TE Vfgh Erkenntnis 2008/3/13 B1065/07

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Veröffentlicht am 13.03.2008
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art129a Abs1 Z2
AnhalteO, BGBl II 128/1999 idF BGBl II 439/2005 §21
FremdenpolizeiG 2005 §79
PersFrSchG 1988 Art4 Abs7, Art6
VStG §53c

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ungehinderte und vertrauliche Kommunikationeines Schubhäftlings mit seinem Rechtsbeistand durch Abweisung einerMaßnahmenbeschwerde gegen die Anordnung einer Glastrennscheibe beimBesuch durch den Rechtsbeistand infolge bloßer Behauptung einer vonSchubhäftlingen ausgehenden Sicherheitsgefährdung ohneAuseinandersetzung mit der Person des Beschwerdeführers und wegenrechtsirriger Annahme eines ungehinderten Kontakts trotzGlastrennwand

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ungehinderte und vertrauliche Kommunikation mit seinem Rechtsbeistand (Art6 iVm Art4 Abs7 PersFrG) verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-

bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer

Staatsangehöriger, wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28. September 2005 nach §§27 und 28 Suchtmittelgesetz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Strafhaft wurde zunächst in Wien, ab dem 4. November 2005 in der Justizanstalt Klagenfurt vollzogen. Am 5. Oktober 2005 erließ die Bundespolizeidirektion Wien ein unbefristetes Aufenthaltsverbot; die dagegen erhobene Berufung blieb erfolglos.

Nach vorzeitiger Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft am 25. September 2006 ordnete die Bundespolizeidirektion Klagenfurt mit diesem Tag die Verhängung der Schubhaft an; der Beschwerdeführer wurde zum Vollzug der Schubhaft in das Polizeianhaltezentrum Klagenfurt (im Weiteren: PAZ) überstellt.

2. Am 31. Oktober 2006 wurde der nach wie vor in Schubhaft befindliche Beschwerdeführer von seinem Rechtsvertreter im PAZ besucht. Über Anordnung des Leiters des PAZ fand dieser Besuch in einem allgemeinen, für Besuche vorgesehenen Raum statt, wobei die Kommunikation zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Rechtsbeistand nur durch eine Trennscheibe aus Glas erfolgen konnte. Ein "Tischbesuch" wurde untersagt.

3. In der dagegen gemäß Art129a Abs1 Z2 B-VG iVm §67a Abs1 Z2 AVG an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten (im Weiteren: UVS) erhobenen Beschwerde stellte der Beschwerdeführer den Antrag, der UVS möge aussprechen, dass der Beschwerdeführer "durch die Anordnung vom 31.10.2006 eines Organs der BPD Klagenfurt, konkret des Leiters des PAZ Klagenfurt, wonach die Besprechung mit seinem Verteidiger bzw. rechtsfreundlichen Vertreter nur über eine Glastrennscheibe zugelassen wird" in verfassungsgesetzlich gewährleisteten sowie einfachgesetzlichen Rechten verletzt wurde. Die der BPD Klagenfurt zurechenbare Anordnung des Leiters des PAZ sei daher für rechtswidrig zu erklären.

Der UVS wies die Beschwerde mit Bescheid vom 17. April 2007 als unbegründet ab. Er führte dazu aus, dass eine rechtswidrige Handhabung des Besuchsrechts des Beschwerdeführers nicht erkennbar sei; vielmehr sei "aus Überlegungen der Sicherheit sowohl für Rechtsvertreter als auch für Schubhäftlinge, eine im Übrigen im Wesentlichen uneingeschränkte Kommunikation zwischen Beschwerdeführer und Rechtsvertreter durch die Glastrennwand verfügt [worden]."

