TE OGH 1992/10/29 8Ob623/92

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Veröffentlicht am 29.10.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Adolf B*****, und 2.) Gertraud B*****, beide vertreten durch Dr.Herwig Grosch & Partner, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Helene W*****, vertreten durch Dr.Horst Wendling, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen S 250.000,- s.A., infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 2. Juli 1992, GZ 2 R 132/92-21, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 26.Februar 1992, GZ 16 Cg 202/90-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit S 11.971,08 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 1.995,18 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger brachten vor, Eigentümer des Hotelkomplexes "T*****" in K***** zu sein, zu dem das als "G*****" bezeichnete Gebäude gehöre. Der Beklagten stünde an Teilen des Kellers sowie am gesamten Erdgeschoß das lebenslängliche Fruchtgenußrecht zu. Im Jahre 1989 seien umfangreiche und notwendige bauliche Erneuerungen durchgeführt worden. Dabei seien folgende Aufwendungen entstanden:

Zimmermannsarbeiten        S    933.581,10

Dachneueindeckung          S  1,057.125,59

Außenmalerei               S    410.195,88

Einrüstung                 S     40.000,--

S 2,440.902,57

Da rund 1/6 des Gebäudes "G*****" vom ausgeübten Fruchtgenuß der Beklagten umfaßt sei, habe sie an den Erhaltungsarbeiten zumindest mit S 250.000,- teilzunehmen. Dieser Teil könne mit Leichtigkeit aus den beachtlichen Erträgen der Fruchtnießung bestritten werden.

Die Kläger begehrten, deshalb die Beklagte zur Zahlung von S 250.000,- s.NG. zu verurteilen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein, die weit über die gewöhnlichen Ausbesserungs- und Erhaltungsarbeiten hinausgehenden Bauarbeiten wären keineswegs von ihr aufgrund der im Rahmen ihres Fruchtgenußrechtes bestehenden Erhaltungspflicht aus den Erträgen des Fruchtgenusses zu bestreiten. Die Bauarbeiten seien zudem ohne ihre Information und ohne ihr Einverständnis durchgeführt worden. Ihr Fruchtgenußrecht beziehe sich auf höchstens 1/10 des Gesamtgebäudes. Darüber hinaus hätten die Bauarbeiten für den Fruchtgenuß keinen Vorteil gebracht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest:

Im Jahre 1989 wurden am Gebäude, in dessen Erdgeschoß sich das Lokal "G*****" befindet, im Auftrag der Kläger umfangreiche Bauarbeiten durchgeführt. Das Blechdach war verrostet, die Dachstuhlkonstruktion war durch in das Mauerwerk eingetretene Feuchtigkeit gänzlich morsch und faul, die Giebelwand war durchfeuchtet. Eine Reparatur der schadhaften Teile des Dachstuhles und des Blechdaches war nicht mehr durchführbar bzw. wirtschaftlich nicht sinnvoll. Im Zuge der Arbeiten wurde daher der alte Dachstuhl samt der Blecheindeckung und Dachschalung sowie das Giebelmauerwerk bis zur Höhe der Decke des 2. Obergeschoßes abgetragen. Anstelle der ursprünglichen Holzdecke im 2.Obergeschoß wurde eine dünne Stahlbetondecke eingezogen. Im ursprünglichen Dachboden wurde ein Geschoß ausgebaut und darüber ein weiterer ausgebauter Dachboden installiert. Die Eindeckung des Daches wurde nunmehr in Kupferblech vorgenommen. Statt der ursprünglichen einzeiligen Kapferreihe sind nun mehrere einzelne Kapfer vorhanden und darüber in den Zwischenbereichen dieser einzelnen Kapfer wurden wiederum Kapfer angeordnet. Innenseitig wurde über das ganze Dach eine Wäremedämmung montiert. Das Gesimse wurde in einer Breite von etwa 70 Zentimeter angebracht und es wurden Schneerechen montiert. Weiters wurden Dachbodenentlüftungen installiert, die vor dem Umbau nicht vorhanden waren. Die Entlüftung des Lokals "G*****", die früher an der Außenfassade entlang nach oben geführt worden war, wurde nunmehr innerhalb des Gebäudes in die Lüftung integriert. Die Außenfassade des Gebäudes wurde neu verputzt und gestrichen, ebenso die Holzwindläden und die Traufenbretter.

