TE OGH 1991/11/28 8Ob641/91

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Veröffentlicht am 28.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache der ***** K***** W*****, vertreten durch Dr.Robert Müller, Rechtsanwalt in Hainfeld, und des ***** mj. S***** W*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld-Jugendabteilung als Unterhaltssachwalter, ***** wegen Unterhaltserhöhung infolge außerordentlichen Revisionsrekurses

1. des Vaters S***** W*****, vertreten durch Dr.Georg Stenitzer, Rechtsanwalt in Laa an der Thaya, gegen Punkt 2. des Beschlusses und 2. des von der Mutter E***** W*****, diese vertreten durch Dr. Robert Müller, Rechtsanwalt in Hainfeld, vertretenen mj. S***** W***** gegen Punkt 1. des Beschlusses des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 26.Juni 1991, GZ R 363/91-92, womit der angefochtene Beschluß des Bezirksgerichtes Hainfeld vom 24. Mai 1991, GZ P 26/87-88, teilweise abgeändert wurde, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters S***** W***** wird zurückgewiesen.

2. Dem von der Mutter E***** W***** namens des mj. S***** W***** erhobenen Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Vater war zuletzt zu monatlichen Unterhaltszahlungen von S 2.400 für die ***** Tochter K***** und von S 2.100 für den ***** Sohn S***** verpflichtet.

Am 21.2.1991 beantragte die Mutter, die Unterhaltsbeiträge für K***** auf S 3.800 und für S***** auf S 4.200 zu erhöhen; der Unterhaltssachwalter trat diesem Antrag bei.

Das Erstgericht wies diese Anträge mangels entsprechender Leistungsfähigkeit des Vaters ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der inzwischen volljährig gewordenen Tochter K***** Folge, erhöhte den Unterhalt antragsgemäß auf S 3.800 monatlich und sprach aus, daß der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig sei. Es vertrat die Ansicht, daß bei der Feststellung der Lebensverhältnisse eines selbständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen nicht nur von dessen gegenüber den Finanzbehörden bekanntgegebenen Einkommen aus dem Unternehmen ausgegangen werden könne; es müßten zumindest die als Ausgaben gebuchten Abschreibungen und ein Teil der als Spesen entnommenen Beträge mitberücksichtigt werden.

Den von der Mutter namens des mj. S***** erhobenen Rekurs wies das Gericht zweiter Instanz mangels Vertretungsmacht der Mutter zurück. Für den mj. S***** würden bis 31.12.1991 Unterhaltsvorschüsse gewährt; gemäß § 9 Abs 2 UVG stehe in einem solchen Fall dem Jugendwohlfahrtsträger das ausschließliche Vertretungsrecht in Unterhaltsangelegenheiten zu; er sei kein Unterhaltssachwalter nach § 212 Abs 2 ABGB, sondern ein gerichtlich bestellter Unterhaltssachwalter nach § 213 ABGB.

1. Zum Revisionsrekurs des Vaters:

Der gegen den Erhöhungsbeschluß hinsichtlich des Unterhalts für die Tochter K***** gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs ist mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen (§ 16Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO), weil bei der konkreten Unterhaltsbemessung stets auf den Einzelfall abzustellen ist und das Rekursgericht keine erkennbaren gesetzlichen Bemessungsfaktoren unbeachtet gelassen oder bei ihrer Beurteilung gegen den Willen des Gesetzgebers verstoßen hat (JBl 1991, 41 ua), als es bei der Feststellung der Lebensverhältnisse des selbständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen nicht nur sein gegenüber den Finanzbehörden bekanntgegebenes Einkommen zugrundelegte; es hat auch die Anlaufschwierigkeiten bei Gründung eines neuen Unternehmens angemessen berücksichtigt.

