TE OGH 1993/3/31 7Ob504/93

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Veröffentlicht am 31.03.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Ebner und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr.Christian Ebert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) E***** Werke, W*****, ***** ***** KG, 2.) "E*****" S***** GesmbH, ***** ***** beide vertreten durch Dr.Peter Posch, Dr.Ingrid Posch, Rechtsanwälte in Wels, wegen DM 224.810 s.A., , infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 24.September 1992, GZ 6 R 87/92-18, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes (nunmehr Landesgerichtes) Wels vom 31. Dezember 1992, GZ 3 Cg 169/91-12, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und in der Sache selbst erkannt, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 119.235,66 (darin S 11.872,89 an Umsatzsteuer und S 48.000 an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei schloß mit der erstbeklagten Partei, deren persönlich haftender Gesellschafter die zweitbeklagte Partei ist, am 16.5.1989 einen Vertrag über die Lieferung eines Kabelbaumlegeautomaten zum Preis von DM 201.000. Der erstbeklagten Partei wurde das Recht eingeräumt, die Maschine zu erproben und bis zum 30.6.1989 ohne Angabe von Gründen, darüber hinaus aber bis zum 20.12.1989 dann vom Vertrag zurückzutreten, wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt sind. Als erfüllt sollten sie gelten, wenn am Automaten unter Betriebsbedingungen die geforderten, in einer Anlage spezifizierten Ergebnisse erreicht werden. Ausdrücklich festgehalten wurde, daß die erstbeklagte Partei die Kaufentscheidung bis spätestens am 20.12.1989 treffen sollte. Über Antrag der erstbeklagten Partei stimmte die klagende Partei einer Verlängerung der Probezeit und damit der Frist zur Kaufentscheidung bis zum 20.6.1990 zu. Mit Schreiben vom 29.6.1990 lehnte die erstbeklagte Partei den Kauf des Kabelbaumlegeautomaten mit der Begründung der Unwirtschaftlichkeit ab.

Die klagende Partei begehrt von den beklagten Parteien die Zahlung des Kaufpreises sowie den Ersatz von kapitalisierten Zinsen. Der Vertrag sei als Prüfungskauf zu qualifizieren, der negative Kaufentscheid verspätet.

Die beklagten Parteien beantragen die Abweisung der Klage. Die zugesagte wirtschaftliche Produktion sei nicht erreicht worden, weshalb der Kauf der Maschine, deren Funktionsfähigkeit zuvor mehrmals bemängelt worden sei, zu Recht abgelehnt worden sei.

Die klagende Partei bestreitet in ihrer Replik die Zusage der Wirtschaftlichkeit sowie die behaupteten Mängelrügen vertraglich zugesicherter Eigenschaften. Dagegen brachten die beklagten Parteien ergänzend vor, daß der Kabelbaumlegeautomat die festgelegten Leistungen zu keinem Zeitpunkt erbracht habe. Sie erstatteten auch weiteres, für die vorliegende Entscheidung jedoch nicht maßgebendes Vorbringen.

Das Erstgericht gab der Klage Folge. Neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf es unter anderem noch folgende Feststellungen:

Am 1.6.1989 kam es zur Vorabnahme, am 22.6.1989 zur Endabnahme des (von der Fa. E***** hergestellten) Kabelbaumlegeautomaten in Dresden. Dabei wurde die vertragsgemäße Ausführung der Maschine vom Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei bestätigt und das Gerät zur Auslieferung nach Wels und zur Einleitung des Probebetriebes freigegeben. Nach dem Protokoll über die Endabnahme wurden Randbedingungen nicht optimal gelöst, die notwendigen Veränderungen sollten im Rahmen des halbjährigen Einlaufbetriebes in Zusammenarbeit mit der klagenden Partei vorgenommen werden. Am 7.8.1989 wurde der Automat in Wels in Betrieb genommen. In der Folge wurden über Verlangen der Käuferin Verschleißteile ersetzt. Bis Ende 1989 ergab sich, daß Drähte in die Steckverbinder nicht präzise eingeführt wurden und beim Einführen der Drähte auch noch nach vorübergehender Behebung durch Servicetechniker der Firma E***** Beschädigungen auftraten. Nicht feststellen konnte das Erstgericht, daß Mitte 1989 gemeint: 1990; vgl S 21 der Entscheidung des Erstgerichts gegenüber der klagenden Partei noch Mängel an der Maschine behauptet wurden.

Dem Ersuchen der erstbeklagten Partei im Dezember 1989 um Verlängerung der Probezeit bis zum 20.6.1990 stimmte die klagende Partei zu. Bis spätestens zu diesem Tag sagte die erstbeklagte Partei zu, über den Kauf zu entscheiden. Erst nach Ablauf dieser Frist, mit Schreiben vom 29.6.1990, lehnte die erstbeklagte Partei die Übernahme der Anlage ab. Die Maschine ermögliche keine wirtschaftliche Herstellung der Kabelbäume; die Kosten überstiegen jene händischer Fertigung um S 29,27 pro Stück.

Im Hinblick auf diese Mehrkosten war die Maschine im Mai 1990 außer Betrieb gesetzt worden. Daß die klagende Partei hievon verständigt oder daß die Außerbetriebsetzung mit dem Nichterreichen von vertragsmäßig vereinbarten Leistungsdaten begründet worden wäre, konnte das Erstgericht nicht feststellen.

Rechtlich qualifizierte das Erstgericht das vorliegende Rechtsgeschäft als Prüfungskauf, auf den im übrigen die für den Kauf auf Probe geltenden Vorschriften anzuwenden seien, damit auch § 1081 ABGB, wonach Stillschweigen des Käufers bis nach Ablauf der Probezeit als Genehmigung zu werten sei, wodurch der unter Vorbehalt der Genehmigung bedingt abgeschlossene Kauf perfektioniert werde. Zwar gelte Schweigen innerhalb der Probezeit dann nicht als Genehmigung, wenn das Verhalten des Käufers nach Treu und Glauben nicht als Genehmigung angesehen werden könne, doch hätten sich die beklagten Parteien darauf nicht berufen. Der abgeschlossene Kauf sei daher perfekt geworden.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung über Berufung der beklagten Parteien auf und wies die Rechtssache an das Erstgericht zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurück. Zwar sei das Erstgericht zutreffend von einem Prüfungskauf ausgegangen, auf den - von der Einschränkung des Beliebens abgesehen - die Vorschriften über den Kauf auf Probe entsprechend anzuwenden seien, doch sei die Bestimmung des § 1081 ABGB nicht unwiderleglich. Schweigen innerhalb der Probezeit solle dann nicht als Genehmigung gelten, wenn das (sonstige) Verhalten des Käufers nach den Regeln von Treu und Glauben nicht als Genehmigung gewertet werden könne. Daß nur eine ausdrückliche Genehmigung der Erstbeklagten die Vertragsperfektion bewirkten solle, sei nicht vereinbart worden. Die Genehmigung sei vielmehr anzunehmen, wenn die erstbeklagte Partei nicht bis zum vereinbarten, einvernehmlich erstreckten Termin (dem 20.6.1990) den Rücktritt vom Vertrag bzw die Vertagsauflösung erkläre. Die Erstbeklagte hätte daher spätestens am 20.6.1990 eine entsprechende Erklärung absenden müssen, was sie aber unterlassen habe. Im Prozeßvorbringen der beklagten Parteien sei jedoch auch die Einwendung zu erblicken, ihr Schweigen innerhalb der Probezeit hätte nach den Regeln von Treu und Glauben nicht als Genehmigung gewertet werden dürfen. Entscheidend sei daher, ob die erstbeklagte Partei das Ersuchen um Verlängerung der Probezeit mit objektiven Mängeln der Maschine begründet habe und, bejahendenfalls, ob die klagende Partei bis zum 20.6.1990 die Mängelbehebung unterlassen und die erstbeklagte Partei diesen Umstand gerügt habe; denn in diesem Fall habe die klagende Partei das Schweigen der erstbeklagten Partei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht als Genehmigung verstehen dürfen.

Den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß hielt das Berufungsgericht für zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob Stillschweigen des Käufers bis nach Ablauf der einvernehmlich verlängerten Probezeit dann nicht als Genehmigung gelte, wenn Grund für die Verlängerung objektive Mängel des Kaufgegenstandes waren und der Verkäufer diese Mängel innerhalb der (verlängerten) Probezeit nicht behoben habe, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs der klagenden Partei ist zulässig und im Sinne des darin gestellten Antrages auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung auch berechtigt.

