TE OGH 1992/1/28 14Os138/91

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Veröffentlicht am 28.01.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Jänner 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Prokisch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ferdinand K***** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 letzter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3.Oktober 1991, GZ 5 d Vr 6.180/91-11, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, daß der Angeklagte die Erpressung durch Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung begangen habe, demgemäß auch in der rechtlichen Beurteilung der versuchten Erpressung als schwer nach dem letzten Qualifikationsfall des § 145 Abs. 1 Z 1 StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben. Gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit dem auf § 281 Abs. 1 Z 11 StPO gestützten Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ferdinand K***** des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 letzter Fall StGB schuldig erkannt und zu einer teilweise bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Ihm liegt zur Last, im Sommer 1989 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, den Erich P***** durch gefährliche Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung, nämlich durch Ankündigung einer Strafanzeige, zur Bezahlung von drei bis vier Millionen Schilling, somit zu einer Handlung, die diesen am Vermögen schädigen sollte, zu nötigen versucht zu haben.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen ist der Angeklagte der Schwiegervater des im Dezember 1988 wegen Verbrechens des Betruges und der Veruntreuung mit einem Gesamtschaden von rund 270 Millionen Schilling zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilten Franz L*****. Dieser ist mit Erich P***** befreundet, der seinerseits mit einer weiteren Tochter des Angeklagten einige Zeit lang liiert war. Franz L***** war bestrebt gewesen, einen Teil des verbrecherisch erworbenen Vermögens in scheinbar seriösen Unternehmen anzulegen. Unter anderem plante er ein Engagement in der Automatenbranche mit Erich P***** als Partner, dem er zu diesem Zweck größere Geldbeträge übergab. Ob diese Gelder nach Scheitern des Vorhabens an Franz L***** zurückgezahlt wurden, konnte nicht festgestellt werden. Erich P***** war weiters an Diamantengeschäften des Franz L***** beteiligt und deshalb wegen Verdachtes des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und 4, Abs. 3 StGB im Mai und Juni 1987 in Untersuchungshaft. Dies war auch dem Angeklagten bekannt, von dem das Erstgericht überdies annimmt, daß er infolge der engen Beziehungen seiner Töchter zu Franz L***** und Erich P***** von gemeinsamen "Geschäften" der beiden Kenntnis hatte, sodaß die folgenden Drohungen ernst zu nehmen waren. Im Sommer 1989 rief der Angeklagte bei Erich P***** an, der zu dieser Zeit auf Urlaub war, und besprach dessen Anrufbeantworter wie folgt:

"Herr P*****, sind Sie so gut, ich war wieder beim Franz

(L*****), Sie wissen eh wo, und der hat Ihnen drei oder vier

Millionen Schilling geborgt und die komme ich kassieren, für die

... meine Enkerln. Setzen Sie sich mit mir in Verbindung, ja ?

Auf Wiedersehen, aber tun Sie nichts erzählen mit meiner Tochter

und des ... mich könnens nicht am Schmäh halten. Tans (= Tun Sie)

mit dem (= Geld) kommen, sonst sind Sie drinnen beim Herrn

L*****, wenn Sie das nicht zahlen !" (US 4/5 iVm S 27).

In subjektiver Hinsicht nahm das Erstgericht an, daß der Vorsatz des Angeklagten darauf gerichtet war, Erich P***** zur Bezahlung des geforderten Geldbetrages zu nötigen und sich selbst solcherart unrechtmäßig zu bereichern (US 5). Zum Qualifikationstatbestand der Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung wird im Urteil mit Hinweisen auf Literatur (Leukauf-Steininger Komm2 § 145 RN 10) und Judikatur (SSt. 55/3) allgemein ausgeführt, daß damit auch derjenige droht, der die Aufdeckung krimineller Handlungen androht, soferne diese Drohungen so geartet sind, daß aus ihnen die ernstzunehmende Absicht der Verwirklichung des angedrohten Übels im wörtlichen Sinne zu entnehmen ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob mit einer begründeten oder unbegründeten Strafanzeige gedroht wird. Bezogen auf den konkreten Fall zieht das Erstgericht sodann den rechtlichen Schluß, daß "im Sinne der getroffenen Feststellungen diese Voraussetzungen wohl vorliegen" (US 7).