Rechtliche Beurteilung

2. Zum von der Mutter namens des mj. S***** erhobenen Revisionsrekurses:

Der von der Mutter namens des mj. S***** erhobene Rekurs gegen die Zurückweisung des von ihr namens des Minderjährigen erhobenen Rekurses ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Ein Rekurs gegen die Zurückweisung eines Beschlusses durch das Rekursgericht ist auch im Außerstreitverfahren gemäß § 14 Abs 1 AußStrG nur wegen erheblicher Rechtsfragen zulässig; die betragsmäßige Beschränkung des § 14 Abs 2 Z 1 AußStrG gilt jedoch im vorliegenden Fall gemäß Abs 3 leg cit nicht, weil es sich um einen Rekurs in einem Verfahren über gesetzliche Unterhaltsansprüche handelt (vgl Petrasch, ÖJZ 1989, 751). Die Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG liegen vor, weil zur vom Revisionsrekurswerber aufgeworfenen Frage, ob der Mutter in Fällen, in denen Unterhaltsvorschuß gewährt wird, ein Vertretungsrecht zur Erhebung eines Rekurses zusteht, wenn der Jugendwohlfahrtsträger deren Erhöhungsantrag "beigetreten" war, sich jedoch am Rekursverfahren nicht mehr beteiligt, eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehlt.

Allgemein ist zur Vertretung Minderjähriger unterhaltsbevorschußter Personen in Unterhaltsbelangen zu bemerken:

Vor Inkrafttreten des KindRÄG 1989, BGBl 162/1989, herrschte einhellig die Ansicht (OGH EvBl 1982/53; ÖA 1988, 137 ua; Knoll, UVG, in ÖA 9.Lieferung, März 1989, § 9 Anm 1 und 11mwN), daß gemäß § 9 Abs 2 UVG der Jugendwohlfahrtsträger mit Zustellung des Beschlusses, mit dem die Vorschüsse gewährt werden, Sachwalter des mj. Kindes zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen wird. Ab dem Zeitpunkt der Gewährung solcher Unterhaltsvorschüsse steht demgegenüber die Befugnis zur Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung hinsichtlich sämtlicher dem Minderjährigen zustehenden Unterhaltsansprüche, auch solcher, die bereits vor der Bestellung entstanden sind, nur mehr dem Jugendwohlfahrtsträger zu. Vor allem ist die Sachwalterschaft nicht auf Belange, die sich aus dem UVG ergeben, beschränkt. Der Jugendwohlfahrtsträger hat alle Unterhaltsinteressen des Minderjährigen allein wahrzunehmen. Der bisherige gesetzliche Vertreter verliert im Umfang der erfolgten Sachwalterschaftsbestellung seine Verwaltungs- und Vertretungsbefugnis. Er kann nicht mehr Anträge auf Erhöhung von Unterhaltsbeiträgen stellen (Fragebeantwortung des BMJ ÖA 1977, 7; Ent, ÖJZ 1977, 505). Während einer Bevorschussung kann einem Elternteil im Verfahren eine Beteiligtenstellung nur mehr in seiner Eigenschaft als Zahlungsempfänger (und auf diese Position beschränkt) zukommen (Knoll aaO). Der innere Grund für die zwingende Sachwalterschaft liegt in der Eintreibung des Unterhalts, auf den Vorschüsse gewährt wurden, sowie dessen Weiterleitung an den Bund. Der Einhebungskurator wurde darauf festgelegt, daß er die Eintreibung nun nicht mehr im ausschließlichen Interesse des Minderjährigen vorzunehmen hat, sondern in seinem Agendenbereich auch die Regreßinteressen des die Vorschüsse ausbezahlenden Bundes einbinden muß. Dies war erklärte Absicht des Gesetzgebers (vgl 9 EBRV BlgNR. 276, 15. GP, 12).

