TE OGH 1991/9/4 7Ob583/91

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Veröffentlicht am 04.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Egermann, Dr. Warta, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Velisar J*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Baumgartner, Rechtsanwalt in Hallein, wider die beklagten Parteien 1. Jovan T*****, und

2. Raina T*****, beide vertreten durch Dr. Edwin Demoser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung (Streitwert S 6.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 11. April 1991, GZ 21 R 62/91-39, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 5. November 1990, GZ 22 C 1026/90-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.392,30 (darin S 398,82 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Eigentümer eines Hauses in S*****, in dem er unter anderem den beiden Beklagten ein Zimmer vermietet hat. Er begehrt die Räumung dieses Zimmers, weil das Bestandverhältnis durch den rechtskräftigen Demolierungsbescheid des Magistrates der Stadt S***** vom 20. Dezember 1989 geendet habe (§ 29 Abs 1 Z 2 MRG).

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Dem Kläger sei in dem Demolierungsauftrag die Möglichkeit eingeräumt worden, den Abbruch des Gebäudes durch ein Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung nach entsprechenden Aus- und Umbaumaßnahmen zu verhindern. Dies habe der Kläger unterlassen, obwohl er hiezu nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre.

Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende Feststellungen:

Die auf der Liegenschaft des Klägers bestehenden baulichen Anlagen sind als konsenslos im Sinne der baupolizeilichen Bestimmungen anzusehen. Am 5. Dezember 1988 suchte der Kläger beim Magistrat S***** um nachträgliche Baubewilligung an. Eine Bauverhandlung ergab, daß das Objekt wegen verschiedener gravierender Mängel in der bestehenden Form nicht genehmigt werden kann. Der Kläger zog deshalb sein Ansuchen wieder zurück.

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 20. Dezember 1989 wurde dem Kläger gemäß § 16 Abs 3 des Salzburger Baupolizeigesetzes aufgetragen, für die auf dem Grundstück befindlichen Objekte um baubehördliche Bewilligung anzusuchen oder bis spätestens 30. April 1990 diese Objekte zu beseitigen.

Der Kläger hat kein neuerliches Ansuchen um baubehördliche Bewilligung gestellt. Da er auch dem Auftrag, das Objekt zu beseitigen, nicht nachkam, wurde ihm mit Schreiben des Magistrats vom 30. Mai 1990 die Ersatzvornahme angedroht und für die Erbringung der Leistung (im Sinne des Bescheides vom 20. Dezember 1989) eine Frist von vier Monaten, gerechnet ab Zustellung des Schreibens, gesetzt. Dieses Schreiben wurde dem Kläger am 5. Juni 1990 zugestellt.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, ein rechtskräftiger Räumungs- und Demolierungsbescheid der Baubehörde bewirke den rechtlichen Untergang des Bestandobjektes und damit gemäß § 1112 ABGB das Erlöschen des Bestandvertrages. Die in dem Bescheid gesetzte Räumungsfrist sei zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (11. Oktober 1990) abgelaufen gewesen. Durch die Einbringung der Räumungsklage habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, daß er von der Ermächtigung, Instandsetzungsarbeiten durchzuführen, keinen Gebrauch machen wolle.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes; es sprach aus, daß die Revision zulässig sei (§ 502 Abs 1 ZPO iVm § 502 Abs 3 Z 2 ZPO). Es übernahm die oben wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichtes und teilte dessen rechtliche Beurteilung. Die Gerichte seien an einen rechtskräftigen Abbruchauftrag der Verwaltungsbehörde - der als ein rechtsgestaltender Bescheid anzusehen sei - nach ständiger Rechtsprechung gebunden.

Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 502 Abs 1 ZPO ist gegen das Urteil des Berufungsgerichtes die Revision nur bei Vorliegen einer im Sinne dieser Bestimmung erheblichen Rechtsfrage zulässig. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt etwa dann vor, wenn das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Zu der für dieses Verfahren entscheidenden Rechtsfrage besteht eine ständige, einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes; das Berufungsgericht ist dieser Rechtsprechung gefolgt.

Danach bewirkt ein rechtskräftiger Räumungs- und Demolierungsauftrag der Baubehörde auch ohne förmlichen Entzug des Benützungskonsenses den rechtlichen Untergang des Bestandobjektes und das Erlöschen des Bestandvertrages im Sinne des § 1112 ABGB; maßgebend ist, daß bei Schluß der Verhandlung die für die Räumung gesetzte Frist abgelaufen ist (SZ 41/83;

MietSlg. 26.132; MietSlg. XXXIV/31). Durch den mit dem Abbruchbescheid - wenn auch nicht ausdrücklich - erfolgten Widerruf der Benützungsbewilligung wird die Rechtslage gestaltet;

der Abbruchbescheid ist daher als ein rechtsgestaltender Bescheid anzusehen, an den die Gerichte gebunden sind (MietSlg. XXXIV/31;

Fasching, Lehrbuch2, Rz 96 am Ende). Wird mit dem Räumungs- und Demolierungsbescheid durch die Baubehörde die Möglichkeit eröffnet, das Gebäude innerhalb der gesetzten Frist instandzusetzen statt abtragen zu lassen, so bedeutet dies nur eine Ermächtigung, aber keine Verpflichtung des Vermieters (MietSlg. 26.131). Durch die Einbringung der Räumungsklage bringt der Vermieter zweifelsfrei zum Ausdruck, daß er von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch machen will (MietSlg. 26.130).

Verweisen die Beklagten auf Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 35 zu § 29 MRG, sowie Würth in Rummel, ABGB2, Rz 4 zu § 1112, die die Ansicht vertreten, die ständige Rechtsprechung setze in Verkennung des Wesens baupolizeilicher Maßnahmen einen Demolierungsauftrag der Baubehörde (dem stets die Möglichkeit der Wiederherstellung innewohne) als "Aufhebung der Benützungsbewilligung" (die es baurechtlich nicht gebe) dem rechtlichen Untergang gleich, ist ihnen zunächst entgegenzuhalten, daß im vorliegenden Fall eine Benützungsbewilligung gar nicht vorhanden ist, daher auch nicht entzogen werden könnte. Daß das Vorgehen des Beklagten - Unterlassung weiterer Bemühungen zur Erlangung der Benützungsbewilligung - wider Treu und Glauben verstoßen hätte (Würth in Rummel aaO Rz 3), wurde nicht festgestellt. Das Revisionsgericht sieht sich aber im übrigen weiterhin nicht veranlaßt, von seiner Rechtsprechung, wonach ein Abbruchsauftrag als eine endgültige baubehördliche Maßnahme als Entzug der Benützungsbewilligung zu werten ist und den rechtlichen Untergang des Bestandobjektes bewirkt, abzugehen. Der von Würth/Zingher aaO zitierten Entscheidung MietSlg. 39.405 lag kein Abbruchsauftrag, sondern eine Abbruchsbewilligung zugrunde. Diese aber hat nach ständiger Rechtsprechung keinen Entzug der Benützungsbewilligung des Bestandgegenstandes zu Wohnzwecken auf Dauer und daher auch nicht den rechtlichen Untergang des Bestandgegenstandes zur Folge.

Die Revision war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten ausdrücklich hingewiesen.

Anmerkung

E26244

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00583.91.0904.000

Dokumentnummer

JJT_19910904_OGH0002_0070OB00583_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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