TE Vwgh Erkenntnis 2006/5/18 2004/18/0180

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Veröffentlicht am 18.05.2006
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
StGB §127;
StGB §129 Z3;
StGB §135 Abs1;
StGB §229;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des N, geboren 1978, vertreten durch Dr. Karl Haas, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Dr. Karl Renner-Promenade 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 27. Februar 2004, Zl. St 85/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 27. Februar 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 9. August 1992 als "Bosnienflüchtling" nach Österreich gekommen. Ihm sei ein zuletzt bis zum 2. Juli 2003 verlängerter Aufenthaltstitel erteilt worden. Mit Urteil des Landesgerichtes Ried/Innkreis vom 25. Februar 2003 sei er wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z. 3 StGB, des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten bedingt auf drei Jahre rechtskräftig verurteilt worden. Er habe namentlich angeführten Geschädigten fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Zwischen dem 30. Dezember 2001 und dem 1. Jänner 2002 habe er eine Zeitungskasse aufgebrochen und den darin befindlichen Bargeldbetrag in unbekannter Höhe gestohlen. Am 12. Dezember 2002 habe sich der Beschwerdeführer gegen 24.00 Uhr in einen Klub einsperren lassen und eine dort abgelegte Geldbörse samt Inhalt sowie eine Dose Cola im Wert von EUR 1,-- gestohlen. Am 13. Dezember 2002 habe er den Mohamed A. dadurch, dass er eine fremde bewegliche Sache, nämlich dessen Brieftasche im Wert von EUR 10,--, weggeworfen und sohin aus dessen Gewahrsam dauernd entzogen habe, ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen, geschädigt. Im Lauf des Vormittags des 13. Dezember 2002 habe er mit einer unrechtmäßig zugeeigneten Bankomatkarte zwei Bargeldbehebungen im Gesamtwert von EUR 1.200,-- zum Nachteil des Mohamed A. durchgeführt. Wie aus der am 3. Jänner 2003 beim Gendarmerieposten B. gemachten niederschriftlichen Einvernahme ersichtlich sei, habe er die Kasse des Zeitungsstandes aufgebrochen, um sich von der erhofften Beute Zigaretten kaufen zu können. Das Aufbrechen eines Behältnisses lediglich zu dem Zweck, sich von der erhofften Beute Zigaretten kaufen zu können, zeige die Neigung des Beschwerdeführers, sich über österreichische Rechtsvorschriften hinwegzusetzen. Die Vorgehensweise bei der zweiten ihm zur Last gelegten Tat zeige eine überlegte und geplante Vorgangsweise, weil sich der Beschwerdeführer im Klublokal habe einsperren lassen, um sich nach Eintritt der Sperrstunde in aller Ruhe in den Räumlichkeiten umsehen zu können. Die Hemmschwelle zur Begehung strafbarer Handlungen sei als niedrig anzusehen. Daran könne auch der Umstand, dass er zuvor beinahe zehn Jahre zumindest strafrechtlich unbescholten gewesen sei, nichts ändern. In Anbetracht der Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet der Republik Österreich und der Tatsache, dass er einer geregelten Arbeit nachgehe und über ein eigenes Einkommen verfüge, sei ein gewisses Maß an Integration in die österreichische Gesellschaft zu bejahen. Diese Integration sei in der für den Beschwerdeführer wesentlichen sozialen Komponente durch sein Fehlverhalten erheblich beeinträchtigt worden. Daher sei nicht nur die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Zudem sei das "Gesamtfehlverhalten doch schwerwiegenderer Art, weshalb nicht mehr nur mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen gefunden werde konnte, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden musste." In Abwägung aller angeführten Tatsachen und im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Aufenthaltsverbot sei daher im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig. Die Bestimmungen der §§ 35 und 38 FrG stünden dem Aufenthaltsverbot nicht entgegen, weil der maßgebliche Sachverhalt bereits vor Ablauf von zehn Jahren verwirklicht worden sei und der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit könne nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In Anbetracht der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens des Einbruchdiebstahles und der Vergehen der dauernden Sachentziehung und der Urkundenunterdrückung zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten besteht - anders als die Beschwerde meint - gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (dritter Fall) FrG erfüllt sei, kein Einwand.

2.1. Im Licht des § 36 Abs. 1 FrG wendet sich die Beschwerde gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass die Hemmschwelle des Beschwerdeführers hinsichtlich der Begehung strafbarer Handlungen als sehr niedrig anzusehen sei; hiebei werde der Tatsache, dass der Beschwerdeführer ab seiner Einreise in das Bundesgebiet nahezu zehn Jahre nicht straffällig geworden sei, keine Erheblichkeit zugestanden.