4. Gegen diesen Bescheid des UVS richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ungehinderten Kontakt zu einem Verteidiger gemäß Art6 Abs3 litb und c EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der bekämpfte Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt die Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Beschwerdeführer beeinträchtigt habe. Insbesondere könnten dem Beschwerdeführer von seinem Rechtsbeistand bei bloßem Kontakt über eine Glastrennscheibe - ohne Beeinträchtigung durch das Herbeirufen eines Beamten - weder Unterlagen oder Papiere vorgelegt noch Unterschriften für Anträge oder Vollmachten eingeholt werden. Des Weiteren sei eine ungestörte Besprechung und Erörterung von mitunter komplexen Sachverhalten und schwierigen Rechtsfragen aufgrund der Glastrennwand schwer möglich, zumal es sich auch um einen von Besuchern anderer Häftlinge zeitgleich frequentierten allgemeinen Besucherraum handelte. Überdies sei zu bedenken, dass die Muttersprache des Beschwerdeführers nicht Deutsch sei und insofern durch die Trennwand zusätzliche Verständigungsprobleme entstünden. Entgegen der Annahme der belangten Behörde sei die Beschränkung der Kontaktaufnahme zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Rechtsbeistand auch nicht aus Sicherheitsgründen geboten gewesen.

5. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und stellte den Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

6. Mit Schriftsatz vom 3. September 2007 gab der Beschwerdeführer eine ergänzende Stellungnahme ab, in der er unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR ausführte, dass sich das "verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ungehinderten Kontakt des Beschwerdeführers zu seinem Verteidiger" auch aus Art5 Abs4 EMRK ableiten lasse. Insbesondere sei aufgrund der Glastrennwand und der dadurch herbeigeführten "objektive[n] Möglichkeit des (willkürlichen oder unwillkürlichen) Lauschens oder Abhörens von entsprechend laut geführten Gesprächen" die Vertraulichkeit des Kontakts zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Rechtsvertreter nicht sichergestellt gewesen. Dies gelte auch hinsichtlich der "Übermittlung von der Geheimhaltung unterliegenden Schriftsätzen".

II. Die für den vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Das Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreistitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG), BGBl. I 100 in der maßgeblichen Fassung BGBl. I 99/2006, enthält Bestimmungen über die Anordnung und den Vollzug der Schubhaft. §79 FPG lautet auszugsweise:

"Durchführung der Schubhaft

§79. (1) Für die Anhaltung in Schubhaft in Hafträumen einer Fremdenpolizeibehörde gilt §53c Abs1 bis 5 VStG, für die Anhaltung in gerichtlichen Gefangenenhäusern und Strafvollzugsanstalten gilt §53d VStG.

...

(4) Die Hausordnung für die Durchführung der Schubhaft in den Hafträumen der Fremdenpolizeibehörden hat der Bundesminister für Inneres zu erlassen. Darin sind die Rechte und Pflichten der Häftlinge unter Bedachtnahme auf die Aufrechterhaltung der Ordnung sowie unter Berücksichtigung der räumlichen und personellen Gegebenheiten zu regeln."

2. §53c Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. 52, lautet auszugsweise:

"Durchführung des Strafvollzuges

§53c. (1) Häftlinge dürfen ihre eigene Kleidung tragen und sich, ohne dazu verpflichtet zu sein, angemessen beschäftigen. Sie dürfen sich selbst verköstigen, wenn dies nach den verfügbaren Einrichtungen weder die Aufsicht und Ordnung beeinträchtigt noch unverhältnismäßigen Verwaltungsmehraufwand verursacht. Sie sind tunlichst von Häftlingen, die nach anderen Bestimmungen als nach diesem Bundesgesetz angehalten werden, männliche Häftlinge jedenfalls von weiblichen Häftlingen getrennt zu halten.

(2) Häftlinge sind in einfach und zweckmäßig eingerichteten Räumen mit ausreichendem Luftraum und genügend Tageslicht unterzubringen. Die Hafträume sind gut zu lüften und in der kalten Jahreszeit entsprechend zu heizen. Bei Dunkelheit sind sie außerhalb der Zeit der Nachtruhe so zu beleuchten, daß die Häftlinge ohne Gefährdung des Augenlichtes lesen und arbeiten können. Es ist dafür zu sorgen, daß die Häftlinge Vorfälle, die das unverzügliche Einschreiten eines Aufsichtsorgans erforderlich machen könnten, diesem jederzeit zur Kenntnis bringen können.

