TE OGH 1993/3/4 8Ob533/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.03.1993
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E.Huber, Dr.Graf, Dr.Rohrer und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei William P*****-Werke GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr.Peter Scheichelbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. H***** Gemeinnützige Bau-, Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft reg. GenmbH, ***** 2. I***** GmbH, ***** beide vertreten durch Dr.Rainer Schischka, Rechtsanwalt in Wien, und 3. I***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Mohn, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 350.000,-- s.A., infolge der Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18.Dezember 1990, GZ 11 R 177/90-68, womit infolge Berufungen der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 21.Mai 1990, GZ 52 Cg 173/86-60, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Revisionen wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden - im bekämpften Umfang - aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zur fortgesetzten Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Liegenschaften in Wien 3., B*****gasse 42 und B*****gasse 44, grenzen aneinander. Eigentümer der Liegenschaft B*****gasse 44 ist die erstbeklagte Genossenschaft, Eigentümerin der Liegenschaft B*****gasse 42 war die klagende Partei. Die zweitbeklagte Bau-Gesellschaft mbH errichtete im Auftrag und nach Plänen der erstbeklagten Partei als Generalunternehmer auf deren Liegenschaft eine Wohnhausanlage. Vor dem Beginn der Bauarbeiten im Sommer 1985 wurde der Zustand des auf der Nachbarliegenschaft der klagenden Partei (spätestens im Jahr 1887) errichteten Nebengebäudes erhoben:

Dabei wurden im Inneren des Gebäudes Ichsenrisse und Deckenhaarrisse festgestellt. An der Außenseite der Feuermauer waren stellenweise die Ziegel ausgewittert und die Mörtelfugen offen. Diese Mängel waren aber - nach dem Prüfungsbefund - nicht alarmierend.

Die zweitbeklagte Partei beschäftigte für den Aushub der Baugrube die Firma G***** und für die Sicherung derselben (gegen Abrutschen durch Betonversiegelung = Torkretierung) die drittbeklagte Gesellschaft mbH als Subunternehmer; dieser oblag die Disposition des weiteren, der Torkretierung der Baugrubenböschung jeweils vorangehenden Erdaushubes. Im Zuge des etappenweisen Baugrubenaushubs blieb zunächst entlang der Grundgrenze zur Liegenschaft der klagenden Partei ein Erdkörper stehen, der den Fundamenten der Nachbarliegenschaft seitlichen Halt sicherte. Im Bereich der späteren Einsturzstelle wurde die Berme nicht auf der ursprünglichen Geländehöhe, sondern 35 bis 40 cm unter der erkennbaren Fundamentsohle des benachbarten Nebengebäudes erstellt. In dieser Höhe reichte sie bis an die Grundgrenze. Dadurch war das Fundament des Nachbargebäudes und ein 35 bis 40 cm darunter liegender Erdstreifen auf eine Länge von 16 m freigelegt und ungeschützt. Die Freilegung von Gebäudefundamenten oder gar des Bodens unter den Fundamenten ohne entsprechende Stützungsmaßnahme (Unterfangung des Fundamentes) widerspricht nach dem zu fordernden Wissensstand "jedes Baumeisters" der Bauordnung.

Die Torkretierungsarbeiten der drittbeklagten Partei waren am 23.8.1985 beendet. Der Erdstreifen unter dem Fundament des Nachbargebäudes veränderte sich während des Winters 1985/86. Es traten darin Abplatzungen, typische Frostschäden, auf. In der Nacht vom 18. zum 19.3.1986 stürzte auf der Liegenschaft der klagenden Partei das an der Grundgrenze zur Baustelle der erstbeklagten Partei stehende Nebengebäude teilweise ein. Ursache dieses Einsturzes waren lotrechte und waagrechte Bewegungen des Gebäudefundamentes, das entweder infolge eines "Grundbruches" oder wegen schlechter Bodenschichten weggerutscht war. Dies war nur deshalb möglich geworden, weil der stützende seitliche Erdkörper über Anordnung der drittbeklagten Partei von der Firma G***** entfernt und keine Sicherungsmaßnahme getroffen worden war. Für diesen Einsturz war die fachlich unrichtige Vorgangsweise der zweitbeklagten und der drittbeklagten Partei bei der Herstellung und Sicherung der Baugrube kausal. Reicht die Baugrube so nahe wie im vorliegenden Fall an ein bebautes Nachbargrundstück heran, so entspricht die Baugrubensicherung allein durch Torkretierung der Baugrubenböschung nicht den Regeln der Technik. Die drittbeklagte Partei hätte die von ihr angebotene Arbeit nicht ohne entsprechende Warnung der zweitbeklagten Partei beginnen dürfen. Die zweitbeklagte Partei hätte ihrerseits erkennen müssen, daß die von der drittbeklagten Partei angebotene und ausgeführte Leistung nicht die Sicherung des Nachbargebäudes bewirken konnte. Die Baugrubensicherung beinhaltete nicht automatisch auch die Sicherung der auf dem Nachbargrund befindlichen Gebäude.

