TE OGH 1992/12/21 7Ob632/92

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Veröffentlicht am 21.12.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wiener Stadtwerke, Wien 6., Rahlgasse 3, vertreten durch Dr.Konrad Kuderna, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Rudolf Krilyszyn, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 83.460,-- und Feststellung (Feststellungsstreitwert S 25.000,--, Gesamtstreitwert S 108.460,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 10.Juni 1992, GZ 48 R 308/92-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 5.Dezember 1991, GZ 5 C 1465/90z-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.789,60 (darin S 1.131,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Unstrittig ist, daß die Klägerin mit Mietvertrag vom 7.3.1978 die Stadtbahnbögen Nr.8, 9 und 10 der von ihr betriebenen Stadtbahn (nunmehr U 6) unter der Gumpendorferbrücke ab 1.1.1978 an die Beklagte als Lager und Büroraum für einen Großhandel mit Kosmetikartikel vermietet hat. Vom Mietvertrag umfaßt ist auch die Außenwand eines Brückenpfeilers (mit Blindportal und Ausstellungsvitrine) des Stadtbahnbogens Nr.10 nächst der Verbindungsstraße zwischen der Gumpendorfer- und der Sechshauserstraße. Um ihrer gesetzlichen Pflicht zur periodischen Überprüfung des Zustandes der Stadtbahnbrücken nachzukommen, führt die Klägerin in regelmäßigen Abständen Untersuchungen durch, bei denen die Brücken, deren Lager und die Widerlagsmauern besichtigt werden müssen. Eine visuelle Begutachtung nimmt höchstens einen Tag in Anspruch, sie hätte aber im Bereich des Stadtbahnbogens unter der Gumpendorferbrücke zur Voraussetzung, daß das Blindportal für die Dauer der Untersuchung abgenommen wird. Unstrittig ist auch, daß die Beklagte ihre Zustimmung zur Abnahme dieses Blindportales samt der Vitrinen unter der Bedingung erteilte, daß diese danach auf Kosten der klagenden Partei wieder angebracht werden und daß die klagende Partei eine derartige Wiederinstandsetzungsverpflichtung ablehnt und von der Beklagten den bedingungslosen Zugang zur Brückenpfeilerfläche fordert.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten letztlich die Bezahlung von S 83.460,-- sowie die Feststellung, daß diese für alle künftigen Schäden zu haften habe, die kausal darauf zurückzuführen seien, daß die beklagte Partei den Zutritt zur vermieteten Wandfläche nicht gestatte. Zufolge Weigerung der Beklagten, den Zutritt zur Wandfläche zu gestatten, habe die Klägerin zur Überprüfung des Pfeilers geodetische Messungen durchführen lassen müssen. Sie begehre die Refundierung des dafür ausgelegten Klagsbetrages wegen Verletzung vertraglicher und gesetzlicher Bestimmungen durch die beklagte Partei. Das Feststellungsbegehren werde wegen der Möglichkeit, daß sich die Beklagte auch in Zukunft weigere, den Zutritt zur Wandfläche zu gestatten, erhoben.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, sie habe sich nie geweigert, der Klägerin den Zugang zur Wandfläche zu ermöglichen, sondern habe regelmäßig auf die Verpflichtung des Vermieters hingewiesen, das Mietobjekt nach Durchführung der Arbeiten wieder in den früheren Zustand herzustellen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen mangelnder Schlüssigkeit der Klage ab, weil sich aus dem vorgebrachten Sachverhalt kein rechtswidriges Verhalten der Beklagten ableiten lasse. Das Bestandverhältnis unterliege dem MRG, sohin auch der Bestimmung des § 8 MRG. Daraus ergebe sich nur eine Duldungs-, nicht aber eine Leistungspflicht des Mieters. Die Weigerung der Beklagten auf die ihr zustehende Entschädigung (d.i. im vorliegenden Fall die Wiederherstellung des vorigen Zustandes) nicht verzichten zu wollen, sei daher nicht gesetzwidrig. Die Forderung der Klägerin nach einer bedingungslosen Zustimmung der Beklagten sei daher nicht zulässig gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Feststellungsbegehrens S 50.000,-- übersteigt und erklärte die Revision hinsichtlich beider Begehren für zulässig. Der Oberste Gerichtshof habe zu 4 Ob 517/92 ausgesprochen, daß auf das gegenständliche Bestandverhältnis das MRG Anwendung zu finden habe, dementsprechend habe auch § 8 MRG zur Anwendung zu kommen. Der (behaupteten) Vereinbarung im Mietvertrag, daß dem Mieter aus Anlaß von Überprüfungs- oder Verbesserungsarbeiten am Bestandobjekt keine Entschädigung zustehe, komme daher keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Fraglich sei nicht das Ausmaß der dem Mieter zukommenden Entschädigung, sondern die Art und Weise der Durchführung der Pfeilerkontrolle. Diese könne die klagende Partei nur im außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs.1 Z 5 MRG erwirken. Der Vorwurf des gesetz- oder vertragswidrigen Verhaltens treffe solange nicht zu, als nicht zwischen den Parteien eine Vereinbarung über Art und Durchführung der jährlichen Überprüfungsarbeiten getroffen worden sei und die beklagte Partei dieser Vereinbarung zuwidergehandelt habe. Für eine Überwälzung eines Teiles der Überprüfungskosten, die die klagende Partei aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen aufzubringen habe, auf den Mieter bestehe keine wie immer geartete Rechtsgrundlage.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Zur Anwendbarkeit des MRG auf das vorliegende Bestandverhältnis und im besonderen auf die mitgemietete Wandfläche und zu der nun erneut aufgeworfenen Frage eines rückwirkenden Eingriffes in wohlerworbene Rechte der klagenden Partei und die damit verbundenen verfassungsrechtlichen Bedenken muß die Revisionswerberin, um unnütze Wiederholungen zu vermeiden, auf die Begründung der Entscheidung 4 Ob 517/92 vom 18.2.1992 verwiesen werden.

