TE OGH 1991/7/25 7Ob21/91

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Veröffentlicht am 25.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franziska F*****, vertreten durch Dr. Herbert Hillebrand und Dr. Walter Heel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei V*****, Allgemeine Versicherungs-AG, W*****, vertreten durch Dr. Hubert Tramposch und Dr. Paul Bauer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 2,5 Mill. s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 25. Jänner 1991, GZ 4 R 260/90-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. Mai 1990, GZ 41 Cg 74/89-19, teils abgeändert, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Zwischenurteil dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 40.791,60 (darin S 6.798,20 USt.) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 84.469,20 (darin S 4.078,20 USt. und S 60.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin schloß bei der Beklagten (vor dem 4.9.1988) eine Bündelversicherung für ihr damals noch im Rohbau befindliches Einfamilienhaus aus Holz in U***** mit einem Versicherungsbeginn 10.7.1988 ab. Diese Versicherung enthielt eine einjährige prämienfreie Rohbauversicherung, die (unter anderem) in eine normale Feuerversicherung übergehen sollte. Die Polizze, der die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (idF 1971) zugrundelagen, wurde am 7.10.1988 von der beklagten Partei ausgestellt. Am 3./4.9.1988 brannte das Haus der Klägerin ab, weil der kurz davor errichtete Ofen viel zu nahe an der Holzwand angebaut war. Fast alle vorgeschriebenen Mindestabstände laut § 26 TBV waren nicht eingehalten worden. Die Holzwand entzündete sich infolge Überhitzung nach mehrmaligem Einheizen durch die Klägerin. Der von der Klägerin für den Ofenbau herangezogene Gerhard W***** hat zwar die Fliesenleger- und Hafnergesellenprüfung bestanden, hat aber noch nie selbständig einen Ofen, sondern während seiner Lehrzeit nur ca. 20 Öfen nach Plänen unter Aufsicht eines Meisters in Ziegel- oder Steinhäusern gesetzt. Er hat noch nie einen Ofen in einem Holzhaus gesetzt. Er sah sich ursprünglich über diese Arbeit nicht hinaus, "wobei er der Klägerin dies nicht gesagt hat". Er hat der Klägerin aber gesagt, daß er keine Öfen mehr setzt. Er hat den Auftrag der Klägerin erst nach deren zweiten oder dritten Anfrage übernommen. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung stellte das Erstgericht noch ergänzend fest, "daß der Klägerin bekannt war, daß W***** hauptsächlich als Fliesenleger tätig war und noch nie einen gemauerten Ofen in einem Holzhaus gesetzt hat". W***** wurde wegen dieses Vorfalles wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs. 1 StGB rechtskräftig vom Landesgericht Innsbruck verurteilt. Die Klägerin ist der ihr im Baubescheid auferlegten Verpflichtung, den Ofen noch vor Inbetriebnahme und vor der Kollaudierung vom zuständigen Rauchfangkehrermeister überprüfen zu lassen, nicht nachgekommen. Bei einer derartigen Überprüfung wären die schweren Mängel des Ofens dem Rauchfangkehrer aufgefallen. Sie hat aber vor dem 4.9.1988 telefonisch beim Gemeindesekretär angefragt, wann ihr Haus kollaudiert werde und dort die (unrichtige) Antwort erhalten, wenn sie dort eingezogen sei.

Die beklagte Partei lehnte unter Berufung auf § 12 Abs. 3 VersVG eine Zahlung ab.

