TE Vwgh Erkenntnis 2006/1/24 2004/08/0213

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Veröffentlicht am 24.01.2006
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §33 Abs2;
AlVG 1977 §33 Abs3;
AlVG 1977 §36a;
NotstandshilfeV §2 Abs1;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
NotstandshilfeV §2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der R in L, vertreten durch Dr. Maximilian Gutschreiter, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Hauptplatz 21, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 18. August 2004, Zl. LGS600/SfA/1218/2004-He/S, betreffend Einstellung der Notstandshilfe (Pensionsvorschuss), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,41 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin bezieht seit 1995 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides aus, die Auszahlung der Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses an die Beschwerdeführerin werde mit 1. Juli 2004 mangels Notlage eingestellt.

Einem Scheidungsvergleich vom 22. November 1994 zufolge habe die Beschwerdeführerin gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann einen monatlichen Unterhaltsanspruch in der Höhe von ATS 10.000,-- (EUR 726,75). Auf Grund eines Vergleichs vom 26. Juni 1995 habe sie für ihre beiden Kinder (B., geboren am 7. Juli 1980, und F., geboren am 9. Mai 1982) je ATS 2.000,-- (je EUR 145,35) an monatlichem Unterhalt erhalten. In einem weiteren Vergleich vom 28. Juli 1995 sei ein Ruhen des Unterhaltsanspruches der Beschwerdeführerin für die Dauer der Arbeitslosigkeit ihres ehemaligen Ehegatten vereinbart worden. Seit dem 28. Februar 1999 sei dieser nicht mehr arbeitslos im Sinne des AlVG.

Am 20. Juli 2004 habe die Beschwerdeführerin gegenüber dem Arbeitsmarktservice (AMS) erklärt, sie hätte die im Scheidungsvergleich im Jahre 1994 vereinbarten Unterhaltsleistungen nie erhalten. Nach der Volljährigkeit ihrer Kinder wären ihr die monatlichen Unterhaltszahlungen in der Höhe von insgesamt ATS 4.000,-- (EUR 290,7) als Unterhalt für sich selbst weitergezahlt worden. Sie hätte stets alles ordnungsgemäß vorgelegt und nicht gewusst, dass sie dies auch noch in den Anträgen hätte angeben müssen. Ihr wäre nicht bewusst gewesen, dass zum Begriff "eigenes Einkommen" auch ihr eigener Unterhalt zähle. Sie hätte nichts absichtlich verschwiegen.

Am 5. August 2004 habe die Beschwerdeführerin gegenüber der belangten Behörde erklärt, es würden - wie im Vergleich vom 26. Juni 1995 angegeben - auf ihr Konto monatlich EUR 290,-- an Unterhalt für ihre beiden bei ihr wohnhaften Kinder überwiesen werden. Ihren eigenen im Scheidungsvergleich vom 22. November 1994 vereinbarten Unterhaltsanspruch in der Höhe von ATS 10.000,-- (EUR 726,75) hätte sie "nie beantragt und auch nicht gerichtlich eingefordert", weil sie nicht gewusst hätte, ob und wann ihr geschiedener Ehegatte wieder gearbeitet habe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, das Einkommen des Arbeitslosen sei im Folgemonat auf die Notstandshilfe anzurechnen. Unterhaltsleistungen geschiedener Ehegatten stellten ein anrechenbares Einkommen dar. Eine Anrechnung finde auch dann statt, wenn die unterhaltsberechtigte Person auf den festgesetzten Unterhalt verzichte. Ein Ruhen der Unterhaltszahlung an die Beschwerdeführerin sei nur für die Dauer der Arbeitslosigkeit ihres ehemaligen Ehegatten vereinbart worden. Dessen Arbeitslosigkeit habe Ende Februar 1999 geendet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf (Weiter-) Gewährung der Notstandshilfe (als Pensionsvorschuss) verletzt.

Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 ist Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe u.a., dass sich der Arbeitslose in einer Notlage im Sinne des § 33 Abs. 3 AlVG befindet.

