TE OGH 1991/7/25 7Ob556/91

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Veröffentlicht am 25.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** L*****BANK ***** vertreten durch Dr. Wilhelm Grünauer u.a., Rechtsanwälte in Wien wider die beklagte Partei Helene S*****, vertreten durch Dr. Ulf Zmölnig, Rechtsanwalt in Weiz, wegen S 58.563,-- s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 28. Februar 1991, GZ 5 R 301/90-40, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 3. Juli 1990, GZ 24 Cg 329/89-31, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei räumte der Beklagten nach dem Kreditvertrag vom 4.5.1983 auf ein bei einer Filiale der klagenden Partei in W***** geführtes Konto einen Kredit von S 300.000,-- ein, der vereinbarungsgemäß zuzüglich Zinsen von 0,5 % pro Monat, das sind S 162.000,--, in 108 aufeinanderfolgenden Monatsraten, die erste in der Höhe von S 4.575,--, die folgenden in der Höhe von S 4.275,-- zurückgezahlt werden sollte.

Bei einem Zinssatz von 0,5 % pro Monat vom gesamten Kapital errechnet sich ein kontokorrentmäßiger Jahres-Zinssatz von 10,3323 %.

Im Jahr 1986 strebte die Beklagte eine Umschuldung an. Sie richtete deshalb an die klagende Partei eine Anfrage nach dem aktuellen Saldo ihres Kredites, weil sie diesen zur vorzeitigen Tilgung des ihr eingeräumten Umschuldungskredites wissen müsse. Die klagende Partei gab den aushaftenden Saldo - wie sich nachträglich herausstellte, zufolge eines Computerirrtums unrichtig - schriftlich zum 27.2.1986 mit S 182.464,-- bekannt. Am 17.4.1986 wurde für die Beklagte ein Betrag von S 187.400,18 an die klagende Partei überwiesen.