Im Rahmen der Erneuerungsarbeiten wurde auch der erste und zweite Stock des Gebäudes renoviert.

Die Beklagte hat das von ihrem Fruchtgenußrecht umfaßte Gastlokal "G*****" an die Firma H***** verpachtet. Durch die angeführten Bauarbeiten sind keine Umsatzsteigerungen zu verzeichnen.

Vor Durchführung der Bauarbeiten hatten die Kläger keinen Kontakt mit der Beklagten; sie haben sie weder informiert noch mit ihr diese Arbeiten abgesprochen.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, bei den am gegenständlichen Gebäude durchgeführten Bauarbeiten handle es sich nicht um gewöhnliche Instandhaltungsarbeiten gemäß § 512 ABGB, sondern um eine Generalsanierung des gesamten Gebäudes sowie um eine Standardverbesserung. Dazu sei der Fruchtnießer nicht verpflichtet. Im gegenständlichen Falle hätten die durchgeführten Arbeiten auch keine Verbesserung des Fruchtgenußrechtes ergeben, sodaß die Beklagte zu den getroffenen Aufwendungen nichts beizutragen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei, weil neuere Rechtsprechung zu den hier entscheidenden Rechtsfragen fehle. Es erklärte die von den Klägern vermißten Feststellungen als aus rechtlichen Gründen entbehrlich, behandelte die Ausführungen in der Beweisrüge als Teil der Rechtsrüge und hielt diese nicht für gerechtfertigt. Richtig sei, daß den Fruchtnießer gemäß § 513 ABGB die Pflicht treffe, die dienstbare Sache als ein guter Haushälter in dem Stand, in welchem er sie übernommen hat, zu erhalten und aus dem Ertrag die Ausbesserungen, Ergänzungen und Herstellungen zu besorgen. Dies betreffe im gegenständlichen Falle die laufenden, zur Erhaltung der vom Fruchtgenuß umfaßten, im Erdgeschoß befindlichen Betriebsräumlichkeiten des Lokales "G*****" erforderlichen Ausbesserungen, Ergänzungen und Herstellungen. Diesbezüglich entspreche die Erhaltungspflicht des Fruchtnießers den Verbindlichkeiten des Bestandnehmers. Nichts anderes sage die in

der Berufung zitierte Entscheidung MietSlg 20.039. Der

festgestellte Umfang der Arbeiten am Gebäude sei vom Erstgericht richtig als Bauführung, die nicht zu den gewöhnlichen Ausbesserungen und Herstellungen gehöre, qualifiziert worden, für die den Klägern allenfalls eine Vergütung entsprechend der durch den Bau erzielten Verbesserung der Fruchtnießung bis zum Höchstmaß der gesetzlichen Zinsen des Baukapitals zustünden. Da die Kläger jedoch entgegen den Bestimmungen des § 514 ABGB einen prozentuellen Anteil der Baukosten von der Beklagten begehrten seien Feststellungen zur Ursache des desolaten Zustandes sowie zur Höhe der Erträge der Beklagten aus dem Fruchtgenuß entbehrlich.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erheben die Kläger eine auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision mit dem Antrage, die vorinstanzlichen Urteile durch Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Die Revisionswerber führen aus, es sei hier entscheidend, ob nicht dann, wenn es sich um durch das Alter des Gebäudes oder durch Zufall notwendig gewordene Bauführungen im Sinne des § 514 ABGB handle, darin Instandhaltungen im Sinne des § 513 ABGB enthalten seien, welche durch die Bauführung erspart worden seien. Da grundsätzlich ein Fruchtgenuß auch an räumlich abgegrenzten Teilen einer Liegenschaft bestehen könne, sei der Fruchtnießer in einem solchen

