TE OGH 1991/9/24 4Ob88/91

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Veröffentlicht am 24.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Schutzverband *****, vertreten durch Dr.Walter Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei C***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr.Ernst Ploil und Dr.Robert Krepp, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 90.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 27.Juni 1991, GZ 1 R 221/90-11, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 15.Oktober 1990, GZ 37 Cg 499/90-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.338,40 (darin enthalten S 1.556,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Beklagte importiert Kameras der Marke C***** nach Österreich und vertreibt sie ausschließlich an Wiederverkäufer.

Im April 1990 brachte die Beklagte die Kamera C***** Twin auf den Markt. Den von ihr belieferten Händlern empfahl sie einen unverbindlichen Verkaufspreis von S 2.790 für die Kamera und S 190 für die Tasche. Der von den Händlern am meisten verlangte Normalpreis betrug S 2.990. Nicht festgestellt werden konnte, ob einzelne Fotohändler diese Kamera (ohne Tasche) zu einem niedrigeren Preis als S 2.790 an Letztverbraucher verkauft haben.

In einem - der vom ÖAMTC herausgegebenen Zeitschrift "Freizeit Aktuell" beigelegten - ganzseitigen Prospekt bot die Beklagte die Kamera C***** Twin (ohne Tasche) zum "Freizeit-Vorzugspreis" von S 2.790 an. Der Prospekt enthält eine - an die Beklagte zu richtende - Bestellkarte mit folgendem Text:

"Hiermit bestelle ich zum Freizeit Aktuell-Vorzugspreis von

öS 2.790..........Stk C***** Twin per Nachnahme. Auslieferung

erfolgt über den Fachhandel......"

Die für diese Kamera bestimmte Tasche wurde in der Ankündigung nicht erwähnt.

Die Auflagenhöhe der Zeitschrift "Freizeit Aktuell" und der Personenkreis, in welchem sie verbreitet wurde, konnten ebenfalls nicht festgestellt werden.

Zur Sicherung inhaltsgleicher Unterlassungsansprüche beantragt der klagende Schutzverband, der Beklagten zu verbieten,

a) als Produzent bzw Generalimporteur bestimmter Produkte Kameras, insbesondere die Kamera C***** Twin, zu einem bestimmten Preis Letztverbrauchern gegenüber anzukündigen und darauf hinzuweisen, daß der Vertrieb dieser Kameras über den Einzelhandel erfolgt, ohne ausdrücklich auf die Unverbindlichkeit der Preisangabe hinzuweisen;

b) in eventu; anzukündigen, daß Konsumenten, die eine bestimmte Kamera, insbesondere die Kamera C***** Twin, mit einer abgebildeten "Bestellkarte" bestellen, diese Kamera zu einem "Freizeit-Vorzugspreis" erhalten, wenn dieser "Freizeit-Vorzugspreis" mehr als 3 % unter dem von den Einzelhändlern für diese Kamera normalerweise verlangten Normalpreis liegt;

c) in eventu; Kameras, insbesondere die Kamera C***** Twin, zu einem "Vorzugspreis" anzukündigen, wenn tatsächlich der Normalverkaufspreis dieser Kamera im Handel unter dem angekündigten "Freitzeit-Vorzugspreis" liegt.

Händler, welche die von der Beklagten angekündigte Kamera führen, würden sich durch die Ankündigung veranlaßt sehen, ihren Preis dem von der Beklagten Letztverbrauchern gegenüber angekündigten Preis anzupassen. Durch das Ankündigen von Letztverbraucherpreisen durch Produzenten und Großhändler werde auf Einzelhändler unzulässiger Druck ausgeübt. Ein solches Vorgehen verwirkliche den Tatbestand eines Empfehlungskartells iS des § 12 Abs 2 KartG 1988. Da die Beklagte ein solches Kartell durchgeführt habe, bevor es angemeldet wurde, habe sie gegen das Kartellgesetz 1988 und damit auch gegen § 1 UWG verstoßen.

Sollten Einzelhändler, deren Normalverkaufspreis für diese Kamera S 2.990 beträgt, Kunden, welche sie mit der Bestellkarte der Beklagten bestellt haben, diese Kamera um S 2.790 ausliefern, ihren Normalverkaufspreis außerhalb dieser Aktion aber beibehalten, dann wäre ein Verstoß gegen das Rabattgesetz gegeben. Sollten aber Einzelhändler für diese Kamera einen Normalverkaufspreis von unter S 2.790 haben, dann wäre die Werbung der Beklagten mit einem "besonders günstigen Angebot" irreführend.