Geht man aber von einer Anwendbarkeit des MRG im besonderen von § 8 leg. cit. aus, so läßt sich daraus weder, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, eine Verpflichtung des Mieters, die Kosten für die gegenständlichen Überprüfungsarbeiten teilweise zu übernehmen, noch die Rechtsgültigkeit einer dieser Bestimmung widersprechenden früheren vertraglichen Vereinbarung ableiten. Daß alle im § 8 MRG genannten Eingriffe in das Bestandrecht vom Mieter zu finanzieren seien, vermag die Klägerin in ihrem Rechtsmittel nicht nachvollziehbar zu begründen, zumal sie zu diesem Themenkreis bereits ergangene oberstgerichtliche Judikatur und die damit konform gehende Lehre übergeht (vgl. MietSlg. 39.253/20, Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht § 8 MRG Rz 9). Selbst wenn man dem Gedankengang der Entscheidung 3 R 42/89 des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 27.2.1989 (= MietSlg. 41.211/43) folgte, wäre für die Revisionswerberin nichts gewonnen, weil danach der Mieter erst dann zu einem Tun (im dortigen Fall: vorübergehende Räumung der Wohnung) verpflichtet ist, wenn der sonst zu billigende Zweck des Vermieters nicht anders durchgesetzt werden könnte. Soweit die Klägerin sich auf eine vor Inkrafttreten des MRG angeblich eingegangene vertragliche Verpflichtung des Mieters beruft, auf seine Entschädigungsleistungen, die mit der Durchführung von Erhaltungs- bzw. Verbesserungsarbeiten verbunden sind, zu verzichten, ist ihr zu erwidern, daß das MG keine dem § 8 MRG entsprechende Bestimmung enthielt, vielmehr blieben die Grenzen der Duldungspflicht des Mieters nach dem Bestandrecht des ABGB hinter der nunmehrigen Regelung weit zurück. Gehörte aber eine dieser Norm inhaltlich entsprechende Bestimmung der Rechtsordnung des Jahres 1978 nicht an, so kann dadurch keine bindende Festlegung der, aus der erst später geschaffenen Bestimmung des § 8 Abs.2 MRG für Mieter und Vermieter sich ergebenden Rechte und Pflichten erfolgt sein (vgl. EvBl. 1990/52 mwN). Da die beklagte Partei der Durchführung der begehrten Überprüfungsarbeiten der Klägerin ohnedies zugestimmt hat und nur auf ihrem Begehen auf Wiederherstellung des früheren Zustandes des Bestandobjektes bestand, sohin keinen darüber hinausgehenden Entschädigungsbetrag fordert, wäre unter diesen Prämissen auch gar kein Verfahren nach § 37 Abs.1 Z 5 MRG erforderlich.

Da die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, daß der beklagten Partei weder ein gesetz- noch vertragswidriges Verhalten zur Last zu legen ist, kann aus dem von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt weder der Schadenersatz noch Feststellungsbegehren abgeleitet werden. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenbestimmung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E33230

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0070OB00632.92.1221.000

Dokumentnummer

JJT_19921221_OGH0002_0070OB00632_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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