Durch die Neuformulierung des § 9 Abs 2 UVG durch Art III des KindRÄG sollte sich an der zwingenden Sachwalterschaft des Jugendwohlfahrtsträgers nichts ändern. Die EBRV BlgNR. 172,

17. GP, 24 f führen hiezu aus:

"Die Abs 2 und 3 des § 9 UVG werden - ohne wesentliche inhaltliche Änderung - der geänderten Terminologie sowie der Aufhebung des JWG angepaßt. Durch die Neufassung des Abs 2 soll aber gleichzeitig sichergestellt werden, daß der Jugendwohlfahrtsträger immer - auch wenn er von Gesetzes wegen Vormund sein sollte - Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche wird und die gesetzliche Vertretung des Kindes in Unterhaltsangelegenheiten nicht etwa dadurch endet, daß die Vormundschaft (zB durch Volljährigwerden der unehelichen Mutter) endet. Sollte der Jugendwohlfahrtsträger bereits Unterhaltssachwalter sein, so ist die Zustellung des Beschlusses, mit dem Vorschüsse gewährt werden, dennoch ein Umstand, der seine Befugnisse als Sachwalter in Unterhaltsangelegenheiten wesentlich beeinflußt: Auf die Sachwalterschaft nach § 9 Abs 2 UVG findet in dem § 212 Abs 2 und Abs 3 ABGB idF des Entwurfs niemals Anwendung: Jede andere Regelung würde dazu führen, daß in einer Vielzahl von Fällen, in denen dies nicht erwünscht ist, Eintreibungsmaßnahmen durch den Jugendwohlfahrtsträger unmöglich werden und die bevorschußte Unterhaltsforderung frühzeitig auf den Bund übergeht."

Hieraus folgt, daß auch nach der neuen Rechtslage bei Gewährung von Unterhaltsvorschüssen der Jugendwohlfahrtsträger alleiniger Sachwalter iS des § 213 ABGB ist, der Vertretungshandlungen des sonstigen gesetzlichen Vertreters im Unterhaltsbereich ausschließt (so auch OGH RZ 1991, 18). Ein von der Mutter im Namen des Minderjährigen erhobener Rekurs ist daher mangels Vertretungsmacht der Mutter in diesem Bereich zurückzuweisen (vgl die ausführliche Begründung in Wiener Richter 470).

Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß der Jugendwohlfahrtsträger dem Antrag der Mutter auf Unterhaltserhöhung "beigetreten" ist. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß der "Antrag" der Mutter nur als Anregung zu werten ist, der vom Jugendwohlfahrtsträger aufgegriffen wurde; dessen "Beitritt" ist daher als der eigentliche Antrag zu werten.

Dieser Antrag wurde abgewiesen; der Jugendwohlfahrtsträger hat den ihm am 3.9.1991 zugestellten Beschluß nicht bekämpft. Aus der Tatsache, daß der Jugendwohlfahrtsträger ursprünglich dem Antrag der Mutter beigetreten ist - in Wahrheit ihre Anregung aufgegriffen und zum Anlaß eines eigenen Antrages gemacht hat -, ergibt sich kein eigenes Rekursrecht der Mutter; sie ist dadurch nicht als vom Jugendwohlfahrtsträger nunmehr als zur weiteren Verfolgung des Antrages bevollmächtigt anzusehen. Nur wenn der Jugendwohlfahrtsträger innerhalb der ihm zustehenden Rechtsmittelfrist einem Rekurs der Mutter "beigetreten" wäre, hätte dieser Rekurs, als vom hier zuständigen Unterhaltssachwalter erhoben, meritorisch behandelt werden können.Jede andere Auslegung des nunmehrigen "Stillschweigens" des Jugendwohlfahrtsträgers im Rekursverfahren käme mit dem ausdrücklich gewünschten Ausschluß der Mutter vom Vertretungsrecht in allen Unterhaltsangelegenheiten bei Vorschußgewährung in Widerspruch. Dem Gesetzgeber war bewußt, daß die Interessen des sonstigen gesetzlichen Vertreters auf Unterhaltserhöhung mit den Regreßinteressen der öffentlichen Hand kollidieren können, und er hat sich zur Koordinierung dieser Interessen für die zwingende Sachwalterschaft des Jugendwohlfahrtsträgers entschieden.

Hieraus folgt, daß der von der Mutter namens des Minderjährigen erhobene Rekurs erfolglos bleiben muß.

Anmerkung

E28088

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00641.91.1128.000

Dokumentnummer

JJT_19911128_OGH0002_0080OB00641_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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