2.2. Nach den für das verwaltungsgerichtliche Verfahren in Bezug auf das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers bindenden Feststellungen des Urteiles des Landesgerichtes Ried/Innkreis vom 25. Februar 2003 hat der Beschwerdeführer zwischen dem 30. Dezember 2001 und dem 1. Jänner 2002 durch Aufbrechen einer Zeitungskasse einen Bargeldbetrag in unbekannter Höhe, am 12. Dezember 2002 eine Dose Cola im Wert von EUR 1,-- und am 13. Dezember 2002 Bargeld in Höhe von EUR 1.200,-- gestohlen sowie am 13. Dezember 2002 den Mohamed A. dadurch geschädigt, dass er dessen Brieftasche weggeworfen und dessen Bankomatkarte unterdrückt hat. Damit hat der Beschwerdeführer gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität verstoßen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 99/18/0451). Der seit dem strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers verstrichene Zeitraum von knapp über einem Jahr ist zu kurz, um die von ihm diesbezüglich ausgehende Gefahr als weggefallen oder auch nur als erheblich gemindert anzusehen. Der Gefährdungsprognose steht auch der Umstand nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer in Österreich zuvor noch nie verurteilt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. November 2003, Zl. 2000/18/0253). Daher kann die Ansicht der belangten Behörde, die im § 36 Abs. 1 (Z. 1) FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3.1. Im Hinblick auf die Beurteilung nach § 37 FrG meint der Beschwerdeführer, die Interessenabwägung müsse zu seinen Gunsten ausgehen. Er lebe seit nunmehr zwölf Jahren in Österreich und habe in dieser Zeit ein Netz an sozialen Kontakten aufgebaut, zumal er als 14-jähriger mit seiner Schwester und seiner Mutter nach Österreich gekommen sei. Er habe außerdem einen festen Wohnsitz. Für sein berufliches Fortkommen habe er auch gesorgt. Die Achtung des Privatlebens müsse "bis zu einem Grad" das Recht mit einschließen, Beziehungen zu anderen Menschen herzustellen und zu entfalten.

3.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Bei der Interessenabwägung hat die belangte Behörde die Dauer des bisherigen rechtmäßigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit August 1992, seine daraus ableitbare Integration und seine Berufstätigkeit berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben angenommen. Das Bestehen familiärer Bindungen hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet. Mit dem Vorbringen in der Beschwerde, er sei "mit seiner Schwester und Mutter nach Österreich gekommen" wird keine aktuell bestehende familiäre Bindung dargetan. Die belangte Behörde hat - unter Bedachtnahme auf die privaten Interessen des Beschwerdeführers - zutreffend den Standpunkt vertreten, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, ist ihm doch der Vorwurf zu machen, durch die oben I. 1. beschriebenen Handlungen ein im Licht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität verwerfliches Fehlverhalten gesetzt zu haben, welches das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten erscheinen lässt. Von daher erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Die aus der Dauer seines bisherigen Aufenthaltes in Österreich seit August 1992 resultierende Integration des Beschwerdeführers, der hier über keine familiären Bindungen verfügt, hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm begangenen Delikte eine ganz erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Die belangte Behörde hat zu Recht der durch sein strafbares Verhalten bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebensqualität. An diesem Ergebnis vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer, wie er in der Beschwerde vorbringt, "erst gegen Ende der 10-Jahresfrist straffällig geworden" ist (vgl. § 38 Abs. 1 Z 2 und 3 sowie § 35 Abs. 3 FrG). Wenn er ferner darauf verweist, dass er ein Kriegsflüchtling aus Bosnien sei und ihn eine Rückkehr in seine frühere Heimat "aus politischen Gründen" sehr schwer treffen würde, so ist ihm - abgesehen davon, dass es sich um ein dem Neuerungsverbot unterliegendes Vorbringen handelt - zu erwidern, dass mit einem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in einen bestimmten Staat (etwa in seinen Heimatstaat) auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde.

4. Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde die gesetzwidrige Ausübung des bei der Anwendung des § 36 Abs. 1 FrG zu handhabenden Ermessens vorwirft, ist er ebenfalls nicht im Recht. Für die belangte Behörde bestand entgegen der Beschwerde keine Veranlassung, von dem ihr nach dieser Bestimmung bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen. Als Verletzung von Verfahrensvorschriften wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde im Zusammenhang mit der Ermessensübung vor, sie sei ihrer Pflicht zur materiellen Wahrheitserforschung nicht nachgekommen und habe keine Nachforschungen bezüglich der Dauer des Aufenthaltes und des Ausmaßes der Integration des Beschwerdeführers sowie "der Intensität der familiären und sonstigen Bindungen" betrieben. Sie hätte den Beschwerdeführer "über Anfrage zu weiteren Vorbringen und Beweisanträgen anregen müssen". Dieses Beschwerdevorbringen erweist sich aber schon deshalb als nicht zielführend, weil es nicht darlegt, inwiefern das Unterbleiben der behaupteten Versäumnisse die belangte Behörde zu einer Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers veranlasst hätte.

5. Die Beschwerde war nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Mai 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004180180.X00

Im RIS seit

21.06.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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