Auf das vorliegende Rechtsverhältnis ist - kraft ausdrücklicher Parteienvereinbarung (Beilage ./A, Pkt. 11.10) - österreichisches Recht anzuwenden (§ 35/1 JPRG).

Die Vorinstanzen haben das der Klage zugrunde liegende Rechtsgeschäft (das zunächst als Kauf auf Probe gestaltet war) zutreffend als Prüfungskauf gewertet. Dieser im Gesetz nicht ausdrücklich (ab 1.7.1989) geregelte, in Lehre und Rechtsprechung gleichwohl anerkannte Vertragstypus entspricht weitgehend dem - deutlich an den §§ 495, 496 BGB orientierten - Kauf auf Probe der §§ 1080 ff ABGB. Bei letzterem wird die Ware unter der (im Zweifel aufschiebenden) Bedingung gekauft, daß sie der Käufer genehmige. Demnach ist der Verkäufer sofort und unbedingt, der Käufer dagegen zunächst bedingt und erst nach der - in seinem freien Belieben stehenden: § 1080 erster Satz ABGB - Genehmigung unbedingt verpflichtet. Davon unterscheidet sich der Prüfungskauf dadurch, daß die Genehmigung nicht im Belieben des Käufers steht, sondern nur aus sachlichen Gründen (bei Vorliegen eines negativen Prüfungsresultates) auf Grund eines objektiven Mangels verweigert werden darf (Aicher in Rummel2, Rz 2 zu § 1080 ABGB; Mayer-Maly in Klang2 IV/2, 904 f; SZ 27/72, 40/53; Kramer in Straube, HGB, Rz 21 vor §§ 373 bis 382; Beck-Managetta in ÖJZ 1984, 430). Ist nichts anderes vereinbart - der dispositive Charakter der Vorschriften der §§ 1080 ff ABGB ließe abweichende Regelungen zu - gelten auch für den Prüfungskauf die gesetzlichen Vorschriften über den Kauf auf Probe entsprechend (Mayer-Maly aaO S 906, HS VII, 30). Daß es sich beim klagsgegenständlichen Vertrag um ein Rechtsgeschäft zwischen Kaufleuten handelt, das somit als Handelsgeschäft nach Handelsrecht zu beurteilen ist, ist hier nicht von Belang. Artikel 8 Nr 18 EVzHGB, der § 496 BGB entspricht und den (Handels-)Kauf auf Probe regelt, verweist insofern auf die §§ 1080 ff ABGB. Die einzige Abweichung vom allgemeinen bürgerlichen Recht bezieht sich auf die Probezeit: Ist sie nicht durch Vereinbarung bestimmt, so greifen nicht subsidiär die im § 1082 ABGB vorgesehenen starren Fristen ein, vielmehr hat der Verkäufer das Recht, dem Käufer eine angemessene Frist zu setzen. Dieser Frage kommt jedoch in diesem Rechtsstreit keine Bedeutung zu.

Ebenso irrelevant ist es, ob die Genehmigung als aufschiebende oder als auflösende Bedingung vereinbart wurde. Der Beliebigkeitseinschränkung wegen nähert sie sich zwar einer auflösenden Bedingung, wofür auch der Vertragstext (arg "Rücktrittsrecht" bzw "Vertragsauflösung" im § 9 der Beilage ./A) zu sprechen scheint, doch ist dies auf die hier entscheidende Frage, ob überhaupt eine Genehmigung anzunehmen ist, ohne Einfluß.