Die klagende Partei suchte bereits seit Ende 1984 einen Käufer für ihre Liegenschaft B*****gasse 42. Anfang Februar 1986 fand sie eine Käuferin, die Firma Oskar K*****, die ihr einen Kaufpreis von S 7,000.000,-- zugesagt hatte. Vor der Errichtung des schriftlichen, grundbuchsfähigen Kaufvertrages forderte die Käuferin wegen des Gebäudeeinsturzes zunächst einen Preisnachlaß von S 1,000.000,--; die klagende Partei handelte letztlich einen Nachlaß von S 600.000,-- aus, sodaß der schriftliche Kaufvertrag mit einem Kaufpreis von S 6,4 Mill. festgelegt wurde. Eine weitere Suche nach einem anderen Käufer schien für die klagende Partei nicht erfolgversprechend, weil schon die Auffindung der Firma K***** lange Zeit beansprucht hatte. Die Käuferin erklärte der beklagten Partei gegenüber, daß dieser alle Ansprüche aus den an der Liegenschaft bis zur Übergabe entstandenen Schäden "gewahrt blieben".

Die klagende Partei begehrte mit der vorliegenden Klage von den beklagten Parteien zur ungeteilten Hand den nach einer Teilzahlung von S 250.000,-- durch die Haftpflichtversicherung der zweitbeklagten Partei verbliebenen Restbetrag von S 350.000,-- als Ersatz ihres aus dem Kaufvertrag mit der Firma Oskar K***** zufolge der Gebäudebeschädigung erlittenen Schadens. Die beklagten Parteien hätten schuldhaft keine geeigneten Maßnahmen (etwa Unterfangung des Nachbargebäudes) getroffen, um das Abrutschen des Erdreichs unter der an der gemeinsamen Grundgrenze stehenden Mauer und damit den Einsturz des Nebengebäudes auf der Liegenschaft der klagenden Partei zu verhindern. Die klagende Partei sei schließlich genötigt gewesen, der Käuferin der Liegenschaft einen Preisnachlaß von S 600.000,-- zu gewähren. Diese habe der klagenden Partei den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch gemäß § 364b ABGB zur Rechtsverfolgung überlassen.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens.

Die erst- und zweitbeklagte Partei wendeten im wesentlichen ein, ein etwaiger Schadenersatz- oder Ausgleichsanspruch der klagenden Partei sei mit der erfolgten Zahlung von S 250.000,-- abgegolten, weil der Wert der Liegenschaft wegen der bereits vor dem Einsturz vorhandenen, von der klagenden Partei den Käufern verschwiegenen statischen Mängel nicht über dem letztlich erzielten Kaufpreis gelegen sei. Im übrigen sei ihnen kein Verschulden vorzuwerfen, weil sie durch die Bestellung der drittbeklagten Partei, die ein für Baugrubensicherung spezialisiertes Unternehmen betreibe, alles ihnen Zumutbare getan hätten, um die Gebäude am Nachbargrund vor Schäden zu schützen. Die drittbeklagte Partei habe die Situation jedoch falsch eingeschätzt und hätte davor warnen müssen, daß die von ihr (der drittbeklagten Partei) vorgeschlagene Methode der Baugrubensicherung nicht geeignet sei, die Standsicherheit des Nachbargebäudes zu bewahren.