Gemäß § 2 Abs. 1 der Notstandshilfeverordnung (NH-VO), BGBl. Nr. 352/1973, in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 388/1989, liegt Notlage vor, wenn das Einkommen (§ 36a Abs. 1 AlVG) des Arbeitslosen und das seines Ehepartners (Lebensgefährten bzw. seiner Lebensgefährtin) zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen nicht ausreicht. Bei der Beurteilung der Notlage sind gemäß § 2 Abs. 2 NH-VO die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) zu berücksichtigen. Ein aus Unterhaltsleistungen des geschiedenen Ehepartners bezogenes Einkommen des Arbeitslosen wird gemäß § 36a Abs. 3 Z. 1 AlVG (i.d.F. BGBl. I Nr. 128/2003) i.V.m. § 29 Z. 1 zweiter Gedankenstrich EStG 1988 (i.d.F. BGBl. I Nr. 71/2003) in gleicher Weise berücksichtigt wie ein Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit des Arbeitslosen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2004, Zl. 2003/08/0237).

Grundsätzlich ist bei der Prüfung des Vorliegens einer Notlage nur auf das tatsächlich dem Arbeitslosen zufließende Einkommen abzustellen. Es kommt nicht darauf an, ob er durch eine bessere Verwertung seines Vermögens ("bestmögliche Nutzung von Einnahmequellen") überhaupt bzw. höhere Einkünfte erzielen könnte, es sei denn, er würde sich für bestimmte die Erzielung von Einkünften betreffende Gestaltungsmöglichkeiten nur deshalb entscheiden, um einer Einkommensanrechnung "zu entgehen", indem er z. B. seinen Schuldner von seiner Verpflichtung zu Lasten der Versicherungsgemeinschaft befreit (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/08/0124, vom 20. Dezember 2001, Zl. 2001/08/0050, und vom 20. Dezember 2000, Zl. 95/08/0107).

Die Beschwerdeführerin hat für sich im Vergleich vom 28. Juli 1995 ein Ruhen der im Scheidungsvergleich im Jahre 1994 vereinbarten Unterhaltsleistungen bis zur Beendigung der Arbeitslosigkeit ihres früheren Ehepartners vereinbart. Seit 28. Februar 1999 ist der Ehepartner nicht mehr arbeitslos. In Anbetracht des Umstandes, dass ihr früherer Ehepartner ungeachtet der eingetretenen Volljährigkeit der berufstätigen und nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin lebenden Kinder die für diese im Vergleich vom 26. Juni 1995 vereinbarten Unterhaltsleistungen in Höhe von insgesamt ATS 4.000,-- (EUR 290,7) (noch dazu auf das Konto der Beschwerdeführerin) weiter überwiesen hat, stellte sich ihre Unterlassung, die eigenen Unterhaltsforderungen gegen ihren früheren Ehepartner zu verfolgen (z.B. indem sie ihren früheren Ehepartner um Aufklärung ersucht, warum zwar freiwillige Leistungen für die volljährigen Kinder, nicht aber die geschuldete Unterhaltszahlungen für sie selbst erfolgen können), dann und insoweit als Missbrauch zu Lasten der Versicherungsgemeinschaft dar, als ihr bei rechtmäßigem Alternativverhalten tatsächlich Einkommen zugeflossen wäre. Dabei wäre auch zu berücksichtigen, ob sich das Einkommen des Ehepartners nach der Arbeitslosigkeit gegenüber jenem, das dem Unterhaltsvergleich zu Grunde gelegen hat, reduziert hat. Im angefochtenen Bescheid fehlen Feststellungen darüber, welche Unterhaltszahlungen die Beschwerdeführerin von ihrem früheren Ehepartner in diesem Fall tatsächlich erhalten hätte. Deshalb war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich im Rahmen des hinter den Pauschalsätzen der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003 zurückbleibenden Kostenbegehrens auf die §§ 47 ff VwGG.

Wien, am 24. Jänner 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004080213.X00

Im RIS seit

03.03.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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