Die Beklagte sprach sich gegen die einstweilige Verfügung aus. Den von ihr belieferten Händlern habe sie einen unverbindlichen Preis von S 2.790 für die Kamera und von S 190 für die Tasche, also einen Gesamtpreis von S 2.980, empfohlen. Der beanstandete Prospekt sei höchstens 2.000 Mitgliedern des ÖAMTC zugekommen; die Tasche sei darin nicht erwähnt worden. Da diese Kamera an die Händler nur mit Tasche ausgeliefert worden sei, habe der den Letztverbrauchern für die Kamera allein angekündigte Verkaufspreis von S 2.790 auf die Preiskalkulation der Händler keinen Einfluß nehmen können. Wegen der geringen Auflage des Prospektes müsse auch angenommen werden, daß er den Händlern gänzlich unbekannt geblieben sei und für deren Kalkulation keine Bedeutung gehabt habe. Die Verbreitung einer so geringen Anzahl von Werbeschriften könne aber auch nicht als Empfehlungskartell qualifiziert werden, weil damit kein besonderer Druck auf die Händler verbunden gewesen sei. Ein Rabattverstoß liege gleichfalls nicht vor, weil der höhere Normalpreis der Händler für die Kamera mit Tasche, der von der Beklagten angekündigte niedrigere "Vorzugspreis" aber nur für die Kamera allein gegolten habe. Die Werbung sei schließlich auch nicht irreführend, weil die Kamera im Rahmen ihrer Aktion, wenn auch nur ohne Tasche, unter dem von den Händlern tatsächlich geforderten Preis habe erworben werden können.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Beklagte habe kein Empfehlungskartell durchgeführt, weil die meisten Händler trotz der beanstandeten Preisankündigung für Kamera und Tasche S 2.990 verlangt hätten. Die Verkaufsaktion der Beklagten habe auf den marktüblichen Preis keinen Einfluß gehabt; sie habe nur bewirkt, daß die Händler die Kamera ohne Tasche billiger abgeben konnten als bis dahin mit Tasche. Auch eine unzulässige Druckausübung auf die Preisgestaltung der Einzelhändler könne im Hinblick auf den ungewissen Verbreitungsgrad des beanstandeten Prospekts nicht angenommen werden. Ein Rabattverstoß der Beklagten sei ebenso zu verneinen wie eine Irreführungseignung der beanstandeten Werbung.

Das Rekursgericht erkannte im Sinne des Sicherungshauptantrages und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Die Beklagte habe dadurch, daß sie als Importeur Letztverbrauchern die Kamera C***** Twin um S 2.790 angekündigt habe, ohne diesen Preis ausdrücklich als unverbindlich zu bezeichnen, die Händler daran gehindert, ihre Verkaufspreise selbständig zu kalkulieren. So könnten beispielsweise die Händler von Letztverbrauchern darauf hingewiesen werden, daß die Beklagte die Kamera (ohne Tasche) zu einem niedrigeren Preis anbiete als sie selbst (mit Tasche) anbiete; sie würden daher durch die Werbeaktion der Beklagten gezwungen, ihren Preis dem von der Beklagten angekündigten Preis anzugleichen. Diese unberechtigte Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf Händler durch einen Importeur sei sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG; ob die Beklagte damit auch gegen das Kartellgesetz verstoßen hat, brauche daher nicht beurteilt zu werden.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Kläger beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Sittenwidrigkeit einer Verkaufsaktion, mit der sich ein Großhändler direkt an Endverbraucher wendet, nicht vorliegt; er ist auch berechtigt.

Der Auffassung des Revisionsrekurses, daß ein Kartell durch Ankündigungen nicht dargetan wurde, ist beizupflichten.

Gemäß § 12 Abs 1 KartG 1988 sind Empfehlungskartelle Empfehlungen zur Einhaltung bestimmter Preise, Preisgrenzen, Kalkulationsrichtlinien, Handelsspannen oder Rabatte, durch die eine Beschränkung des Wettbewerbs erreicht werden soll oder erreicht wird. Ausgenommen sind Empfehlungen, in denen ausdrücklich auf ihre Unverbindlichkeit hingewiesen wird und zu deren Durchsetzung wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Druck weder ausgeübt werden soll noch ausgeübt wird. Als Empfehlungen in diesem Sinn gelten gemäß § 12 Abs 2 KartG 1988 auch mit Preisangaben versehene Ankündigungen von Waren oder Leistungen, die nicht vom Letztverkäufer (Erbringer der Leistung) stammen und

dem Letztverbraucher bekannt werden. Beim Kartell durch

Ankündigungen im Sinne des § 12 Abs 2 KartG 1988 ist es nach dem

klaren Wortlaut des Gesetzes - im Gegensatz zu allen anderen Kartellarten - nicht erforderlich, daß die Ankündigung eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder wenigstens bewirkt (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht (Kartellrecht)2, 224); Ankündigungskartelle sind nur deshalb in das Gesetz aufgenommen worden, um den - irreführenden - Eindruck bei den Verbrauchern zu vermeiden, es lägen verbindliche Preisangaben vor, von denen es keine Abweichungen nach unten gibt (Koppensteiner aaO 225).