Die drittbeklagte Partei brachte vor, sie habe eine mangelfreie Baugrubensicherung ausgeführt. Die Gewährleistung der Standsicherheit des Nachbargebäudes sei davon nicht umfaßt gewesen und von ihr auch der zweitbeklagten Partei nicht zugesagt worden. Vielmehr habe die zweitbeklagte Partei selbst mit der unzulässigen Freilegung des Erdreichs unter den Fundamentmauerwerken des Nachbargebäudes die Einsturzursache gesetzt. Zwischen der drittbeklagten Partei und der klagenden Partei bestehe kein Vertragsverhältnis, aus dem Schutz- und Sorgfaltspflichten abgeleitet werden könnten. Ein Auswahlverschulden der drittbeklagten Partei im Sinne des § 1315 ABGB sei von der klagenden Partei nicht einmal behauptet worden. Im übrigen sei der Schaden der klagenden Partei mit der erfolgten Teilzahlung abgegolten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - mit Ausnahme der unbekämpft gebliebenen Teilabweisung eines Zinsenmehrbegehrens - aufgrund folgender rechtlicher Beurteilung der Sache statt: Die erstbeklagte Partei hafte gemäß § 364b ABGB verschuldensunabhängig aus dem Nachbarrecht. Der Ausgleichsanspruch bestehe auch dann, wenn der durch die Vertiefung beschädigte Bau - wie hier - schon vorher schadhaft gewesen sei, und gehe auf volle Schadloshaltung. Die zweitbeklagte Partei habe den Schaden fahrlässig (mit-)verursacht, weil sie erkennen hätte müssen, daß die von der drittbeklagten Partei angebotene Leistung nicht die Sicherung des Nebengebäudes bewirken konnte. Sie und die drittbeklagte Partei hätten als fachkundige Unternehmen wissen müssen, daß die Freilegung eines Fundamentes und sogar der darunter liegenden Erdschicht unbedingt die Unterfangung des betreffenden Gebäudes erforderten, zumal das vor Baubeginn eingeholte Fachgutachten auf deutliche Bewegungen (= statische Mängel) des Nachbargebäudes hingewiesen hatte. Die drittbeklagte Partei habe sowohl den nicht fachgerechten Aushub der Baugrube, als auch deren nicht fachgemäße Sicherung zu verantworten. Überdies habe sie ihre Warnpflicht sowohl gegenüber der zweitbeklagten Partei als auch gegenüber der klagenden Partei verletzt. "Die drittbeklagte Partei habe gegen ihre Schutz- und Sorgfaltspflichten der Klägerin gegenüber, die sich aus dem von der zweitbeklagten Partei übernommenen Auftrag ergäben, verstoßen". Der Schaden der klagenden Partei bestehe in dem Differenzbetrag, den sie beim Verkauf der Liegenschaft wegen des Einsturzes des Nebengebäudes vom vereinbarten Kaufpreis (von S 7 Mill.) nachlassen mußte (S 600.000,--). Der Verkehrswert der Liegenschaft vor und nach der Beschädigung sei unbeachtlich.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und erklärte die Revision für zulässig. Es billigte im wesentlichen die Rechtsauffassung des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht weiters aus: Die Aktivlegitimation der beklagten Partei zur Geltendmachung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs gemäß § 364b ABGB sei nach den Feststellungen schon deshalb gegeben, weil die Firma K***** der klagenden Partei alle Ansprüche aus den an der Liegenschaft durch den vorliegenden Einsturz bis zur Übergabe entstandenen Beschädigungen zur Geltendmachung "gewahrt" (= überlassen) habe. Der der klagenden Partei zugesprochene Schadenersatzbetrag stelle nicht etwa entgangenen Gewinn, sondern positiven Schaden dar, weil zufolge des abgeschlossenen Kaufvertrages der Kaufpreis von S 7 Mill. bereits dem Vermögen der klagenden Partei als selbständiger Wert zugewachsen sei und der klagenden Partei durch den wegen des Gebäudeeinsturzes erzwungenen "Preisnachlaß" auf S 6,4 Mill. ein Betrag von S 600.000,-- als Schaden entgangen sei. Auf den Verkehrswert der Liegenschaft vor und nach ihrer Beschädigung komme es nicht an, sondern nur auf den Differenzbetrag zwischen dem früher vereinbarten und dem tatsächlich erzielten Kaufpreis. Weiters sei unerheblich, daß und ob die Liegenschaft der klagenden Partei bereits vor dem Einsturz gewisse Mängel aufgewiesen habe. Die von der erst- und zweitbeklagten Partei stets vorgebrachte angebliche Irreführung der Liegenschaftskäuferin über den wahren schlechten Bauzustand der Kaufliegenschaft, woraus das Anbot eines überhöhten Kaufpreises gefolgert werde, sei rechtlich nicht relevant. Die Annahme der Solidarhaftung der beklagten Parteien sei zutreffend, weil sie der klagenden Partei jeweils aus anderen Rechtsgründen hafteten, sowie weil die Schadensanteile der zweit- und drittbeklagten Partei nicht zu eruieren seien. Der drittbeklagten Partei sei zu erwidern, daß ihre Haftung nicht auf § 1315 ABGB, sondern darauf gegründet worden sei, daß sie ihre Warnpflicht verletzt, die Situation falsch eingeschätzt und gegen ihre Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber der klagenden Partei verstoßen habe. Die Rechtsfrage, ob im Rahmen des nachbarrechtlichen Ausgleiches gemäß § 364b ABGB mehr als der Zeitwert zu ersetzen sei, sei dem § 502 Abs.1 ZPO zu unterstellen.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richten sich die Revisionen der beklagten Parteien mit den Anträgen, es im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern, allenfalls die Entscheidung(en) der Vorinstanz(en) aufzuheben.

