TE OGH 1990/10/24 11Os95/90

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Veröffentlicht am 24.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Oktober 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pokorny als Schriftführerin in der Strafsache gegen Silvester und Damaris G*** wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten Silvester G*** und der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3.Mai 1990, GZ 8 Vr 113/89-45, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Ersten Generalanwalts Dr. Tschulik, der Angeklagten Silvester und Damaris G*** sowie der Verteidiger Dr. Insam und Dr. Kaltenbäck zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Silvester G*** wird verworfen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den die beiden Angeklagten betreffenden Aussprüchen über die Verhängung von Wertersatzstrafen und in den weiteren Strafaussprüchen aufgehoben, und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte Silvester G*** werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 30.November 1966 geborene Angestellte Silvester G*** des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SGG (I./), des Vergehens nach dem § 16 Abs 1 SGG (III./) und des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1, zweiter Fall, StGB (IV./) und die am 14.April 1968 geborene Masseurin Damaris G*** des Verbrechens nach dem § 12 SGG, zum Teil als Beteiligte gemäß dem § 12, dritter Fall, StGB (I./ und II./) sowie des Vergehens nach dem § 16 Abs 1 SGG (III./) schuldig erkannt. Die Angeklagten wurden zu Freiheitsstrafen, und zwar der Erstangeklagte im Ausmaß von 24 Monaten und die Zweitangeklagte im Ausmaß von 10 Monaten, sowie gemäß dem § 13 Abs 2 SGG zu Wertersatzstrafen, nämlich Silvester G*** im Betrag von 200.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu drei Monaten Ersatzfreiheitsstrafe, und Damaris G*** im Betrag von 32.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu drei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Ferner wurden Silvester G*** ein Teil der Freiheitsstrafe, und zwar im Ausmaß von 18 Monaten (§ 43 a Abs 3 StGB), Damaris G*** die (gesamte) verhängte Freiheitsstrafe, sowie beiden Angeklagten die ausgesprochenen Wertersatzstrafen zur Gänze (§ 43 Abs 1 StGB) jeweils unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Die beschlagnahmten Suchtgiftmengen wurden gemäß den §§ 13 Abs 1, 16 Abs 3 SGG für verfallen erklärt. Bezüglich des Angeklagten Silvester G*** erging ferner ein Teilfreispruch gemäß dem § 259 Z 3 StPO.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten Silvester G*** im Schuldspruch wegen Verbrechens der Verleumdung und von der Staatsanwaltschaft im Ausspruch über die Wertersatzstrafen mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Silvester G***:

Dieser Angeklagte macht die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO geltend.

Laut Punkt IV./ des Schuldspruchs setzte er am 13.Jänner 1989 in Graz Dietmar G*** und Maximilian M*** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aus, daß er beide durch die Behauptung vor Beamten der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos Steiermark, sie hätten ihm von Mai 1987 bis Herbst 1988 in Teilmengen zu je 15 Gramm insgesamt 2.400 Gramm Cannabisharz zum Durchschnittspreis von 120 S verkauft, des von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SGG falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch war.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers lasse sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, welche Beweismittel bei diesem Schuldspruch verwertet wurden. Die Feststellung, wonach Silvester G*** bei seiner Vernehmung durch Beamte des Landesgendarmeriekommandos Steiermark am 13. Jänner 1989 bewußt wahrheitswidrig behauptete, er habe von Mai 1987 bis Herbst 1988 von Dietmar G*** täglich und von Maximilian M*** ca. zweimal wöchentlich jeweils 15 Gramm - mithin insgesamt mindestens 2.400 Gramm - Haschisch erworben (Band I./S 159), wurde indes durch den Hinweis auf das Geständnis dieses Angeklagten (vgl. Band II./S 221, 222 iVm S 229, 255) zureichend begründet (Band II./S 271, 272). Daß der Beschwerdeführer diese zugegebenermaßen falsche Behauptung mehr als zwei Monate später beim Untersuchungsrichter am 21. März 1989 widerrief (Band I./S 91 h verso) und den Widerruf in der Hauptverhandlung aufrechterhielt (Band II./S 221 f iVm Band II./S 229, 255), vermag hieran nichts zu ändern.

Die Annahme, daß wegen der falschen Anschuldigungen gegen Dietmar G*** und Maximilian M*** Vorerhebungen eingeleitet und beide zu den Vorwürfen als Beschuldigte vernommen worden seien, ist in der Zeugenaussage des Bezirksinspektors Anton R*** gedeckt (Band II./S 224 iVm S 258 - vgl. auch Band II./ON 36). Soweit der Beschwerdeführer einwendet, er habe bereits vor dieser Führung der Vorerhebungen widerrufen und daher gemäß dem § 297 Abs 2 StGB Straflosigkeit erlangt, übersieht er, daß dem (freiwilligen) Widerruf einer falschen Verdächtigung nur dann strafaufhebende Wirkung zukommt, wenn dadurch die Gefahr behördlicher Verfolgung beseitigt wird (ÖJZ-LSK 1978/233); gelingt dies nicht, trägt der Täter die Gefahr des Mißerfolges seiner Bemühungen (SSt. 55/16 = ÖJZ-LSK 1984/130). Auch wenn daher die Verfolgungshandlungen gegen Dietmar G*** und Maximilian M*** trotz eines früheren Widerrufs der Falschbeschuldigung vor sich gegangen sein sollten, käme dem Angeklagten Silvester G*** der Strafaufhebungsgrund des § 297 Abs 2 StGB nicht zustatten.

Mit der Behauptung, eine Verleumdung könne ihm deshalb nicht angelastet werden, weil er sich durch seine Falschangaben auch selbst einer Straftat bezichtigt habe, reklamiert der Beschwerdeführer der Sache nach Nichtigkeit gemäß der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. Daß mit der Beschuldigung, durch die andere der Gefahr einer behördlichen Verfolgung wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG ausgesetzt wurden, auch eine falsche Selbstbezichtigung einherging, schließt jedoch die Strafbarkeit wegen Verleumdung nicht aus.

Verfehlt sind ferner die Beschwerdeausführungen zur Z 10 des § 281 Abs 1 StPO, es könne das inkriminierte Tatverhalten des Angeklagten Silvester G*** nur dem Tatbestand des § 298 Abs 1 StGB unterstellt werden, weil eine Straftat des Dietmar G*** und des Maximilian M*** bloß vorgetäuscht gewesen sei. Dem § 298 Abs 1 StGB unterfällt die Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nur dann, wenn sie nicht nach § 297 Abs 1 StGB zu ahnden ist. Zufolge dieser Subsidiaritätsklausel erfaßt der Tatbestand der Verleumdung - im Unterschied zu § 298 StGB - sowohl den Fall, daß die eehauptete Straftat tatsächlich stattfand, aber von einem anderen Täter als dem Verleumdeten verübt wurde, als auch jenen, bei dem sich die dem anderen unterstellte Straftat überhaupt nicht ereignete (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. z. StGB2, § 297 Rz 5). Die wissentliche Vortäuschung einer gar nicht geschehenen Straftat verwirklicht darum bloß dann den Vergehenstatbestand des § 298 Abs 1 StGB, wenn sie nicht in der Verdächtigung eines bestimmten Menschen besteht oder für diese Person nicht mit der Gefahr behördlicher Verfolgung verbunden war.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Silvester G*** war daher als unbegründet zu verwerfen.

II. Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

In Ausführung des Nichtigkeitsgrundes der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO macht die Anklagebehörde geltend, daß für die Bemessung der Wertersatzstrafen maßgebende Umstände unrichtig beurteilt worden seien. Zum einen gehe das Erstgericht davon aus, daß "ca. 953 Gramm" sichergestellt worden seien, ohne zu unterscheiden, inwieweit es sich beim aufgegriffenen Suchtgift um Cannabisharz oder um Cannabiskraut gehandelt habe. Unter der Voraussetzung, daß lediglich 93,45 Gramm Cannabisharz zustande gebracht wurden, verbliebe bei Annahme einer durch Summierung der in Punkt I./B/ des Urteilsspruchs bezeichneten Teilmengen errechneten Gesamtmenge von 1.489 Gramm eine Restmenge von 1.395,55 Gramm Cannabisharz, sodaß bei einem erzielbaren Preis von 130 S pro Gramm als Bemessungsgrundlage für den Wertersatz ein Betrag von 181.421,50 S auf beide Angeklagte gleichmäßig zu verteilen gewesen wäre. Zum anderen sei es verfehlt gewesen, dem Angeklagten Silvester G*** die Wertersatzstrafe (zur Gänze) bedingt nachzusehen, weil die Hauptstrafe nur teilweise bedingt nachgesehen worden sei.

Die Beschwerde erweist sich im Ergebnis als begründet. Nach den Urteilsfeststellungen haben die Angeklagten zwischen August bzw. September 1987 und November 1988 zumindest 2.850 Gramm Haschisch nach Österreich eingeführt. Ein Teil des Suchtgiftes wurde von den Angeklagten selbst konsumiert, der überwiegende Teil jedoch durch Verkauf an Suchtgiftkonsumenten zu einem Grammpreis von ca. 130 S in Verkehr gesetzt (Band II./S 269, 270). Laut Urteilsspruch fand die Weitergabe teilweise durch Verkauf zu einem "Gesamtpreis" (gemeint wohl: Durchschnittspreis pro Gramm) von 100 S bis 130 S, zum Teil unentgeltlich statt (Band II./S 263); bei der Bemessung der Wertersatzstrafen wurde von einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 120 S pro Gramm Cannabisharz ausgegangen (Band II./S 274). Unter Berücksichtigung des sichergestellten (und für verfallen erklärten) Suchtgifts von "ca. 953 Gramm" - laut Aktenlage handelte es sich um 93,45 Gramm Cannabisharz und 867,45 Gramm Cannabiskraut (Band I./S 331 b, 335) - wurden die Wertersatzstrafen mit 200.000 S bei Silvester G*** und mit 32.000 S bei Damaris G*** bestimmt und gemäß dem § 43 StGB bedingt nachgesehen, um die Angeklagten nicht in ihrem Fortkommen zu behindern (Band II./S 274, 275).