Die Klägerin begehrt die Bezahlung von S 2,5 Mill. Sie bestritt, die Untüchtigkeit W***** gekannt zu haben.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und berief sich auf eine Obliegenheitsverletzung der Klägerin durch die nachträglich von ihr verursachte Gefahrenerhöhung, die letztlich den Versicherungsfall verursacht habe. Die Klägerin habe die Unfähigkeit W***** gekannt. Darüber hinaus habe sie den Ofen vor der gesetzlich und mit Bescheid vorgeschriebenen Begutachtung durch den Rauchfangkehrer in Betrieb genommen und deshalb eine weitere Risikoerhöhung schuldhaft zu verantworten. Das Verhalten der Klägerin sei grob fahrlässig, weshalb die Beklagte auch gemäß § 61 VersVG leistungsfrei sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Wissen der Klägerin von der Unfähigkeit W***** sei als grob fahrlässig zu beurteilen.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Zwischenurteil dem Klagebegehren dem Grunde nach statt. Es erklärte die Revision für nicht zulässig. Rechtlich folgerte es, daß der Klägerin aufgrund des von ihr zur Kenntnis genommenen Textes auf der Rückseite ihres Versicherungsantrages bewußt gewesen sein mußte, daß die beklagte Partei nur nach den einschlägigen Bedingungen Versicherungen abschließe. Die unterlassene Beiziehung eines Rauchfangkehrermeisters nach der Fertigstellung des Rohbaues und noch vor der Beheizung des Ofens stelle zwar objektiv einen Verstoß gegen die zwingende Schutzvorschrift des § 39 Abs. 4 TBO dar. Dieser Verstoß könne aber der Klägerin subjektiv nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil sie der falschen Auskunft des Gemeindesekretärs vertrauen habe dürfen. Zumindest könne ihr deswegen keine grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden. Habe sich die Klägerin aber im guten Glauben befunden, noch vor Beiziehung des Rauchfangkehrermeisters einziehen zu dürfen, so könne ihr aus dem Beheizen des Ofens kein weiterer Vorwurf gemacht werden, zumal ihr dies zum Austrocknen empfohlen worden sei. Es sei ihr nicht bekannt gewesen, daß sie damit eine Gefahrenerhöhung herbeiführe. § 37 Abs. 1 TBO verpflichte den Bauherrn nur bei der Bestellung des Bauführers zur Heranziehung eines befugten Gewerbsmannes. Einem Laien könne die Unterscheidung zwischen einem solchen und einer Person, die über die einschlägige Prüfung verfüge, nicht zugemutet werden. Die Bestellung W***** anstelle eines konzessionierten Unternehmers falle der Klägerin daher nicht als grobe Fahrlässigkeit zur Last. Im übrigen habe sie nicht erkennen können, mit der Bestellung W***** eine Gefahrenerhöhung herbeigeführt zu haben.