Eine solche nicht vom Letztverkäufer stammende, den Letztverbrauchern bekannt gewordene Preisankündigung (§ 12 Abs 2 KartG) liegt aber hier nicht vor. Die Beklagte beliefert zwar - üblicherweise - nur Wiederverkäufer; mit dem beanstandeten, nicht an Wiederverkäufer verteilten, sondern unter Clubmitgliedern des ÖAMTC verbreiteten Prospekt ist aber die Beklagte als Verkäuferin unmittelbar Letztverbrauchern mit dem Angebot gegenübergetreten, ihnen die Kamera C***** Twin (ohne Tasche) zum Preis von S 2.790 zu liefern. Die aus dem Prospekt auszuschneidende Bestellkarte war nach dem unmißverständlichen Vordruck direkt an die Beklagte zu senden. Die Beklagte lieferte die bestellte Ware gegen Nachnahme über den Fachhandel aus. Damit besorgte der Fachhandel nur das Versenden der bestellten Kameras; mit den Bestellern selbst trat er aber in keinen rechtsgeschäftlichen Kontakt. Preisangaben im Rahmen von Direktverkäufen an Letztverbraucher sind aber - wie die Beklagte im Revisionsrekurs zutreffend ausführt - von § 12 Abs 2 KartG 1988 nicht erfaßt. Diese Rechtsmittelausführungen sind entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht etwa unzulässige Neuerungen: Die Werbeaktion der Beklagten war Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens; der Inhalt des beanstandeten Prospekts wurde festgestellt. Wie die Werbeankündigung aufzufassen ist, ist jedoch eine Frage der rechtlichen Beurteilung.

Im Gegensatz zur Auffassung des Rekursgerichtes kann die Ankündigung der Beklagten auch nicht die Wirkung gehabt haben, die Händler zu einer Herabsetzung ihrer Preise zu veranlassen. Nach den übereinstimmenden Tatsachenannahmen der Vorinstanzen betraf nämlich das (billigere) Angebot der Beklagten nur die Kamera (ohne Tasche), während die Händler zu dem am meisten verlangten (höheren) Preis von S 2990 Kamera und Tasche angeboten haben. Die Frage, ob das Ankündigen eines niedrigeren Verkaufspreises durch Großhändler gegenüber Letztverbrauchern geeignet sein kann, einen sittenwidrigen Druck auf Einzelhändler auszuüben, kann daher auf sich beruhen.

Der vom Kläger gleichfalls behauptete Rabattverstoß ist schon deshalb zu verneinen, weil der (höhere) Normalpreis der Händler nicht die gleiche Ware betraf wie die Ankündigung der Beklagten. Verlangten Händler für die Kamera mit Tasche weiterhin S 2.990 und lieferten sie im Rahmen der Aktion der Beklagten die Kamera allein um S 2.790 aus, dann war das kein Abgehen vom eigenen Normalpreis, liegt doch ein Preisnachlaß dann nicht vor, wenn der niedrigere Preis nicht wegen der Person des Käufers, sondern wegen der Verschiedenheit der Ware verlangt wird (ÖBl 1978, 102). Daß aber Händler die Kamera allein um einen höheren Preis verkauft hätten, als ihn die Beklagte angekündigt hatte, hat der Kläger nicht behauptet.

Auch eine Irreführung durch einen als "Vorzugspreis" bezeichneten Preis kann nicht angenommen werden, weil nicht feststeht, daß die Händler die Kamera allein (ohne Tasche) tatsächlich zu einem niedrigeren Preis verkauft haben. Auch der Kläger hat diese Irreführungseignung nur mit der (theoretischen) Möglichkeit begründet, daß für die Kamera möglicherweise ein niedrigerer Endverbraucherpreis als S 2.790 verlangt worden sein könne; konkrete Behauptungen in dieser Richtung hat er aber gar nicht aufgestellt.

Sämtliche Sicherungsbegehren sind daher nicht berechtigt, so daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E26571

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00088.91.0924.000

Dokumentnummer

JJT_19910924_OGH0002_0040OB00088_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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