(3) Ihr Briefverkehr darf nicht beschränkt, sondern nur durch Stichproben überwacht werden. Schriftstücke, die offenbar der Vorbereitung oder Weiterführung strafbarer Handlungen oder deren Verschleierung dienen, sind zurückzuhalten. Geld- oder Paketsendungen sind frei. Pakete sind in Gegenwart des Häftlings zu öffnen. Sachen, die die Sicherheit und Ordnung gefährden können, sind ihm jedoch erst bei der Entlassung auszufolgen, sofern sie nicht wegen ihrer Beschaffenheit vernichtet werden müssen.

(4) Häftlinge dürfen innerhalb der Amtsstunden Besuche empfangen, soweit dies unter Berücksichtigung der erforderlichen Überwachung ohne Gefährdung der Sicherheit und Ordnung sowie ohne Beeinträchtigung des Dienstbetriebes möglich ist.

(5) Der Brief- und Besuchsverkehr von Häftlingen mit inländischen Behörden und Rechtsbeiständen sowie mit Organen, die durch für Österreich verbindliche internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte eingerichtet sind, darf weder beschränkt noch inhaltlich überwacht werden. Das gleiche gilt für den Verkehr ausländischer Häftlinge mit diplomatischen und konsularischen Vertretern ihres Heimatstaates.

..."

3. §21 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres über die Anhaltung von Menschen durch die Sicherheitsbehörden und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Anhalteordnung - AnhO), BGBl. II 128/1999 idF BGBl. II 439/2005, lautet:

"Besuche

§21. (1) Das Recht der Häftlinge, Besuche zu empfangen, darf nicht über das durch diese Verordnung festgelegte Maß hinaus beschränkt werden. Besucher müssen sich mit einem amtlichen Lichtbildausweis legitimieren.

(2) Jeder Häftling darf einmal wöchentlich während der von der Behörde festgelegten Besuchszeit für die Dauer einer halben Stunde Besuch empfangen; hiebei dürfen jeweils nur zwei erwachsene Besucher gleichzeitig anwesend sein. Angehörigen unter 14 Jahren ist der Besuch nur in Begleitung eines Erwachsenen gestattet. Der Besuch ist nach Möglichkeit außerhalb der Zellen in hiefür geeigneten Räumlichkeiten abzuwickeln.

(2a) Für den Schubhaftvollzug ist grundsätzlich danach zu trachten, die Frequenz und Dauer der Besuchsmöglichkeiten im Interesse der Aufrechterhaltung familiärer und sonstiger persönlicher Bindungen, soweit dies organisatorisch möglich ist, zu erhöhen und auch den Rahmen des Besuchsraums und die Abwicklung der Besuche dementsprechend zu gestalten. Bei den diesbezüglichen Anordnungen sollte auch auf die voraussichtliche Dauer der Schubhaft Rücksicht genommen werden. Auf eine Überwachung solcher Besuche kann, soweit Sicherheitserwägungen dem nicht entgegenstehen, verzichtet werden.

(3) Besuche

1. von Rechtsvertretern, Vertretern inländischer Behörden, diplomatischer oder konsularischer Vertretungen des Heimatstaates sowie von Organen, die durch für Österreich verbindliche internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte eingerichtet sind, oder

2. deren Bedeutung für die Regelung wichtiger persönlicher Angelegenheiten glaubhaft gemacht werden,

dürfen jederzeit im erforderlichen Ausmaß empfangen werden; nach Möglichkeit sind sie während der Amtsstunden abzuwickeln. Besuche von Vertretern der Schubhaftbetreuung sind während der Amtsstunden, darüber hinaus in Absprache mit dem Kommandanten abzuwickeln.

(4) Besuche Privater, nicht jedoch von Rechtsvertretern, dürfen auch inhaltlich überwacht werden; Gespräche und Handlungen, die dem Zweck der Haft zuwiderlaufen oder die Ordnung im Hause stören, sind zu unterbinden. Wiederholt der Besucher eine solche Handlung trotz Abmahnung, so ist der Besuch zu beenden."