Fall verhalten, entsprechend seinem Anteil zur Instandhaltung

beizutragen. Das heiße nicht, daß der Fruchtnießer nur für den von

der Fruchtnießung unmittelbar umfaßten Teil des Bauwerkes instandhaltungspflichtig sei, sondern selbstverständlich auch für jene "allgemeinen" Teile des Hauses, die der Erhaltung des Gesamtbauwerkes dienten. Das seien zweifellos Dacheindeckung, Dachstuhl und Fassade. Da wenig wahrscheinlich sei, daß der Fruchtnießer durch die Neuherstellung der Dacheindeckung usw. einen höheren Ertrag aus seiner Fruchtnießung ziehe, habe der Eigentümer der durch die Fruchtnießung belasteten Sache nicht die Möglichkeit, diesen zur prozentuellen Beteiligung an den Baukosten heranzuziehen. Umgekehrt erspare der Fruchtnießer sich dadurch aber eben die sonst fälligen Instandhaltungen. Insofern habe der Bauführer dann zum Nutzen des Fruchtnießers gehandelt und so habe die beklagte Partei hier einen Vermögensvorteil erfahren und sei also bereichert. Sehe man von der Möglichkeit der Bestimmungen des § 273 ABGB ab, fehlten hier auch Feststellungen zur Höhe der Erträge der Beklagten aus dem Fruchtgenuß, aber auch zur Frage, warum die Sache in den festgestellten desolaten Zustand gekommen sei und welche der durchgeführten Maßnahmen als Instandhaltung oder Bauführung qualifiziert werden müßten bzw. welche Instandhaltungen durch eine etwaige Bauführung substituiert worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht aufgezeigten Grund zulässig, aber nicht gerechtfertigt.

In der Klage brachten die Kläger ausdrücklich vor, die Bausubstanz

des Gebäudes, in dem sich das vom Fruchtgenuß der Beklagten teilweise

umfaßte Hotel "G*****" befinde, habe sich altersbedingt derart

verschlechtert, daß die von ihnen durchgeführten umfangreichen

Erneuerungen notwendig geworden seien. Insbesonder sei der Dachstuhl

baufällig und die fünfzigjährige Blechdacheindeckung irreparabel

schadhaft geworden, die Fassade sei schäbig und abgebröckelt gewesen,

sodaß alles habe erneuert werden müssen. Im Schriftsatz ON 3 gaben

die Kläger an, daß einfache Reparaturen nicht mehr vertretbar gewesen

seien,  sodaß alles habe erneuert werden müssen.

Nach den mit diesen Klageangaben übereinstimmenden erstgerichtlichen

Feststellungen war eine Reparatur der schadhaften Teile des

Dachstuhles und des Blechdaches nicht mehr durchführbar und es wurde daher von den Klägern ohne vorherige Benachrichtigung der Beklagten eine Neuherstellung in völlig veränderter Form vorgenommen; am Dachboden wurde ein weiteres Geschoß eingebaut, das erste und das zweite Stockwerk wurden renoviert und die Fassade wurde neu verputzt und gestrichen.

Diese umfassende Erneuerung des Gebäudes stellt im Sinne der zutreffenden Ansicht der Vorinstanzen ohne Zweifel keine, dem Fruchtnießer gemäß § 513 ABGB obliegende Instandhaltung dar. Nach dieser Gesetzesstelle ist der Fruchtnießer nur verbunden, die dienstbare Sache als ein guter Haushälter in dem Stande, in welchem er sie übernommen hat, zu erhalten und aus dem Ertrage die Ausbessserungen, Ergänzungen und Herstellungen zu besorgen. Werden vom Eigentümer Bauführungen, die durch das Alter des Gebäudes notwendig gemacht wurden, besorgt, dann hat ihm gemäß § 514 ABGB der Fruchtnießer nach Maß der dadurch verbesserten Fruchtnießung die Zinsen des verwendeten Kapitals zu vergüten. Unterläßt der Eigentümer solche Bauführungen, dann treten die in § 515 ABGB genannten Folgen ein.

Hier handelt es nach den eigenen Angaben der Kläger eben gerade um durch das Alter des Gebäudes notwendig gewordene Bauführung; von bloßen Ausbesserungen, Ergänzungen usw. im Sinne der laufenden Instandhaltung kann keinesfalls die Rede sein. Zur Neuherstellung des Gebäudes oder von Gebäudeteilen ist der Fruchtnießer aber keinesfalls verpflichtet. Somit kann hier die Beklagte auch nicht zur begehrten - teilweisen - Tragung der Kosten der Bauführung verhalten werden.

Demgemäß war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E30194

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0080OB00623.92.1029.000

Dokumentnummer

JJT_19921029_OGH0002_0080OB00623_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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