Eine ausdrückliche Genehmigung erfolgte innerhalb der dem Erstbeklagten eingeräumten Probezeit - präziser: Erklärungsfrist (vgl BGB Münchner Kommentar2 § 496 Rz 1) - nicht, eine solche war - verwiesen sei hiezu auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes (US 10) - vertraglich auch nicht vorgesehen. Zwar wäre die Vereinbarung einer derartigen ausdrücklichen Genehmigung im Sinne eines positiven Kaufentscheides als Voraussetzung für die Perfektionierung des Kaufvertrages wegen des dispositiven Charakters der §§ 1080 ff ABGB durchaus möglich gewesen (vgl Aicher in Rummel zu § 1081 ABGB), doch wurde eine solche Vereinbarung nicht getroffen. Sie kann auch aus der im Kaufvertrag (Beilage ./A) und im Bestätigungsschreiben vom 15.12.1989 (Beilage ./G) verwendeten Formulierung "Kaufentscheidung" nicht entnommen werden, läßt diese Wortwahl doch sowohl eine zustimmende wie auch eine ablehnende Erklärung zu - anders etwa als die ebenfalls im Kaufvertrag unter § 2.1 vorgesehene Voraussetzung für die Anlieferung der Anlage nach Wels, die nur im Falle eines Positiventscheides erfolgen sollte (und auch erfolgte). Im übrigen wurde die Vereinbarung einer solchen ausdrücklichen Genehmigung im Verfahren vor dem Erstgericht gar nicht geltend gemacht. Andererseits fehlt es nach den - insoweit von der Berufung unbekämpft gebliebenen - Feststellungen des Erstgerichtes auch an einer - von den beklagten Parteien gar nicht behaupteten - ausdrücklich oder doch wenigstens konkludent zustande gekommenen unmißverständlichen fristgerechten Ablehnung. Es kommt daher, da der Kaufgegenstand zum Zwecke der Probe bereits übergeben war, die Bestimmung des § 1081 ABGB zum Tragen, wonach Stillschweigen des Käufers bis nach Ablauf der Probezeit als Genehmigung zu gelten hat. Dies bewirkt, daß die aufschiebende Bedingung der Genehmigung erfüllt (bzw die auflösende der Nichtgenehmigung vereitelt) ist, wenn der Käufer entweder überhaupt keine Erklärung abgegeben hat, oder nur eine solche, die infolge Beifügung von Bedingungen oder Vorbehalten der Wirksamkeit entbehrt (vgl Staub-Pisko3 Art 339 AHGB, §§ 17, 18). Ist das Nichtgenehmigungsrecht des Käufers aber, wie hier und beim Prüfungskauf im allgemeinen, von einem negativen Prüfungsresultat abhängig, dann muß sich die Erklärung auf den vertraglich vereinbarten Ablehnungsgrund beziehen. Eine Nichtgenehmigung aus anderen Gründen, die den Käufer nach der getroffenen Vereinbarung zur Ablehnung von vornherein nicht berechtigt, ist auf Grund der den Prüfungskauf charakterisierenden Beliebigkeitsbeschränkung einem Stillschweigen gleichzuhalten.

Die durch Stillschweigen fingierte Genehmigung unterliegt zwar den allgemeinen Regeln über Willenserklärungen, weshalb etwa eine Anfechtung wegen Willensmängeln unter den Voraussetzungen der §§ 870 ff ABGB möglich ist (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 83), ob aber eine Erklärung an sich vorliegt und welchen Sinn sie hat, ist vom Gesetz (§ 1081 ABGB) entschieden (Gschnitzer aaO).