4. Art4 Abs7 und Art6 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit (im Weiteren: PersFrG), BGBl. 684, lauten:

"Artikel 4

...

(7) Jeder Festgenommene hat das Recht, daß auf sein Verlangen ohne unnötigen Aufschub und nach seiner Wahl ein Angehöriger und ein Rechtsbeistand von der Festnahme verständigt werden.

Artikel 6

(1) Jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, hat das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.

(2) Im Fall einer Anhaltung von unbestimmter Dauer ist deren Notwendigkeit in angemessenen Abständen durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde zu überprüfen."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Art6 PersFrG gewährt für alle in Betracht kommenden Fälle des Freiheitsentzuges, somit auch für den hier vorliegenden, einen verfassungsgesetzlichen Anspruch auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme durch eine unabhängige Behörde (vgl. etwa VfSlg. 14.939/1997). Entscheidend ist dabei, dass dem Betroffenen ein wirksames und tatsächlich zugängliches Recht auf Überprüfung zukommt (so Kopetzki, Art6 PersFrG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 6 [2000]).

Damit in Zusammenhang steht Art4 Abs7 PersFrG, der jedem Festgenommenen das Recht einräumt, dass auf sein Verlangen ohne unnötigen Aufschub und nach seiner Wahl ein Rechtsbeistand von der Festnahme verständigt wird. Zweck dieser Regelung ist offenkundig, dass der Festgenommene die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges mittels Inanspruchnahme eines Rechtsbeistandes überprüfen lassen kann, wobei die Verständigung in erster Linie der Aufnahme bzw. Aufrechterhaltung der Kommunikation zwischen dem - hier - in Schubhaft Genommenen und seinem Rechtsvertreter dient.

1.2. Dieses in Art6 iVm Art4 Abs7 PersFrG verankerte Recht setzt die Möglichkeit zur wirkungsvollen Inanspruchnahme eines Rechtsbeistandes voraus. Damit notwendig verbunden sind die Gewährleistung der ungehinderten Kommunikation des Inhaftierten mit seinem Rechtsbeistand sowie die Sicherstellung der Vertraulichkeit dieser Kommunikation (vgl. zur Schutzwürdigkeit der der Anwalt-Klient-Beziehung zukommenden Vertraulichkeit auch VfSlg. 13.630/1993; vgl. weiters zu den Grundsätzen, die sich aus Art5 Abs4 EMRK ergeben, EGMR 13.3.2007, Fall Castravet, Appl. 23.393/05).

2. Der UVS geht im angefochtenen Bescheid zunächst davon aus, dass trotz Glastrennwand "eine Kommunikation zwischen Beschwerdeführer und Rechtsvertreter, wenn auch im Tonfall etwas dumpfer, so doch vollkommen uneingeschränkt möglich war." Unter Hinweis auf Art6 Abs3 EMRK tritt er den behaupteten Rechtsverletzungen entgegen und führt sodann zur Frage der Rechtmäßigkeit der Einschränkung des Kontakts mit dem Rechtsvertreter im Hinblick auf §21 Abs3 AnhO wörtlich Folgendes aus:

"Der Leiter des PAZ Klagenfurt legte überzeugend dar, das verfahrensgegenständliche Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Rechtsvertreter aus Sicherheitsgründen durch eine Glastrennwand abgewickelt zu haben. Er begründete diese Maßnahme überzeugend damit, auf diese Art die Sicherheit des Rechtsvertreters garantieren zu wollen, zumal bei Schubhäftlingen immer wieder gefährliche Gegenstände, wie beispielsweise Rasierklingen, Messerteile etc., gefunden würden. Mit Sicherheit könne nicht ausgeschlossen werden, dass Schubhäftlinge derartig gefährliche Gegenstände auch bei den Gesprächen mit ihren Rechtsvertretern mitführen."