Die gegen diese Entscheidung erhobene ao. Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zu teilen ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin gegen die Schutzvorschrift des § 39 Abs. 4 TBO mit der unterlassenen Beiziehung eines Rauchfangkehrermeisters noch vor dem Beheizen verstoßen hat, daß der beklagten Versicherung dieser Verstoß nicht bekannt war und daß dieser Verstoß kausal für den Eintritt des Schadensfalles war. Aus den nachfolgenden Erwägungen kann aber dahingestellt bleiben, ob dieser Verstoß für sich allein betrachtet bereits grobe Fahrlässigkeit begründet oder nicht. Unzutreffend ist nämlich die Auffassung des Berufungsgerichtes, der Klägerin könne die Bestellung des für das Setzen eines gemauerten Ofens in einem Holzhaus untüchtigen W*****, von dem sie zugestandenermaßen wußte, daß er kein befugter Gewerbsmann für diese Tätigkeit war, aufgrund der Kenntnis, daß er die Fliesenleger- und Hafnerprüfung erfolgreich mit der Gesellenprüfung abgeschlossen hat, nicht angelastet werden. § 37 Abs. 1 TBO fordert, daß als Bauführer nur ein dafür konzessionierter Unternehmer bestellt werden darf. Es ist zwar richtig, daß diese Bestimmung nur den Bauführer nennt, weshalb nicht alle beim Bau Beteiligten speziell geschulte Fachleute sein müssen. Der Sinn dieser Bestimmung liegt darin, daß die Leitung und Überwachung durch einen Fachmann erfolgt. Wird die Durchführung der Arbeiten nicht einheitlich übertragen, so muß jeder, der selbstverantwortlich Teilarbeiten durchführt, die Qualifikation des § 37 Abs. 1 TBO für seine Arbeiten besitzen. Da W***** selbständig den Ofen setzen sollte, bildete das Fehlen seiner Qualifikation einen Verstoß gegen § 37 Abs. 1 TBO. Es gibt nun zwar eine Reihe von Bautätigkeiten, die von nicht speziell geschulten Fachleuten selbständig erbracht werden können, wie zB das Planieren, doch muß auch einem Laien klar sein, daß spezielle Baumaßnahmen, deren einwandfreie Ausführung entscheidend der Sicherheit dient und bei denen eine fehlerhafte Ausführung mit weitreichenden Konsequenzen verbunden ist, nur von einem Fachmann vorgenommen werden dürfen. Auszugehen ist davon, daß die Installation eines Ofens in einem reinen Holzhaus wegen der dort bestehenden wesentlich höheren Brandgefahr auch für einen Laien erkennbar eine Angelegenheit ist, die nur von einem erfahrenen Fachmann bewältigt werden kann, dies besonders dann, wenn der Ofen vom Gang her beheizt werden soll und deshalb eine Holzwand durchbrochen werden muß und darüber hinaus der Ofen an diese Holzwand angebaut wird. Der Eintritt einer objektiven Gefahrenerhöhung nach Versicherungsabschluß durch die den Sicherheitsvorschriften der TBV kraß widersprechende Ausführung des Ofens durch W***** zufolge Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Sicherheitsabstände des Ofens zur Holzwand ist unstrittig. Das Verhalten der Klägerin, das zu dieser Gefahrenerhöhung führte, die nach den §§ 23 Abs. 1 iVm 25 a VersVG in dieser Form eine Obliegenheitsverletzung darstellt, ist ihr auch als Verschulden anzulasten. Verschulden im Sinne des § 25 VersVG liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen mußte, daß die von ihm veranlaßte Änderung der gefahrenerheblichen Umstände den Schadenseintritt generell wahrscheinlicher macht (Prölls-Martin24, 265 mwN). Die Sinnfälligkeit einer Gefahrenerhöhung aufgrund derer das Wissenmüssen des Versicherungsnehmers der positiven Kenntnis gleichzuhalten ist, ist nur dann zu verneinen, wenn es zur Klärung der Frage, ob eine Gefahrenerhöhung gegeben ist, erst besonders weitwendiger Erhebungen durch einen Sachverständigen bedürfte (VersR 1981, 665). Bei der Betrauung eines konzessionierten Gewerbsmannes wird - sofern dessen Untüchtigkeit dem Auftraggeber nicht definitiv bekannt ist - die im Verkehr erforderliche Sorgfalt eingehalten. Wer sich aber eines nicht befugten Gewerbsmannes zur Ausführung von Arbeiten bedient, die besondere Fachkenntnisse erfordern und für die besondere Sicherheitsvorschriften bestehen, hat sich zuvor über die fachliche Eignung der herangezogenen Person zu vergewissern. Die allgemeine Kenntnis des positiven Abschlusses einer Fliesenleger- und Hafnerlehre genügt für den Auftrag, in einem Holzhaus einen Ofen mit einem Durchbruch durch eine Holzwand und Anbau an die anschließende Holzwand zu errichten, nicht. Die Klägerin wäre daher verpflichtet gewesen, wesentlich umfangreichere Nachforschungen über die Fähigkeiten W***** anzustellen. Allein aufgrund dieser Erwägungen kann eine Überprüfung der Feststellung, daß die Klägerin wußte, daß W***** noch nie in einem Holzhaus einen gemauerten Ofen gesetzt hat, unterbleiben, weil eine solche Feststellung zur Lösung des Rechtsfalles nicht mehr erforderlich ist. Vielmehr genügt es, daß die Klägerin Nachforschungen im aufgezeigten Sinn unterlassen hat.

Der Revision war daher Folge zu geben und das Berufungsurteil im Sinne der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E26249

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00021.91.0725.000

Dokumentnummer

JJT_19910725_OGH0002_0070OB00021_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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