TE OGH 1991/3/6 1Ob633/90

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Veröffentlicht am 06.03.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Friedrich Martin R*****, geboren am 15.Jänner 1971, ***** vertreten durch Dr.Walter Mardetschläger, Dr.Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin Waltraud R*****, vertreten durch Dr.Heide Strauss, Rechtsanwältin in Gänserndorf, wegen Unterhalt, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 23.Mai 1990, GZ R 318/90-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Tulln vom 5.April 1990, GZ P 87/89-13, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden - mit Ausnahme der unbekämpft gebliebenen Teilabweisung durch das Erstgericht - aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Der am 15.1.1971 geborene Antragsteller ist der eheliche Sohn der Antragsgegnerin und des Friedrich R*****, deren Ehe mit Urteil des Erstgerichtes vom 6.10.1989 zu 1 C 25/89 rechtskräftig geschieden wurde. Die Antragsgegnerin zog am 28.7.1987 aus der Ehewohnung in W*****, aus und leistete seither für den mit dem Vater dort zurückgebliebenen Antragsteller keinen Unterhalt. Damals stand der Antragsteller noch in Schul- und Berufsausbildung. Aus Ferialtätigkeiten erzielte er im Juli und August 1987 Einkünfte von S 17.000 und im Juli 1988 solche von S 10.200. Seit dem 1.6.1989 ist er berufstätig und selbsterhaltungsfähig.

Am 31.7.1989 begehrte der (damals durch seinen Vater vertretene und noch minderjährige) Antragsteller, die Antragsgegnerin auf Grund ihrer Einkommenslage für die Zeit vom 1.8.1987 bis zum 31.5.1989 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 3.200, sohin eines Gesamtbetrages von S 70.400, zu verpflichten.

Die Antragsgegnerin sprach sich gegen diesen Antrag aus:

Unterhalt für die Vergangenheit könne im gegenständlichen Fall weder vom Antragsteller, noch von dessen Vater begehrt werden, weil mit letzterem, nachdem sie die Wohnung verlassen hatte, zumindet stillschweigend eine Übereinkunft darüber erzielt worden sei, daß er den vollen Unterhalt leiste und sie wegen der Benützung der in ihrem (und des Vaters) Hälfteeigentum stehenden Liegenschaft ***** und der dort befindlichen Ehewohnung samt Einrichtungsgegenständen durch den Antragsteller und dessen Vater mit dem Anspruch auf Benützungsentgelt "gegenrechne" (S 30 dA).

Der Vater des Antragstellers gab beim Erstgericht am 5.4.1990 zu Protokoll (ON 12), daß er im Antragszeitraum "seinen vollen Unterhalt in natura" geleistet habe.

Das Erstgericht gab dem Unterhaltsantrag unter Teilabweisung eines Mehrbegehrens statt. Es erachtete dabei 22 % der für die Jahre 1987, 1988 und 1989 festgestellten Unterhaltsbemessungsgrundlage als berechtigt und die Mitbenützung der Liegenschaftshälfte der Antragsgegnerin durch den Antragsteller mit der Differenz auf die höheren "Regelbedürfnisse" ausreichend berücksichtigt.

Infolge Rekurses der Antragsgegnerin änderte das Gericht zweiter Instanz diese Entscheidung dahin ab, daß es den Antrag abwies. Zwar könne ein stillschweigender Verzicht des Antragstellers auf Unterhaltsleistungen nicht angenommen werden, weil es dafür schon am Erfordernis der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung eines solchen Verzichtes mangle. Gegen Unterhaltsforderungen gemäß § 293 Abs 3 EO könne grundsätzlich auch nicht aufgerechnet werden. Ebenso scheide eine Verschweigung der allein der Verjährungsfrist des § 1480 ABGB unterliegenden Unterhaltsansprüche aus. Die der alleinigen Sorgepflicht der Antragsgegnerin und dem Alter des Antragstellers entsprechende "Belastbarkeitsberechnung" (= 22 % der Bemessungsgrundlage) sei nicht zu beanstanden. Zutreffend führe die Antragsgegnerin in ihrem Rekurs aber aus, daß der Vater des Antragstellers in der fraglichen Zeit auf dessen Unterhaltsanspruch geleistet und seinen (dadurch erlangten) Ersatzanspruch wenn auch nur stillschweigend mit Gegenansprüchen der Antragsgegnerin ausgeglichen habe. Leiste nämlich im Sinne der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ 61/143 ein Dritter den gesetzlichen Unterhalt in der Erwartung des Ersatzes vom Unterhaltsschuldner, dann sei die Unterhaltsverpflichtung im Umfang (das heißt in zeitlicher und betragsmäßiger Übereinstimmung mit) der erbrachten Leistung erloschen; dem Leistenden stehe - außer bei Schenkungsabsicht - der Anspruch gemäß § 1042 ABGB zu. Für den Zivilprozeß habe der Oberste Gerichtshof ausgeführt, jede Art der Schuldtilgung oder eines Forderungsüberganges bedürfe eines hinreichend substantiierten Einwendungsvorbringens des Beklagten (Unterhaltsschuldners), so daß dieser die Tilgung des Anspruches durch den Aufwand eines Dritten zu behaupten habe. Soweit aber bereits ein erster Anschein für das Zutreffen einer derartigen Einwendung spreche, müsse diesen der Kläger (Unterhaltsgläubiger) entkräften. Da (auch) im vorliegenden Fall die Antragsgegnerin im relevanten Zeitraum überhaupt keine Unterhaltsleistungen erbracht habe, ergäbe sich "prima facie" die Annahme, daß der Antragsteller Drittleistungen (im ausreichenden Umfang) erhalten haben müsse. Zwar werde im Antragsvorbringen auf diese Frage nicht eingegangen, die Aussage des Vaters des Antragstellers (er habe für den relevanten Zeitraum seinen vollen Unterhalt in natura geleistet) spreche aber für eine Vollversorgung des Antragstellers im väterlichen Haushalt. Angesichts der auch von der Mutter gewährten Wohnmöglichkeit im Elternhaus und der als Eigeneinkommen anzurechenden Ferialeinkünfte des Antragstellers seien somit offene Unterhaltsansprüche des Antragstellers für die Vergangenheit nicht nachgewiesen. Da zur Frage der Beweislastverteilung bei einem erstmaligen Unterhaltsfestsetzungsantrag für die Vergangenheit im außerstreitigen Verfahren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes noch nicht vorliege, sei der ordentliche Revisionsrekurs zugelassen worden.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz erhobene Revisionsrekurs des Antragstellers ist berechtigt. Welche Rechtswirkungen im Verhältnis zwischen Unterhaltsgläubiger und dem säumigen Unterhaltsschuldner der Überlassung von Mitteln durch Dritte zur Bestreitung des Unterhalts zukommt, hängt in erster Linie davon ab, ob der Dritte damit auf die fremde Unterhaltspflicht leisten will (vgl Koziol, Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit, JBl 1978, 626 ff, 631), so daß der Unterhaltsanspruch des Unterhaltsgläubigers damit erfüllt und der Unterhaltsschuldner von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Unterhaltsgläubiger befreit wird, oder ob der Dritte nicht auf die Unterhaltspflicht des Unterhaltsschuldners leistet, sondern, wie dies im Familienverband naheliegt, Leistungen vorschußweise erbringen will, so daß der Unterhaltsanspruch des Unterhaltsgläubigers und die Unterhaltsverpflichtung des Unterhaltsschuldners nicht berührt werden. Solange der Oberste Gerichtshof daran festgehalten hatte, daß Unterhalt stets erst aber der gerichtlichen Geltendmachung zuerkannt werden könne und einen Zuspruch für vor der Geltendmachung liegende Zeiträume abgelehnt hatte, konnte ein an sich nach dem Gesetz zur Unterhaltsleistung Verpflichteter nur im Wege des im Prozeß geltend zu machenden Anspruches des Dritten, der Unterhaltsleistungen an seiner Stelle erbracht hatte, herangezogen werden. Nur unter dieser Voraussetzung ist es verständlich, daß dem Dritten der Verpflichtungswille unterstellt wurde und die Absicht, den Schuldner zum Rückersatz zu verpflichten, zu vermuten war (Koziol-Welser Grundriß8 I 388;