Bei dieser Rechtslage kommt es daher im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die klagende Partei dem Stillschweigen der erstbeklagten Partei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben die Wirkung einer Genehmigung hätte zumessen dürfen oder nicht, sind diese doch als Mittel bloß ergänzender Auslegung (Rummel2 § 914 Rz 11 ff) angesichts des gesetzlich determinierten Erklärungs- und Rechtsfolgenwerts des § 1081 ABGB gar nicht erst heranzuziehen. Die in dieser Gesetzesstelle normierte Fiktion könnte nur dann nicht eintreten, wenn der Käufer, hier also die erstbeklagte Partei, innerhalb der Erklärungsfrist eine eindeutige - auch konkludent mögliche - Erklärung auf Nichtgenehmigung des Kaufvertrags aus den nach dem Vertrag allein zulässigen Gründen eines auf die technischen Parameter beschränkten negativen Prüfungsergebnisses abgegeben hätte. Derartiges wurde vom Erstgericht ausdrücklich nicht festgestellt und in erster Instanz von den beklagten Parteien auch gar nicht behauptet. Insoweit verstößt das in der Berufung erstmals erhobene Vorbringen, die klagende Partei sei von der Außerbetriebsetzung des Kabelbaumlegeautomaten noch vor dem 20.6. verständigt worden, gegen das im Rechtsmittelverfahren herrschende Neuerungverbot, ganz abgesehen davon, daß dieser Umstand nur dann auf eine vertragskonforme Ablehnung schließen ließe, wenn die Außerbetriebsetzung mit der Nichterfüllung der ausbedungenen Leistungsdaten begründet worden wäre, was in diesem Zusammenhang nicht einmal behauptet wurde. Auszugehen ist daher davon, daß die erstbeklagte Partei eine solche Erklärung bis zum 20.6.1990 nicht abgegeben hat. Dem Verlängerungsantrag vom Dezember 1989 kommt diese Bedeutung jedenfalls nicht zu. Die in HS 6350 publizierte Entscheidung (OGH vom 10.1.1968, 7 Ob 223/67), auf die sich die beklagten Parteien berufen, bietet dazu keine Handhabe. Der Oberste Gerichtshof ging in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsfall davon aus, daß bei einem Kauf auf Probe das Ersuchen um Fristerstreckung zur Vornahme der Probe, deren fristgerechte Durchführung aus vom Verkäufer zu vertretenden Gründen innerhalb der Probezeit nicht möglich war, nicht als Stillschweigen im Sinne des § 1081 ABGB zu werten sei. Dem ist durchaus zuzustimmen. Der generalisierende Beisatz, daß eine Bitte um Fristerstreckung zur Abgabe der Erklärung (jedenfalls) die Wirkung der Ablehnung habe, ist jedoch irreführend. Er beruht auf einem Zitat Bettelheims in Klang1 II/2 S 1036, der sich wiederum auf eine in Staub-Pisko2 II zu Art 339 AHGB wiedergegebene, vom Oberlandesgericht Braunschweig vertretene Ansicht beruft. In der dritten Auflage des Kommentars rückt Pisko davon allerdings ab (Staub-Pisko3 Art 339 AHGB, § 16), womit auch Mayer-Maly in Klang2 IV/2, 908 f u. Aicher aaO im Ergebnis übereinstimmen (vgl auch Huber in Soergel BGB12 III § 496 RN 4). Tatsächlich hat in HS 6350 der Käufer durch seine vom Verkäufer unbeantwortet gebliebene Bitte um Verlängerung der Erklärungsfrist nicht im Sinne des § 1081 ABGB geschwiegen, sondern damit konkludent erklärt, die Genehmigung (ohne Probe) zu versagen. Der völlig unterschiedlichen Fallgestaltung wegen kann daher diese Entscheidung zur Stützung des Standpunktes der beklagten Partei nicht herangezogen werden. Ohnehin wäre dies nur für den Zeitpunkt des Verlängerungsansuchens von Relevanz. Wollte man darin im übrigen tatsächlich eine Nichtgenehmigung des Kaufes erblicken, wäre durch die - aus welchen Gründen immer - einvernehmlich zustande gekommene Verlängerung der Probezeit bzw Erklärungsfrist die Vereinbarung eines neuerlichen Prüfungskaufes mit neuem Endtermin zu sehen, für den die ursprünglich vereinbarten Kautelen in gleicher Weise zu gelten haben.

Daraus ergibt sich aber, daß es ohne Belang ist, aus welchen Gründen die erstbeklagte Partei um Fristerstreckung ersuchte. Selbst wenn ihre Motivation darin gelegen wäre - wozu das Beweisverfahren keinen Anhaltspunkt bot -, der klagenden Partei Gelegenheit zur Mängelbehebung einzuräumen, hätte sie dies nicht von der Verpflichtung entbunden, bis zum 20.6.1990 den Kaufvertrag in eindeutiger Weise zu mißbilligen, um den Eintritt der Fiktion nach § 1081 ABGB zu vermeiden.

Die vom Berufungsgericht vermißten Klarstellungen sind daher für die Entscheidung dieses Rechtsstreites entbehrlich. Sie können dem Erstgericht aber auch aus prozessualen Gründen nicht aufgetragen werden. Wie dem Rekurswerber zuzugeben ist, kann das Berufungsgericht dem Erstgericht nicht Feststellungen in einer Richtung auftragen, denen kein Parteienvorbringen zugrunde liegt, sofern die - relevanten - Beweisanträge erledigt wurden (vgl ZPO MGA § 519 E 50). Wenn die beklagten Parteien Behauptungen, daß ihre Verlängerungsbitte aus den vom Berufungsgericht für möglich erachteten Gründen erfolgte, in erster Instanz nicht aufgestellt haben, kann das Berufungsgericht diesen (auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhenden) vermeintlichen Mangel nicht zum Anlaß einer in erster Instanz vorzunehmenden Verfahrensergänzung nehmen.

Bedeutung käme dem Grundsatz von Treu und Glauben bei der vorliegenden Fallkonstellation allenfalls insoweit zu, als die Frage erörtert werden könnte, ob die Berufung der klagenden Partei auf die Fiktion des § 1081 ABGB nicht rechtsmißbräuchlich erfolgte. Dies käme im Ergebnis jenen Überlegungen, von denen sich das Berufungsgericht ersichtlich leiten ließ, nahe. Das Eingreifen der Regelung des § 1081 ABGB kann, wie ausgeführt, nur durch eine unmißverständliche - auch konkludent mögliche - Mißbillligungserklärung verhindert werden. Die beklagten Parteien könnten jedoch einwenden, daß die Berufung auf die Genehmigung selbst gegen Treu und Glauben verstoße. Dies wäre grundsätzlich zulässig, weil dieser allgemein anerkannte Grundsatz die Vertragspartner jedes Schuldverhältnisses - je nach der Intensität der besonderen Art der Sonderverbindung in verschiedenem Maß und Umfang - zu wechselseitiger Rücksichtnahme und zur Beachtung der berechtigten Belange des anderen verpflichtet (vgl SZ 57/45, SZ 47/104, 46/3). So fließen die Wertmaßstäbe von Treu und Glauben vor allem in die Rechtsinstitute der Unzumutbarkeit und des Rechtsmißbrauches (schikanöse Rechtsausübung) ein (vgl Soergel BGB12 II § 242 RN 32). Anhaltspunkte dafür sind weder dem Vorbringen der beklagten Parteien noch den Beweisergebnissen zu entnehmen. Da zudem die Regelung des § 1081 ABGB selbst mit Rücksicht auf Treu und Glauben im Interesse des Verkäufers getroffen wurde, der seine Ware bereits aus der Hand gegeben hat und seinerseits an den Kaufvertrag in jedem Fall gebunden ist, ist auch unter diesem Aspekt für den Standpunkt der beklagten Parteien nichts zu gewinnen.

Da somit das Revisionsgericht die dem Aufhebungsbeschluß zugrunde liegende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes aus den angeführten Gründen nicht teilt, war dem Rekurs Folge zu geben und der angefochtene Beschluß zu beheben. Die Streitsache erweist sich aber auch als zur Entscheidung reif: Maßgeblich allein ist, daß die erstbeklagte Partei der klagenden Partei gegenüber bis zum 20.6.1990 keine eindeutige und unmißverständliche Ablehnungserklärung abgegeben hat. Das in der Tatsachen- und Beweisrüge vorgebrachte Vorbringen erfüllt auch bei Zutreffen dieser Behauptungen die Konkludenzerfordernisse einer derartigen Erklärung nicht. Die schriftliche Ablehnungserklärung vom 29.6.1990 aber ist - ganz abgesehen davon, daß sie sich nicht auf die vertraglich bedungenen Ablehnungsgründe bezieht - verspätet. Der Klagsanspruch besteht somit zu Recht.

Dem § 519 Abs. 2 letzter Satz gemäß war daher durch Urteil in der Sache selbst zu erkennen und das erstgerichtliche Urteil in vollem Umfange wiederherstellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Ausgehend von einem DM-Mittelkurs von S 700,60 zum Entscheidungstag (§ 6 RATG) ergeben sich geringfügige Abweichungen von den Ansätzen der Kostenverzeichnisse (2.Instanz: S 47.046,38 gegenüber S 47.096,28, 3. Instanz: S 72.189,28 gegenüber S 72.190,96).

Anmerkung

E34276

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0070OB00504.93.0331.000

Dokumentnummer

JJT_19930331_OGH0002_0070OB00504_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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