Nach dem § 13 Abs 2 SGG bestimmt sich der Wertersatz, auf den bei einer Verurteilung nach dem § 12 Abs 1 SGG zu erkennen ist, nach der Höhe des Wertes des nicht ergriffenen bzw. nicht eingezogenen Suchtgiftes oder seines Erlöses; bei mehreren Beteiligten ist dessen Höhe zudem insofern nach oben limitiert, als die Summe dieser Nebenstrafen den Wert der Verfallsgegenstände oder ihres Erlöses nicht übersteigen darf. Soweit daher nicht die sogenannte Härteklausel herangezogen wird, welche es ermöglicht, von der Verhängung einer Wertersatzstrafe ganz oder teilweise abzusehen, wenn durch sie die Wiedereingliederung des dem Mißbrauch von Suchtgift ergebenen Verurteilten gefährdet würde (§§ 12 Abs 5, vierter Satz, 13 Abs 2, dritter Satz, SGG), ist dem Gericht beim Ausspruch der Wertersatzstrafe und bei der Festsetzung ihrer Höhe unter Zugrundelegung absoluter Größen kein Ermessensspielraum eingeräumt, sodaß eine Mißachtung oder unrichtige Anwendung der Bemessungsgrundsätze des § 13 Abs 2, zweiter Satz, SGG ein Überschreiten der Strafbefugnis (zum Vorteil oder zum Nachteil des Angeklagten) darstellt. Anders als die Anwendung oder Nichtanwendung der Härteklausel und - was die Anklagebehörde übersieht - die Aufteilung der Wertersatzstrafe auf mehrere Beteiligte, die als Entscheidungen pflichtgemäßen richterlichen Ermessens nur mit Berufung bekämpfbar sind (EvBl 1987/88 = ÖJZ-LSK 1986/65; EvBl 1980/212 ua), begründet es demnach Nichtigkeit gemäß der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO, wenn sich aus dem Urteil die Bemessungsgrundlagen, auf denen die Entscheidung über den Wertersatz basiert, nicht eindeutig entnehmen lassen, nicht alle für dessen Ausmessung maßgeblichen Tatumstände festgestellt wurden oder die getroffenen Feststellungen den Ausspruch über seine Höhe nicht decken.

Im vorliegenden Fall ist auf der Basis der Urteilsgründe weder rechnerisch nachvollziehbar, welche Suchtgiftmenge der Bemessung des Wertersatzes zugrundegelegt wurde, deren Erlös oder Wert bei Berücksichtigung des sichergestellten Suchtgifts unter Annahme eines durchschnittlichen Verkaufspreises von 120 S pro Gramm Cannabisharz einen Gesamtwertersatz von 232.000 S ergeben soll, noch läßt das Urteil erkennen, daß das Erstgericht allenfalls den durch die Höhe des Wertes des Suchtgifts bzw. ihres Erlöses betragsmäßig bestimmten Gesamtwertersatz aus den Gründen des § 12 Abs 5, vierter Satz, SGG unterschritt. Es zeigt sich folglich, daß mangels einer für die Beantwortung entscheidungswesentlicher Fragen geeigneten - und mängelfrei begründeten - Beurteilungsgrundlage der Wertersatzausspruch mit Feststellungsmängeln behaftet ist, welche eine sofortige Entscheidung in der Sache unmöglich machen. Beizupflichten ist der Anklagebehörde ferner, daß die über den Angeklagten Silvester G*** verhängte Wertersatzstrafe nicht bedingt nachgesehen werden durfte, weil gemäß dem § 44 Abs 2 StGB die bedingte Nachsicht einer Nebenstrafe nur zulässig ist, wenn sie auch für die Hauptstrafe gewährt wird (EvBl 1988/88). Eine teilweise Nachsicht der Wertersatzstrafe ist an sich zulässig (NRsp 1989/138). Sie hat jedoch nach dem klaren Wortlaut des § 44 Abs 2 StGB zur Voraussetzung, daß die Hauptstrafe zur Gänze bedingt nachgesehen wird; bei bloß teilbedingter Hauptstrafe kommt weder eine Nachsicht der Rechtsfolgen der Verurteilung (JBl 1989, 595), noch - lege non distinguente - die bedingte Nachsicht eines entsprechenden Teils der Nebenstrafe in Betracht. Der Silvester G*** betreffende Ausspruch gemäß dem § 43 Abs 1 StGB ist demnach, soweit er sich auf die Wertersatzstrafe bezieht, nichtig.

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, in den Aussprüchen über die Verhängung von Wertersatzstrafen und - wegen des untrennbaren Zusammenhanges zwecks Ermöglichung einer Gesamtlösung der Straffrage - auch in den übrigen die Angeklagten Silvester und Damaris G*** betreffenden Strafaussprüchen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte Silvester G*** auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E22668

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0110OS00095.9.1024.000

Dokumentnummer

JJT_19901024_OGH0002_0110OS00095_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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