SZ 57/121 uva). Es wurde sogar ein nur hypothetischer Rückforderungswille anerkannt, wenn die Leistung in der irrigen Annahme erbracht wurde, selbst verpflichtet zu sein (SZ 31/8;

SZ 33/41). Durch die Änderung der Rechtsprechung zum Unterhalt für die Vergangenheit ist dieser Vermutung aber dann der Boden entzogen, wenn Unterhaltsansprüche des Kindes noch geltend gemacht werden können (3 Ob 1550/90). Der verstärkte Senat hat ausgesprochen, daß jede Art von Schuldtilgung oder eines Forderungsüberganges eines hinreichend substantiierten Einwendungsvorbringens des Beklagten (Unterhaltsverpflichteten, hier Antragsgegners) bedarf. Diesem obläge daher auch die Behauiptung, daß ein Dritter durch seinen Aufwand den Anspruch getilgt und damit einen Ersatzanspruch erworben habe. An dieser Behauptungslast ist auch für das außerstreitige Unterhaltsverfahren mit Pichler (Gedanken zum Unterhalt für die Vergangenheit, ÖA 1990, 68 ff) vor allem deshalb festzuhalten, weil der diesen Einwand nach § 1042 ABGB erhebende Antragsgegner sich in der Regel einer Zivilklage mit Kostenfolgen und einem Anspruch mit nach herrschender Ansicht 30jähriger Verjährungsfrist aussetzt (Pichler aaO 69).

Der von der Mutter im Verfahren vor dem Erstgericht erhobene, von den Vorinstanzen nicht weiter geprüfte Einwand ist dahin zu verstehen, sie habe mit dem Vater (zumindest stillschweigend) vereinbart, dieser werde den Unterhalt für den Sohn zur Gänze selbst leisten, jedoch von ihr keinen Ersatz verlangen, weil mit ihrem Anspruch auf Benützungsentgelt für die in ihrem Hälfteeigentum stehende Liegenschaft samt Einrichtung aufgerechnet werde. Wird diese behauptete Vereinbarung im fortgesetzten Verfahren festgestellt, dann hätte der Vater auf Grund einer Vereinbarung mit der Geldunterhalt schuldenden Mutter deren Unterhaltspflicht vertraglich übernommen, wobei der daraus im Umfang der Zahlung resultierende Erstattungsanspruch mit der Gegenforderung der Mutter aufgerechnet wird.

Wenn diese von der Mutter behauptete Vereinbarung nicht festgestellt wird, wird davon auszugehen sein, daß im Sinne der Entscheidung des verstärkten Senates SZ 61/143 der der Mutter obliegende Tilgungseinwand in erster Instanz nicht erhoben wurde. Die erstmalige Erhebung dieses Einwandes im Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichtes scheitert am Neuerungsverbot. Die in § 10 AußStrG eröffnete Möglichkeit, im Rekurs neue Umstände und Beweismittel anzuführen, dient nur der Ergänzung, nicht aber der Verschiebung der dem Erstgericht vorgelegenen Sachgrundlage; bisher gar nicht aufgestellte Tatsachenbehauptungen (hier der Tilgungseinwand) können im Rekurs nicht vorgebracht werden (EFSlg. XVI/2 mwH; zuletzt 1 Ob 542/90; 1 Ob 600/90 uam). Dann wäre der Unterhaltsanspruch im Grunde berechtigt. Vom konkreten Unterhaltsbedarf des Antragstellers wäre jedoch jedenfalls der aus seinem Ferialeinkommen resultierende, auf den ganzen Zeitraum nach der Erzielung dieser Einkünfte umgelegte Betrag abzuziehen. Nicht abzugsfähig wäre eine Naturalleistung der Mutter in Form der Überlassung der in ihrem Hälfteeigentum stehenden Ehewohnung samt Einrichtung, weil es sich dabei um allfällige Ansprüche der Mutter gegen ihren (geschiedenen) Ehegatten als den anderen Miteigentümer handelt, von welchem der Sohn sein Mitbenützungsrecht ableitete (EFSlg. 53.126).

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E25611

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00633.9.0306.000

Dokumentnummer

JJT_19910306_OGH0002_0010OB00633_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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