TE Vwgh Erkenntnis 2006/4/20 2006/18/0082

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.04.2006
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 2005 §13;
AsylG 2005 §75 Abs1;
AsylG 2005 §75 Abs3;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des C, geboren 1982, vertreten durch Edward W. Daigneault, Solicitor in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. November 2005, Zl. 1873/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. November 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und § 39 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 21. Juli 2004 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt, über welchen noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei.

Mit Urteil vom 22. August 2005 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens gemäß § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 erster Fall Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten, davon sechs Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 19. Juli 2005 gewerbsmäßig zwei Kugeln Heroin einem verdeckten Ermittler zum Kauf überlassen und 19 Kugeln Heroin sowie fünf Kugeln Kokain zum unmittelbaren Verkauf bereitgehalten habe.

Auf Grund dieser Verurteilung sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Das der Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten rechtfertige die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.

Der Beschwerdeführer sei ledig, ohne Sorgepflichten und habe keine familiären oder beruflichen Bindungen im Bundesgebiet. Selbst wenn man davon ausgehe, dass das Aufenthaltsverbot mit einem Eingriff in das Privatleben verbunden sei, wäre diese Maßnahme im Grund des § 37 FrG zulässig. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten. Das geschilderte Fehlverhalten verdeutliche augenfällig, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, österreichische Rechtsvorschriften einzuhalten. Hinzu trete die nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Suchtgiftdelikten besonders große Wiederholungsgefahr. Die Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG müsse zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen. Im Hinblick auf die kurze Dauer des Aufenthalts sowie das Fehlen familiärer und beruflicher Bindungen im Bundesgebiet komme den privaten Interessen des Beschwerdeführers ein wesentlich geringeres Gewicht zu als dem gegenläufigen öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität.

Im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftat und der damit verbundenen Schädigung öffentlicher Interessen könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbots auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens Abstand genommen werden, zumal der lediglich behauptete Wille, sich künftig wohl zu verhalten einer näheren Objektivierung nicht zugänglich sei.

Ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer durch sein Fehlverhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit massiv beeinträchtigt habe und seine privaten Interessen nur wenig ausgeprägt seien, könne der Auffassung der Erstbehörde nicht entgegen getreten werden, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes erst nach zehn Jahren zu erwarten sei.

Zum Berufungsvorbringen werde noch angemerkt, dass ein anhängiges Asylverfahren der Erlassung eines Aufenthaltsverbots nicht entgegen stehe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Hinblick auf die unstrittig vorliegende rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten bestehen keine Bedenken gegen die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei verwirklicht.

2. Der Beschwerdeführer hat am 19. Juli 2005 einem verdeckten Ermittler zwei Kugeln Heroin verkauft und weitere 19 Kugeln Heroin sowie fünf Kugeln Kokain zum Verkauf bereitgehalten. Dabei ging er in der Absicht vor, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig gemäß § 70 StGB). Dieses massive Fehlverhalten lässt den Schluss zu, dass vom weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers eine gravierende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität ausgeht.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Abschiebung eines jederzeit ersetzbaren Kleindealers habe auf den Drogenkonsum keinen Einfluss, dieser könne nur durch Aufklärungs- und Unterstützungsmaßnahmen eingedämmt werden, ist ihm zu entgegnen, dass die Notwendigkeit der Sorge um (potenzielle) Suchtgiftkonsumenten das große öffentliche Interesse an der Verhinderung des Suchtgiftverkaufs in jeder Form nicht schmälert.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Gegen die - nicht konkret bekämpfte - für den Fall des Vorliegens eines mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers vertretene Ansicht der belangten Behörde, diese Maßnahme sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), bestehen aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides keine Bedenken.

4. Entgegen dem Beschwerdevorbringen bestand auch keine Veranlassung für die belangte Behörde, im Rahmen des ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen, sind doch weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

5.1. In der Beschwerde wird geltend gemacht, dass das gegenständliche Aufenthaltsverbot seit Inkrafttreten des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, als Rückkehrverbot gelte. Gemäß § 62 Abs. 1 letzter Satz FPG gelte das Rückkehrverbot als Entzug des Aufenthaltsrechtes. Ab dem Inkrafttreten des FPG mit 1. Jänner 2006 greife das Aufenthaltsverbot somit in rechtswidriger Weise in das asylrechtliche Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers ein. Aus diesem Grund hätte das Aufenthaltsverbot gar nicht oder höchstens mit einer bis zum 31. Dezember 2005 wirksamen Befristung erlassen werden dürfen.

5.2. Das nach dem Beschwerdevorbringen nach wie vor anhängige Asylverfahren des Beschwerdeführers ist gemäß § 75 Abs. 1 erster Satz des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Asylgesetzes 2005 nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. Gemäß § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1997 sind Asylwerber, deren Asylverfahren zugelassen ist, bis zum rechtskräftigen Abschluss oder der Einstellung des Verfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt; dieses Aufenthaltsrecht ist durch das Ausstellen einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 36b leg. cit.) zu dokumentieren. Gemäß § 36b Abs. 1 leg. cit. ist Asylwerbern, deren Verfahren zugelassen ist, eine Aufenthaltsberechtigungskarte auszustellen, deren Gültigkeitsdauer "bis zur Rechtskraft des Verfahrens" (offenbar gemeint: bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens) befristet ist. Nach § 75 Abs. 3 Asylgesetz 2005 behalten Karten nach dem Asylgesetz 1997 ihre Gültigkeit bis zum vorgesehenen Zeitpunkt. Die dem Beschwerdeführer nach seinen Behauptungen zukommende vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 bleibt daher trotz Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbots und ungeachtet des Umstandes, dass mittlerweile das Asylgesetz 2005 in Kraft getreten ist, aufrecht.

Im Übrigen kommt gemäß § 13 letzter Satz Asylgesetz 2005 auch solchen Asylwerbern, denen durch die Erlassung eines Rückkehrverbots das Aufenthaltsrecht entzogen wird, faktischer Abschiebeschutz zu.

Es bestehen daher keine Bedenken gegen die über den 1. Jänner 2006 hinausreichende Dauer des gegenständlichen Aufenthaltsverbots.

6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

7. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 20. April 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006180082.X00

Im RIS seit

26.05.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten