verzicht ausgeschlossen war, wobei es ihm unter Zugrundelegung der (abgenötigten) Verzichtserklärung verwehrt war, eine konkrete Benützungsregelung im Wege eines gerichtlichen Verfahrens herbeizuführen.

Ausgehend von einer durch den Verzicht bewirkten Verminderung der Vermögenssubstanz des Josef E*** erweist sich die die Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO relevierende Beschwerde als nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie urteilsfremd unterstellt, es sei kein Schaden entstanden.

Es war sonach die insgesamt unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 145 Abs. 1, 28 StGB eine Freiheitsstrafe von vier Jahren, wobei erschwerend das Zusammentreffen eines Vergehens mit einem Verbrechen, der rasche Rückfall, zwölf auf derselben schädlichen Neigung beruhende Vorverurteilungen und die rechtlich geschützten Werten - hier: der körperlichen Unversehrtheit und dem fremden Eigentum - gegenüber gleichgültige Einstellung des Angeklagten waren; mildernd dagegen war nichts.

Die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung der Strafe anstrebt, ist begründet.

Auch auf der Basis der vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend konstatierten Strafzumessungsgründe, denen als mildernd lediglich beizufügen wäre, daß infolge der prompten Anzeige und des nachfolgenden Strafverfahrens eine über die Tatbestandserfüllung hinausgehende wirtschaftliche Realisierung der abgepreßten Verzichtserklärung unterblieb, erscheint die geschöpfte Unrechtsfolge doch als etwas überhöht, weshalb sie in Stattgebung der Berufung auf das aus dem Spruch ersichtliche tatschuldgerechte Maß zu reduzieren war.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E21084

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0120OS00061.9.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19900628_OGH0002_0120OS00061_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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