3. Bei dieser rechtlichen Beurteilung ist dem UVS jedoch ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen:

3.1. Das dem Beschwerdeführer gemäß Art6 iVm Art4 Abs7 PersFrG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht, mit seinem Rechtsbeistand ungehindert und vertraulich zu kommunizieren, umfasst neben der akustischen Verständigung auch die Möglichkeit zum entsprechenden Austausch von Dokumenten oder sonstigen Unterlagen zwischen Anwalt und Mandant. Beschränkungen dieses Rechts bedürfen einer besonderen Rechtfertigung im Einzelfall; sie können etwa dann ausnahmsweise zulässig sein, wenn zu erwarten ist, dass mit der konkreten Kontaktaufnahme ein Sicherheitsrisiko einhergeht oder zu befürchten ist, dass der Kontakt genützt wird, um den Zweck der Haft - hier Schubhaft - zu vereiteln. In diesem Sinne hat der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem - die stichprobenweise Überwachung des Briefverkehrs eines Schubhäftlings betreffenden - Erkenntnis VfSlg. 13.821/1994 ausgesprochen, dass es für die Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung stets auf das Vorliegen konkreter Verdachtsmomente ankommt.

Wenn nun die Kommunikation zwischen Schubhäftling und seinem Rechtsbeistand - wie in dem hier zur Beurteilung vorliegenden Sachverhalt - nur durch eine Glastrennwand möglich war, ist diese Maßnahme an den dargestellten Kriterien zu messen.

3.2.1. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, dass die Verständigung durch eine Glastrennwand den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine ungehinderte und vertrauliche akustische Kommunikation zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Rechtsbeistand genügt. Der (in sich widersprüchlichen) Annahme der belangten Behörde, dass die Kommunikation - selbst wenn diese durch eine Glastrennwand erfolgte und "im Tonfall etwas dumpfer" ausfiel - nicht beschränkt war, kann insoweit nicht gefolgt werden. Hinzu kommt, dass auch der Austausch von Dokumenten im vorliegenden Fall nicht ohne Zuhilfenahme eines Sicherheitsbeamten möglich war, weshalb eine vertrauliche Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant auch unter diesem Aspekt nicht gewährleistet war.

3.2.2. Die belangte Behörde hat es unterlassen, konkrete Gründe darzulegen, die eine solche (nur ausnahmsweise zulässige) Beschränkung der Kommunikation des Beschwerdeführers mit seinem Rechtsbeistand rechtfertigen könnten:

Der UVS hat sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob vom Beschwerdeführer selbst eine derartige Gefahr ausgeht, die es unter diesem Sicherheitsaspekt rechtfertigen würde, den Kontakt zu seinem Rechtsbeistand mittels einer Glastrennwand zu beschränken; er hat vielmehr die ganz allgemeine Behauptung des Leiters des PAZ Klagenfurt, wonach bei Schubhäftlingen immer wieder gefährliche Gegenstände gefunden würden und der Rechtsbeistand durch eine Glastrennscheibe geschützt werden müsse, unkritisch übernommen und dabei übersehen, dass dieses Sicherheitsargument im vorliegenden Fall gegen den Willen des (vermeintlich zu schützenden) Rechtsanwalts ausschlägt.

3.3. Indem der UVS daher - mit der bloßen Behauptung, es gehe von Schubhäftlingen eine Sicherheitsgefährdung aus und ohne Auseinandersetzung mit der Person des Beschwerdeführers - von der irrigen Rechtsauffassung ausging, dass ein ungehinderter Kontakt des Beschwerdeführers mit seinem Rechtsbeistand trotz Glastrennwand möglich war und diese Trennung überdies aus Sicherheitsaspekten gerechtfertigt war, hat er den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ungehinderte und vertrauliche Kommunikation mit seinem Rechtsbeistand (Art6 iVm Art4 Abs7 PersFrG) verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

IV. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Im

zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,- sowie der Ersatz der gemäß §17a VfGG entrichteten Eingabengebühr in der Höhe von € 180,- enthalten.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Fremdenpolizei, Schubhaft, Verwaltungsstrafrecht, Strafvollzug,Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, UnabhängigerVerwaltungssenat, Verwaltungsverfahren, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B1065.2007

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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