Der Restforderungsbetrag zum 16.4.1986 betrug jedoch unter Berüksichtigung der bereits geleisteten Zahlungen richtig S 230.832,67, so daß sich nach der außerordentlichen Kapitalserstattung zum 17.4.1986 ein Restkapital von S 43.432,49 und - zuzüglich Zinsen von S 969,53 und S 14.372,73 - zum Stichtag 13.7.1989 ein offener Saldo zugunsten der klagenden Partei von S 58.774,75 ergibt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei den Betrag von S 58.563,-- s.A., den die Beklagte ungeachtet der ursprünglich unrichtigen Saldoauskunft als unberichtigten Differenzbetrag schulde; die klagende Partei habe diesen Betrag mit Schreiben vom 29.6.1969 mit sofortiger Wirkung fällig gestellt.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Durch die unwidersprochene Annahme des an sie geleisteten Betrages sei jeglicher Anspruch der klagenden Partei erloschen. Den erst mehr als einen Monat später behaupteten Irrtum der klagenden Partei habe die Beklagte nicht zu vertreten. Der behauptete Differenzbetrag sei wegen unrichtiger Zinsenvergütung unrichtig; gegen die Zinsenhöhe werde Wucher eingewendet. Die Kreditkündigung sei sittenwidrig, der Klagebetrag nicht fällig. Die Zahlung von S 300.000,-- am 5.3.1982 auf ein Vorkreditkonto der Beklagten sei um S 121.926,59 überhöht gewesen, so daß die Beklagte einen Rückforderungsanspruch in dieser Höhe habe. Überdies sei eine Überweisung von S 31.136,81 diesem Konto und damit der Beklagten zu Unrecht angelastet worden. Bei der Abrechnung des nachfolgenden Kreditkontos habe die klagende Partei die Beklagte durch fehlerhafte Abrechnung der Vorauszinsen bzw. Zinsenvergütung um mindestens S 30.000,-- übervorteilt. Die Beklagte wende diese Beträge aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es traf die bereits eingangs wiedergegebenen Feststellungen und kam danach zum Ergebnis, daß das Klagebegehren berechtigt sei. Ein schlüssiger oder sonstwie rechtlich gültiger Verzicht der klagenden Partei durch die unrichtig erteilte Schuldenstandauskunft könne nicht angenommen werden. Es entspreche auch den Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute, daß fehlerhafte Auskünfte oder Saldenbekanntgaben das Geldinstitut nicht binden. Der irrtümlich erteilten Saldenmitteilung komme daher ab ihrem Widerruf rechtliche Wirkung nicht mehr zu. Die Zinsenhöhe entspreche den Vereinbarungen der Streitteile.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es pflichtete den Ausführungen des Erstgerichtes hinsichtlich dessen Folgerungen aus der Saldenbekanntgabe und der Zahlung des bekanntgegebenen Betrages durch die Beklagte bei. Eine solche, selbst schriftliche Mitteilung sei nicht eine rechtsgeschäftliche Willens-, sondern eine bloße Wissenserklärung, in der kein rechtsgeschäftlicher Gestaltungswille zum Ausdruck komme. Das Erstgericht habe jedoch keine Feststellungen zur Fälligkeit des Klagebetrages sowie zu den Einwendungen der Sittenwidrigkeit und des Wuchers getroffen. Der nach der Zahlung der Beklagten im April 1986 verbliebene aushaftende Kreditsaldo sei selbst nach den Vorstellungen der klagenden Partei noch nicht fällig gewesen; ob und ab wann er habe vorzeitig fällig gestellt werden können - die klagende Partei spreche von einem Fälligkeitstag 13.7.1989 - , könne mangels einer entsprechenden Sachverhaltsdarstellung der maßgeblichen Kreditabsprachen und Bedingungen noch nicht beurteilt werden. Die Zinsenvergütung sei nach dem vom Sachverständigen errechneten Zinssatz von 10,3323 % und nicht nach dem vertraglich festgelegten von 10,2 % festgestellt worden. Der Einwand der Sittenwidrigkeit und des Wuchers lasse sich nach den getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Schließlich fehlten Feststellungen zu den von der Beklagten eingewendeten Gegenforderungen.

Der Rekurs der Beklagten gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Beklagte wendet sich dagegen, daß die unrichtige Saldenbekanntgabe der klagenden Partei nach Ansicht der Vorinstanzen folgenlos bleibe. Sie macht weiter geltend, daß das Begehren der klagenden Partei auf sofortige gänzliche Auszahlung des behaupteten Fehlbetrages jedenfalls sittenwidrig sei. Es sei aktenwidrig, wenn das Berufungsgericht von einer Verpflichtung der Beklagten ausgehe, den Kredit mit einem Jahreszinssatz von 10,2 % zurückzuzahlen. Die Beklagte habe sich verpflichtet, den Kredit zusammen mit 0,5 % Zinsen monatlich (stets gleichbleibend aus dem Kreditbetrag) zurückzuzahlen. Der Hinweis in der Krediturkunde, daß dies einem Jahreszinssatz von 10,2 % entspreche, könne diese Zinsvereinbarung nicht ersetzen.

Rechtliche Beurteilung

Die Annahme der Vorinstanzen, die vorerst unrichtige Saldenbekanntgabe der klagenden Partei bleibe folgenlos und komme nicht etwa einem schlüssig erklärten Verzicht auf die Differenz gleich, entspricht jedoch auch der Ansicht des Obersten Gerichtshofes. Die Sache liegt nicht anders als im Fall der (bereits vom Berufungsgericht zitierten) Entscheidung QuHGZ 1980, H 1/181 (5 Ob 569/79), bei dem die dortige klagende Partei, eine Bank, Verurteilung des Beklagten als des Bürgen und Zahlers zur Zahlung einer Restschuld des Hauptschuldners begehrte, wiewohl sie dem Beklagten einen bestimmten Betrag als zur vollständigen Abdeckung der Schuld des Hauptschuldners schriftlich bekanntgegeben und ihn nach Bezahlung dieses Betrages aus der Bürgschaft entlassen hatte (iglS schon SZ 14/40).

Der Oberste Gerichtshof teilt nicht die Ansicht des Berufungsgerichtes, der allenfalls aushaftende Kreditsaldo sei nicht fällig, oder es könne doch nicht beurteilt werden, ob und ab wann er vorzeitig habe fällig gestellt werden können. Die Beklagte hat im April 1986 die (vorzeitige) Rückzahlung des Kredites angestrebt, die Rückführung des

(gesamten) - offenen - Kreditbetrages angekündigt und aus diesem Grund um die Saldenbekanntgabe ersucht. Sie hat damit die Erfüllung des Vertrages (§ 904 ABGB) zu einem anderen Zeitpunkt als den zunächst vereinbarten Terminen, d.h. zu einem anderen Fälligkeitszeitpunkt, gewünscht, und die klagende Partei hat der Erklärung der Beklagten durch Bekanntgabe des Saldos zugestimmt. Durch die beiderseitigen Erklärungen und mit der tatsächlichen Zahlung des Restbetrages durch die Beklagte (vgl. Beilage 7) ist eine Vereinbarung über die Fälligkeit des offenen Restbetrages zustandegekommen. Daß die klagende Partei vor Einbringung der gegenständlichen Klage den aushaftenden Restbetrag unter Hinweis auf Punkt IV der Kreditbedingungen (neuerlich) zum 13.7.1989 fällig gestellt hat (Beilage XVI), bringt eine Rechtsansicht der klagenden Partei zum Ausdruck (dies wohl im Hinblick auf die Behauptung der Beklagten, Fälligkeit sei noch nicht gegeben - Beilage V), ändert aber nichts an dem durch die Parteienvereinbarung bereits im April 1986 zustande gekommenen Fälligkeitstag. Die "Fälligstellung" durch die klagende Partei im Juli 1989 war keinesfalls verfrüht; von einer Sittenwidrigkeit der Einklagung kann keine Rede sein.

Eine Aktenwidrigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichtes liegt nicht vor. Nach dem Vertrag vom 4.5.1983 hat die Beklagte an die klagende Partei den Antrag gestellt, ihr einen Bankkredit von S 300.000,-- zu gewähren, und sich verpflichtet, diesen Kredit zuzüglich Zinsen in der Höhe von derzeit 0,5 % p.M. ... S 162.000,--, das entspreche einem kontokorrentmäßigen Jahreszinssatz von 10,2 %, zurückzuzahlen. Diese vom Erstgericht auf Grund der Urkunde Beilage E getroffene Feststellung wurde vom Berufungsgericht übernommen; Aktenwidrigkeit kann schon deshalb nicht gegeben sein; denn der Akteninhalt wurde richtig wiedergegeben. Daß nach den Berechnungen des Sachverständigen die im Vertrag genannten Zinsen von 0,5 % p.M. (vom gesamten Kapital während der gesamten Laufzeit des Kredites) kontokorrentmäßigen Zinsen von 10,3323 % pro Jahr entsprechen, ändert daran nichts. Von Wucher kann bei einem derartigen Zinsenausmaß keinesfalls gesprochen werden.

Mit Recht allerdings hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß das Erstgericht keinerlei Feststellungen zu den von der Beklagten behaupteten "Gegenforderungen" - es handelt sich in Wahrheit nicht um solche, sondern um Abrechnungsfehler, die der klagenden Partei bei der Abrechnung von Vorkrediten bzw bei einer zu Unrecht erfolgten Belastung mit S 31.136,81 nach den Behauptungen der Beklagten unterlaufen seien - getroffen hat. Die Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichtes erfolgte (allein) aus diesem Grund zu Recht.

Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.

Anmerkung

E26251

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00556.91.0725.000

Dokumentnummer

JJT_19910725_OGH0002_0070OB00556_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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