TE OGH 1991/3/20 1Ob526/91

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Veröffentlicht am 20.03.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Stefanie P*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Joachim Leupold, Rechtsanwalt in Irdning, wider den Antragsgegner Ernst P*****, wegen gesonderter Wohnungnahme, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 12. Februar 1991, GZ R 74/91-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Irdning vom 31. Dezember 1990, GZ F 1/90-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die Sachentscheidung über den Antrag aufgetragen.

Text

Begründung:

Beim Erstgericht ist infolge Klage des Mannes vom 6. 9. 1989 und Widerklage der Frau vom 20. 8. 1990 ein Ehescheidungsverfahren anhängig, in welchem die Scheidung aus dem Alleinverschulden des jeweiligen beklagten Ehegatten begehrt wird.

Am 19. 12. 1990 beantragte die Frau mit der Begründung, der Mann habe sie bereits mehrmals "damit bedroht, sie wegzuräumen", worin sie einen bevorstehenden Angriff auf ihr Leben erblicke, er verhalte sich zu ihr derart unleidlich und schikanös, daß ihr ein weiteres Zusammenleben mit ihm nicht mehr zumutbar sei, die Feststellung, daß ihre (offenbar erst vorzunehmende) gesonderte Wohnungnahme an drei näher genannten Wohnorten in Ö*****, A***** oder I***** rechtmäßig sei.

Das Erstgericht wies den Antrag zurück. Die Antragstellerin habe im Scheidungsverfahren vorgebracht, daß an eine Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr zu denken sei. Weil sie mit dem vorliegenden Antrag nicht nur eine vorübergehende, sondern eine dauernde abgesonderte Wohnungnahme begehre, seien die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 92 Abs 3 ABGB nicht gegeben.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Das Gesetz anerkenne aus den in § 92 Abs 2 ABGB genannten Gründen eine Ausnahme von der in § 90 ABGB normierten Ehegattenpflicht zum gemeinsamen Wohnen durch vorübergehende gesonderte Wohnungnahme, nicht jedoch zur Herstellung eines endgültigen Dauerzustandes. Im Antrag der Frau finde sich kein Hinweis darauf, daß sie nur vorübergehend abgesonderte Wohnungnahme anstrebe und bei geändertem Verhalten des Mannes allenfalls zur Fortsetzung der Wohngemeinschaft zurückkehren wolle. Vielmehr strebe sie eine endgültige räumliche Trennung vom Mann an. Ein solches Begehren finde aber im § 92 Abs 3 ABGB keine gesetzliche Deckung. Daher könne auch dahingestellt bleiben, ob den von der Frau geltend gemachten Gründen für die Unzumutbarkeit des Zusammenlebens tatsächlich das nötige Gewicht zukomme oder ob gewisse Äußerungen des Mannes lediglich aus den mit einem Scheidungsverfahren verbundenen Spannungen und psychischen Belastungen resultierten und sich nur als Reaktion im Zuge auch scharf geführter wörtlicher Auseinandersetzungen darstellten.

Der Revisionsrekurs der Frau ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 92 Abs 2 ABGB kann ein Ehegatte vorübergehend gesondert Wohnung nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar oder dies aus wichtigen persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Nach § 92 Abs 3 ABGB kann jeder der Ehegatten vor oder nach der gesonderten Wohnungnahme im Verfahren außer Streitsachen die gerichtliche Feststellung beantragen, ob die gesonderte Wohnungnahme durch einen der Ehegatten rechtmäßig war oder ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht die Anhängigkeit eines Ehescheidungsverfahrens einem derartigen Antrag sowie einer entsprechenden Entscheidung nicht im Wege (EFSlg 55.895, 39.938, 35.156; in diesem Sinne zutreffend auch Schwimann in Schwimann ABGB Rz 7 zu § 92; einschränkend Pichler in Rummel2 Rz 8 zu § 92). Der Zweck eines solchen Feststellungsverfahrens ist nach herrschender Rechtsprechung auch die präjudizielle Abklärung des Rechts zur gesonderten Wohnungnahme für einen allfälligen Unterhalts- oder auch für den Scheidungsprozeß (EFSlg 55.895 mwH). Gerade im Falle eines (vorher, gleichzeitig oder darnach eingeleiteten) Scheidungsverfahrens wird bei Berechtigung des Feststellungsantrages nach § 92 Abs 2 und 3 ABGB regelmäßig die gesonderte Wohnungnahme eine endgültige Maßnahme sein und bleiben, wenn der Prozeßerfolg im Scheidungsverfahren sodann erreicht wird (vgl Schwimann a.a.O.). Nur weil auch ein Scheidungsprozeß vom oder gegen den antragstellenden Ehegatten anhängig gemacht wurde, verliert dieser aber noch nicht das rechtliche Interesse an der Feststellung der Rechtmäßigkeit der vorübergehenden gesonderten Wohnungnahme. Er kann daher auch nicht bloß auf die Sicherungsmittel im Zuge des Scheidungsverfahrens (§ 382 Z 8 lit b EO) verwiesen werden, wenn er selbst die Ehewohnung aus rücksichtswürdigen Gründen verlassen will.

Die Vorinstanzen haben auf Grund ihrer unzutreffenden Rechtsansicht den Antrag der Frau ohne sachliche Überprüfung zurückgewiesen, so daß spruchgemäß zu entscheiden ist.

Anmerkung

E25407

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00526.91.0320.000

Dokumentnummer

JJT_19910320_OGH0002_0010OB00526_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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