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 5, 5 a, 9 lit. a, 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht er auch mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Unberechtigt ist die Beschwerde gegen den Schuldspruch wegen des Grundtatbestandes. Dem Beschwerdevorbringen (Z 5) zuwider hat das Erstgericht den Erpressungsvorsatz des Angeklagten mit dem Hinweis auf den eindeutigen (und von ihm anerkannten) Wortlaut der fernmündlichen Drohung zureichend begründet und es darnach mit Recht abgelehnt, den Telefonanruf im Sinne seiner Verantwortung bloß als eine an Erich P***** gerichtete Einladung zu einem "unbeschwerten" Gespräch über die freiwillige Gewährung eines finanziellen Beitrages zum Unterhalt der vom Angeklagten versorgten Kinder des inhaftierten Franz L***** zu verstehen (US 6/7). Die Feststellung hinwieder, daß der Angeklagte von zweifelhaften Geschäften des Erich P***** mit Franz L***** und damit von einem für einen ernstzunehmenden Erpressungsversuch geeigneten Anhaltspunkt Kenntnis haben konnte, hat der Schöffensenat gleichfalls mängelfrei damit begründet, daß der Angeklagte jedenfalls während eines maßgeblichen Zeitraumes über seine beiden Töchter enge persönliche Beziehungen sowohl zu Franz L***** als auch zu Erich P***** unterhalten hat (US 7).

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen (Z 5 a) ergeben sich gegen diese entscheidenden Tatsachenfeststellungen aus den Akten keine erheblichen Bedenken.

Inwiefern vom Erstgericht durch den Ausspruch über die Frage, ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe, ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet worden sei (Z 9 lit. a), kann den Beschwerdeausführungen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit und Bestimmtheit (§ 285 a Z 2 StPO) entnommen werden. In diesem Punkte fehlt es daher an einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Im bisher erörterten Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zum Teil als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, im übrigen aber als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Berechtigung kommt der Beschwerde allerdings insoweit zu, als sie Feststellungsmängel in Ansehung des Qualifikationstatbestandes nach § 145 Abs. 1 Z 1 letzter Fall StGB rügt (Z 10). Mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung droht, wer ankündigt, Ansehen und Ruf, die eine Person in ihrer sozialen Umwelt genießt, zu zerstören (Schwaighofer im WK § 106 Rz 8). Bei dieser Qualifikation handelt es sich - gleichwie bei jener, die durch die Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz begründet wird - um eine weit gefaßte Generalklausel, deren Heranziehung im Einzelfall konkrete Tatsachenfeststellungen in objektiver und subjektiver Beziehung voraussetzt (EvBl. 1990/106, 1983/9; vgl. Kienapfel BT I3 § 106 RN 5; BT II2 § 145 RN 5).

Derartige spezifische Konstatierungen fehlen aber im angefochtenen Urteil. Gewiß kann die Ankündigung einer - wenn auch unbegründeten (RZ 1989/11, SSt. 55/3) - Strafanzeige wegen eines schweren Vermögensdeliktes über die damit regelmäßig verbundene Verletzung an Ehre, allenfalls auch an Vermögen und Freiheit hinaus objektiv geeignet sein, dem Bedrohten auch die Besorgnis einer Vernichtung seiner gesellschaftlichen Stellung einzuflößen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, oder ob bloß eine mehr oder weniger empfindliche Beeinträchtigung des sozialen Image zu besorgen ist, wird aber nur nach einer mit Rücksicht auf die Verhältnisse (§ 74 Z 5 StGB) vorgenommenen individuellen Prüfung zu beantworten sein, die im vorliegenden Fall weder in objektiver noch in subjektiver Beziehung in rechtlich einwandfreier Weise vorgenommen worden ist.

In diesem Umfang ist daher die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich (§ 285 e StPO).

Dabei wird insbesondere auch zu beachten sein, daß Erich P***** im Zusammenhang mit seinen geschäftlichen Verbindungen zu Franz L***** bereits einmal in strafrechtliche Untersuchung gezogen worden und längere Zeit in Haft gewesen ist. Daraus könnten einerseits empirisch fundierte Rückschlüsse hinsichtlich der zu erwartenden konkreten Auswirkungen einer neuerlichen Strafanzeige auf die gesellschaftliche Stellung des Erich P***** gezogen werden (vgl. S 167 und 169); andererseits wird dieser Umstand aber auch Erörterungen darüber erforderlich machen, ob zur Tatzeit das Sozialprestige des Genannten bereits in dem Maße wiederhergestellt war, daß von einer eines qualifizierten strafrechtlichen Schutzes bedürftigen Wertschätzung und Achtung seiner Person in den Augen der hiefür maßgebenden Umwelt gesprochen werden konnte. Schließlich wird auch darauf Bedacht zu nehmen sein, ob in Abweichung von der rechtlichen Beurteilung in der Anklageschrift (§ 262 StPO) die Erpressung nicht infolge einer auf die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz abzielenden Drohung qualifiziert gewesen sein könnte (§ 145 Abs. 1 Z 1 vorletzter Fall StGB).

Die Aufhebung des Qualifikationsausspruches bedingte auch die Beseitigung des Strafausspruches, weshalb sich ein Eingehen auf die dagegen gerichtete Strafbemessungsrüge (Z 11) und die Berufung erübrigte.

Anmerkung

E27963

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0140OS00138.91.0128.000

Dokumentnummer

JJT_19920128_OGH0002_0140OS00138_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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