TE OGH 1993/1/12 10ObS325/92

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Veröffentlicht am 12.01.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Fritz Stejskal und Dr.Theodor Zeh (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ernst K*****, vertreten durch Dr.Hans Pritz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen vorzeitiger Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18.März 1992, GZ 34 Rs 6/92-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15.November 1991, GZ 7 Cgs 191/91-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der am 8.Oktober 1933 geborene Kläger ist bei der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft pensionsversichert. Er stellte am 6.Mai 1991 den Antrag auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 131 GSVG, den die beklagte Partei mit der Begründung ablehnte, daß der Kläger das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet habe.

Der Kläger begehrt in seiner fristgerecht eingebrachten Klage, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm ab dem Stichtag 1.Juni 1991 die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer im gesetzlichen Ausmaß zuzuerkennen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Den verfassungsrechtlichen Bedenken hielt es entgegen, der Kläger übersehe das inzwischen erlassene Bundesgesetz über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, BGBl. 1991/627, dessen Art. I Verfassungsrang habe; demnach seien gesetzliche Regelungen, die unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Versicherten der Sozialversicherung vorsehen, zulässig. Damit sei rückwirkend eine Sanierung auch des § 131 GSVG eingetreten, die vom Verfassungsgerichtshof nicht aufgehoben wurde. Die Regelung des § 131 Abs 1 GSVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 sei damit (zumindest derzeit) verfassungskonform.

Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Revision, mit der er im wesentlichen verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 131 Abs 1 GSVG geltend machte. Er beantragt, nach Aufhebung der verfassungswidrigen Gesetzesstellen das Urteil der Vorinstanzen im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Weil der erkennende Senat gegen die hier präjudizielle Wortfolge im § 131 Abs 1 GSVG BGBl 1978/560 idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 BGBl 1957 "nach Vollendung des 60.Lebensjahres, die Versicherte" verfassungsrechtliche Bedenken hatte, stellte er mit Beschluß vom 7. Juli 1992 10 Ob S 181/92 beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, diese Wortfolge als verfassungswidrig aufzuheben oder auszusprechen, daß sie in der Zeit vom 1.April bis 30.November 1991 verfassungswidrig war.

Mit Erkenntnis vom 2.Dezember 1992 G 172/92-6 ua sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß die erwähnte Wortfolge bis zum Ablauf des 30.November 1991 verfassungswidrig war.

An diesen Spruch des Verfassungsgerichtshofes sind nach Art 140 Abs 7 Satz 1 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht (Satz 2 leg cit).

Die vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erklärte Wortfolge im § 131 Abs 1 GSVG ist daher im vorliegenden Anlaßfall nicht mehr anzuwenden, in dem für den Kläger ausnahmsweise als Anfallsalter für die Alterspension das vollendete 55.Lebensjahr genügt.

Damit steht aber nur fest, daß der Kläger am Stichtag diese eine Voraussetzung für den Anspruch auf die begehrte Alterspension erfüllt hat.

Die weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 131 Abs 1 GSVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 wurden bisher weder behauptet, noch erörtert, außer Streit gestellt, oder festgestellt.

Deshalb waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sozialrechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§§ 496, 499, 503 Z 4, 510, 511 und 513 ZPO).

Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Kosten der Revision beruht auf dem nach § 2 Abs 1 ASGG anzuwendenden § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E32331

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:010OBS00325.92.0112.000

Dokumentnummer

JJT_19930112_OGH0002_010OBS00325_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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