Die klagende Partei beantragte, den Revisionen nicht Folge zu geben.

Die Revisionen sind wegen der von der Beurteilung der Vorinstanzen teilweise abweichenden Beantwortung der im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bedeutenden Rechtsfragen der Aktivlegitimation der klagenden Partei und des Inhaltes und Umfanges ihrer Schadenersatzforderung zulässig und mit ihren Aufhebungsanträgen auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Für die beiden genannten Rechtsfragen sind die Gefahrtragungsregeln beim Kaufvertrag gemäß den §§ 1064, 1048 ff ABGB entscheidend. Wird der Kaufgegenstand vor der bedungenen oder tatsächlichen Übergabe durch Zufall (= ohne Verschulden eines der Kaufvertragspartner) weniger als bis zur Hälfte seines Wertes verschlechtert, so geht dies auf Rechnung des Besitzers (Verkäufers: § 1049 Satz 1 ABGB). Der Kaufvertrag bleibt in diesem Fall aufrecht, die Gegenleistung wird der verminderten Leistung angepaßt, d.h. der Kaufpreis ist verhältnismäßig, im Verhältnis der Werte der Kaufsache im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und nach der Beschädigung zu mindern (Aicher in Rummel2 Rz 1,3,7 zu §§ 1048-1051 mwH; vgl SZ 51/163; JBl. 1974, 423). Einen etwaigen Schadenersatzanspruch gegen Dritte hat der Veräußerer geltend zu machen (Binder in Schwimann, ABGB, Rz 1 zu §§ 1049, 1050).

Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, daß die erstbeklagte Partei gemäß § 364b ABGB infolge des im kausalen Zusammenhang mit Bauarbeiten auf ihrer Liegenschaft erfolgten Einsturzes des Nachbargebäudes der klagenden Partei für deren Schaden verschuldensunabhängig haftet. Im Grunde ist auch die aus § 1332 ABGB abgeleitete Haftung der zweit- und drittbeklagten Partei nicht strittig, wenngleich die drittbeklagte Partei - nach wie vor - zutreffend behauptet, mit der klagenden Partei in keinem Vertragsverhältnis zu stehen und dieser gegenüber auch keine Schutz- und Sorgfaltspflichten aus dem Subunternehmervertrag mit der zweitbeklagten Partei verletzt zu haben. Der drittbeklagten Partei ist lediglich zu entgegnen, daß ihre grundsätzliche Schadenersatzpflicht von der klagenden Partei nicht auf einen Vertrag, sondern zutreffend auf das Gesetz gestützt wurde. Sie hat - wie auch die zweitbeklagte Partei - nach den maßgeblichen Feststellungen im Zusammenhang mit der übernommenen Baugrubenaushebung und -sicherung unter anderem durch falsche Einschätzung der Situation und unfachgemäßen Aushub der Baugrube wider die Regeln ihres Faches und damit schuldhaft bewirkt, daß durch den ursächlich folgenden Einsturz des Nachbargebäudes Eigentum der klagenden Partei beschädigt wurde. Dieses Verhalten verpflichtet sie im Falle nicht weiter erhöhter Fahrlässigkeit gemäß § 1332 ABGB zum Ersatz des positiven Schadens (= "nach dem gemeinen Wert, den die Sache zur Zeit der Beschädigung hatte"). Auf ein Vertragsverhältnis der drittbeklagten Partei mit der klagenden Partei oder auch mit der zweitbeklagten Partei kommt es dabei - entgegen der offenbaren Auffassungen beider Vorinstanzen - nicht an, weil die schuldhafte Beschädigung fremden Eigentums die deliktische Schadenersatzpflicht bewirkt (SZ 51/97 mwH; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 90 f und II 22 f). Hat der Eigentümer bereits einen Kaufvertrag über sein nachträglich vor Übergabe an den Käufer beschädigtes Gut geschlossen und damit bereits eine rechtlich gesicherte Position für den Erhalt des Kaufpreises erlangt, kommt es nicht mehr auf den allgemein gültigen Verkehrswert der Sache vor der Beschädigung an, vielmehr stellt der erzielte und einforderbare Kaufpreis bereits einen positiven Vermögenswert dar, der der Schadensberechnung als Ausgangspunkt zugrundezulegen ist (vgl. EvBl. 1957/62; EvBl. 1977/140 mwH; EvBl. 1983/72 uva). Der Schaden der klagenden Partei aus dem verfahrensgegenständlichen Vorfall besteht jedoch im Sinne der vorerst zutreffenden Argumentation der Revisionswerber nicht in dem von der klagenden Partei (aus welchen wirtschaftlichen oder faktischen Gründen auch immer) der Käuferin gewährten Preisnachlaß, sondern zufolge der obigen Darlegungen in der der Käuferin nach dem Verhältnis der Verkehrswerte der Liegenschaft vor und nach der Beschädigung rechtsverbindlich zu gewährenden Kaufpreisminderung. Nur in diese Richtung zielt auch der von der klagenden Partei hier geltend gemachte Anspruch.

Daß die beklagten Parteien der klagenden Partei solidarisch haften, ergibt sich für die erstbeklagte Partei aus ihrer vollen nachbarrechtlichen Haftung und für die zweit- und drittbeklagte Partei aus § 1302 ABGB, weil sich ihre Anteile an der erfolgten Beschädigung nicht bestimmen lassen. Insofern ist den Vorinstanzen kein Rechtsirrtum anzulasten.

Die Revision der erst- und zweitbeklagten Partei ist mit ihrem erneut wiederholten, teilweise feststellungsfremden Vortrag, die Käuferin der Liegenschaft sei von der klagenden Partei über den wahren Bauzustand des Kaufgegenstandes in Irrtum geführt worden und hätte bei entsprechender Aufklärung von vorneherein einen geringeren Kaufpreis geboten, auf die Erledigung dieses Einwurfes durch das Gericht zweiter Instanz zu verweisen, wogegen stichhältige neue Argumente nicht vorgetragen wurden (§ 510 Abs.3 ZPO).

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die Verkehrswerte der Liegenschaft im Zeitpunkt vor und nach der Beschädigung zufolge des Gebäudeeinsturzes durch die Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Realitätenfach festzustellen und unter Berücksichtigung der erfolgten Teilzahlung im Sinne der obigen Darlegungen vom erzielten Kaufpreis ausgehend den tatsächlichen Schaden der klagenden Partei zu ermitteln haben.

Dies erfordert die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Rückverweisung der Sache an das Prozeßgericht.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.

Anmerkung

E30924

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0080OB00533.91.0304.000

Dokumentnummer

JJT_19930304_OGH0002_0080OB00533_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten