TE Vfgh Beschluss 2002/3/13 G335/01 ua

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Veröffentlicht am 13.03.2002
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ASVG §410 Abs1
BAO §201, §202
EStG 1988 §25 Abs1 idF BGBl I 142/2000
EStG 1988 §47 Abs2 idF BGBl I 47/2001

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge einiger Fachhochschulen auf teilweise Aufhebung von Bestimmungen des EStG 1988 hinsichtlich der Ausdehnung der Lohnsteuerabfuhrverpflichtung des Arbeitgebers für Bezüge von Fachhochschul-Lektoren infolge Zumutbarkeit der Erwirkung eines Bescheides

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit ihren auf Art140 B-VG gestützten (Individual-)Anträgen begehren die antragstellenden Parteien, der Verfassungsgerichtshof möge folgende Bestimmungen des EStG 1988 als verfassungswidrig aufheben:

"1. (I)m §25 Abs1 Z5 Satz 1 EStG 1988 idF des BudgetbegleitG 2001, BGBl. I 2000/142 die Wortgruppe 'Bezüge, Auslagenersätze und', in eventu

2. diese Wortgruppe wie unter 1. angeführt und im §47 Abs2 letzter Satz EStG 1988 idF des BudgetbegleitG 2001, BGBl. I 2000/142 (unter Berücksichtigung des BudgetbegleitG 2002 BGBl. I 2001/47) die Wortfolge 'und 5', in eventu

3. im §25 Abs1 Z5 EStG 1988 idzitF den gesamten Satz 1, in eventu

4. im §25 Abs1 Z5 EStG 1988 idzitF den gesamten Satz 1 und im §47 Abs2 letzter Satz EStG 1988 idF BGBl. I 2000/142 (unter Berücksichtigung des BudgetbegleitG 2002 BGBl. I 2001/47) die Wortfolge 'und 5', in eventu

5. im §25 Abs1 Z5 Satz 1 und im Satz 2 EStG 1988 idF des BudgetbegleitG 2001, BGBl. I 2000/142 jeweils die Wortgruppe 'Bezüge, Auslagenersätze und', in eventu

6. die beiden Wortgruppen wie unter 5. angeführt und im §47 Abs2 letzter Satz EStG 1988 idF des BudgetbegleitG 2001 BGBl. I 2000/142 (unter Berücksichtigung des BudgetbegleitG 2002 BGBl. I 2001/47) die Wortfolge 'und 5'."

2. §25 EStG 1988, BGBl. 400, idF des BudgetbegleitG 2001, BGBl. I 142/2000, der unter der Überschrift "Nichtselbständige Arbeit" steht, hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut (die mit dem Hauptantrag angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"(1) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) sind:

1. a) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. ...

2. ...

5. Bezüge, Auslagenersätze und Ruhe-(Versorgungs-)Bezüge von Vortragenden, Lehrenden und Unterrichtenden, die diese Tätigkeit im Rahmen eines von der Bildungseinrichtung vorgegebenen Studien-, Lehr- oder Stundenplanes ausüben, und zwar auch dann, wenn mehrere Wochen- oder Monatsstunden zu Blockveranstaltungen zusammengefasst werden. Nicht darunter fallen Bezüge, Auslagenersätze und Ruhe-(Versorgungs-)Bezüge von Vortragenden, Lehrenden und Unterrichtenden, die an Einrichtungen tätig sind, die vorwiegend Erwachsenenbildung im Sinne des §1 Abs2 des Bundesgesetzes über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln, BGBl. Nr. 171/1973, betreiben, ausgenommen Abs1 Z1 lita ist anzuwenden."

§47 EStG 1988, BGBl. 400, idF des BudgetbegleitG 2002, BGBl. I 47/2001, der unter der Überschrift "Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer)" steht, hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"(1) Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§25) wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), wenn im Inland eine Betriebsstätte (§81) des Arbeitgebers besteht.

...

(2) Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Ein Dienstverhältnis ist weiters dann anzunehmen, wenn bei einer Person, die an einer Kapitalgesellschaft nicht wesentlich im Sinne des §22 Z2 beteiligt ist, die Voraussetzungen des §25 Abs1 Z1 litb vorliegen. Ein Dienstverhältnis ist weiters bei Personen anzunehmen, die Bezüge gemäß §25 Abs1 Z4 und 5 beziehen.

(3) ..."

§4 ASVG, BGBl. 189/1955, idF BGBl. I 99/2001, der unter der Überschrift "Vollversicherung" steht, hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"(1) In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach §7 nur eine Teilversicherung begründet:

1. die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer;

2. ...

(2) Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Als Dienstnehmer gilt jedenfalls auch, wer nach §47 Abs1 in Verbindung mit Abs2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich um

1. Bezieher von Einkünften nach §25 Abs1 Z4 lita oder b EStG 1988 oder

2. Bezieher von Einkünften nach §25 Abs1 Z4 litc EStG 1988, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen."

3.1. Zur Begründung der Anträge, insbesondere zur Antragslegitimation, wird von den antragstellenden Parteien - zusammenfassend - folgendes dargelegt:

Als Fachhochschulen iSd §15 des Bundesgesetzes über Fachhochschul-Studiengänge (FHStG), BGBl. 340/1993 idgF, beschäftigten sie einerseits sogenannte "Stammprofessoren" (hauptberuflich tätige Lehrende einschließlich der Studiengangsleiter) sowie Personen für diverse Verwaltungs- und sonstige Arbeiten jeweils als echte (unselbständige) Dienstnehmer. Andererseits hätten sie aber auch Verträge mit natürlichen Personen als Lehrbeauftragte abgeschlossen, auf welche die nicht differenzierenden Begriffe "Vortragende, Lehrende und Unterrichtende" (im folgenden: FH-Lektoren) zutreffen würden; diese seien nicht als echte Dienstnehmer beschäftigt, sondern als Selbständige für die antragstellenden Parteien tätig.

Wörtlich führt die Erstantragstellerin hiezu überdies folgendes aus:

"Bei den Verträgen mit unseren FH-Lektoren handelt es sich um entgeltliche (synallagmatische) Verträge. Die solcherart angesprochenen 'Vortragenden, Lehrenden und Unterrichtenden' erhalten von uns Bezüge (Lektorenhonorare) und fallweise (aber nur in seltenen Ausnahmefällen) Auslagenersätze von - abstrakt gesprochen - einkommensteuerlicher Relevanz (jedenfalls aber ausnahmslos ohne allgemeinen Anspruch auf Spesenersatz), und ausnahmslos keine Ruhe-(Versorgungs-)Bezüge. Für im Jahr 2001 erbrachte Leistungen haben wir bereits Honorarzahlungen in beträchtlicher Höhe getätigt."

3.2. Zur aktuellen und unmittelbaren Betroffenheit wird insbesondere dargelegt, daß bei allen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß §47 Abs1 Satz 1 EStG 1988 die Einkommensteuer in Form der Lohnsteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben werde. Wenngleich gemäß §83 Abs1 EStG 1988 Steuerschuldner der Lohnsteuer der Arbeitnehmer sei, habe der Arbeitgeber die Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung gemäß §78 Abs1 Satz 1 EStG 1988 einzubehalten und nach Maßgabe des §79 Abs1 EStG 1988 an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführen.

Der Arbeitgeber hafte überdies dem Bund gemäß §82 Satz 1 EStG 1988 für die Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Bei unrichtiger Berechnung bzw. Abfuhr der Lohnsteuer sei primär ein Haftungsbescheid unmittelbar gegen den Arbeitgeber zu erlassen.

Wörtlich führt die Erstantragstellerin überdies folgendes aus:

"Ist aber die 'unmittelbare' (siehe das verbum legale im §83 Abs2 EStG 1988) Inanspruchnahme des Arbeitnehmers die Ausnahme und die Erlassung eines Haftungsbescheides an den Arbeitgeber (nach Gesetz und Praxis) die Regel, so ergibt sich daraus, dass jede Regelung im - an der Spitze dieser Argumentationskette gestandenen - §25 EStG 1988 (jedenfalls auch) den Arbeitgeber unmittelbar betrifft. Angesichts des gesetzlich angeordneten Vorrangs des Haftungsbescheides gegen den Haftenden vor dem Abgabenbescheid gegen den Abgabenschuldner ist im Lohnsteuerrecht der sonst vielleicht diskussionswürdige Einwand verfehlt, ein Haftender wäre durch eine das Schuldverhältnis bestimmende Norm nur mittelbar betroffen.

Wären die Bezüge, die fallweisen Auslagenersätze und allfällige Ruhe-(Versorgungs-)Bezüge (welch letztere wir jedoch wie gesagt nicht gewähren) unserer Vortragenden, Lehrenden und Unterrichtenden nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (sondern denen aus selbständiger Arbeit, allenfalls aus Gewerbebetrieb) zuzuordnen, so wären wir nicht - haftungsbedroht - in ein Lohnsteuerverfahren eingebunden, sondern hätte unser jeweiliger Vertragspartner seine Einkünfte selbst zu versteuern.

...

Der Umstand, dass wir uns hinsichtlich einer vorgeschriebenen Lohnsteuer(-nachzahlung) bei unserem jeweiligen Vertragspartner regressieren können, ändert nichts an unserer unmittelbaren Betroffenheit, da jedenfalls (abgesehen von einem nicht auszuschließenden Ausfall im Zuge des Regresses) das Leistungsgebot vorerst einmal gegen uns gerichtet ist."

3.3. Die Auswirkungen des §25 EStG 1988 seien - so die antragstellenden Parteien weiter - nicht auf das Einkommensteuer-(Lohnsteuer-)Recht beschränkt:

In bezug auf die Versicherungspflicht von echten Dienstnehmern nach dem ASVG (Vollversicherung in der Unfall-, Kranken- und Pensionsversicherung nach §4 Abs1 Z1 ASVG und Arbeitslosenversicherung nach §1 Abs1 lita AlVG) definiere §4 Abs2 Satz 1 ASVG den Begriff des echten Dienstnehmers "im Sinne dieses Bundesgesetzes" und knüpfe im Satz 2 (idF des BudgetbegleitG 2001, BGBl. I 142/2000) daran folgende Fiktion:

"Als Dienstnehmer gilt jedenfalls auch, wer nach §47 Abs1 in Verbindung mit Abs2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich um Bezieher von Einkünften nach §25 Abs1 Z4 litc EStG 1988."

(Der Verfassungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf die - von den antragstellenden Parteien offenbar übersehene, oben wiedergegebene - nunmehrige Fassung des zweiten Satzes des Abs2 des §4 ASVG, welche gemäß §593 Abs1 Z5 ASVG, idF BGBl. I 99/2001, rückwirkend mit 1. Jänner 2001 in Kraft getreten ist.)

Voraussetzung für die fiktive Dienstnehmereigenschaft gemäß §4 Abs2 Satz 2 ASVG sei somit die Lohnsteuerpflicht (§47 Abs1 EStG 1988) iVm dem Vorliegen eines Dienstverhältnisses gemäß §47 Abs2 EStG 1988.

§25 Abs1 Z5 Satz 1 EStG 1988 bewirke daher im Bereich der Sozialversicherung die Vollversicherung lohnsteuerpflichtiger Vortragender, Lehrender und Unterrichtender als echte Dienstnehmer nach dem ASVG.

Wörtlich wird von der Erstantragstellerin hiezu überdies folgendes ausgeführt:

"Daraus folgt aber wiederum, dass wir als Dienstgeber jedes Dienstnehmers, auch eines solchen, der ausschließlich über §25 Abs1 Z5 Satz 1 EStG 1988 zum Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit und in weiterer Folge über die aufgezeigte Verweisungskette bis hin zum §4 Abs2 ASVG zum 'echten Dienstnehmer' gemacht wird, den Beitrag zur Unfallversicherung zur Gänze (bei geringfügig Beschäftigten einschließlich dem Pauschalbeitrag gem. §530 Abs1 Z2 ASVG) und die allgemeinen Beiträge und Zusatzbeiträge für Vollversicherte in der Kranken- und Pensionsversicherung anteilig nach Maßgabe der §§51 Abs3, 51a und 51b ASVG sowie zusätzlich noch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und sonstige Beiträge (Kammerumlage, Wohnbauförderungsbeitrag und Zuschlag nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz) zu tragen haben. Die prozentuelle Belastung mit Dienstgeberbeiträgen beträgt im Jahr 2001 für die geringfügig Beschäftigten insgesamt 17,8 % und für die Vollversicherten 21,65 % der zu leistenden Entgelte.

Jedenfalls aus der Sicht der Sozialversicherung sind wir daher durch eine Qualifikation unserer Vertragspartner als lohnsteuerpflichtige Dienstnehmer selbst unmittelbar angesichts der eigenen Zahlungspflicht hinsichtlich der Dienstgeberanteile betroffen."

Die unmittelbare und aktuelle Betroffenheit ergebe sich auch daraus, daß für vollversicherte "echte Dienstnehmer" ab Beginn der Beschäftigung (unabhängig von einer Anmeldung der Personen bei der zuständigen Gebietskrankenkasse) Sozialversicherungsbeiträge zu leisten seien, wobei sich die Beitragsgrundlage nach §44 Abs1 und 2 ASVG nach dem im Beitragszeitraum (Kalendermonat) gebührenden Arbeitsverdienst richte und es unerheblich sei, wann das Entgelt tatsächlich zur Auszahlung gelange.

3.4. Die antragstellenden Parteien verneinen überdies die Frage, ob es nicht zumutbar wäre, Lohnsteuer-(Haftungs-)Bescheide und/oder Vorschreibungen von Sozialversicherungsbeiträgen abzuwarten, welche im Rechtsmittelweg zu bekämpfen und im Rahmen von Beschwerden gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen wären.

Für die FH-Lektoren seien ab dem Tag des Beginns der Beschäftigung laufend Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Zwar sehe §69 Abs1 Satz 1 ASVG die Rückforderung "ungebührlich entrichteter Beiträge" vor, doch sei gemäß §69 Abs2 Satz 1 ASVG die Rückforderung von Beiträgen, "durch welche eine Formalversicherung begründet wurde, sowie von Beiträgen zu einer Versicherung, aus welcher innerhalb des Zeitraums, für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden sind, eine Leistung erbracht wurde," für den gesamten Zeitraum ausgeschlossen.

Auch wenn viele der FH-Lektoren bereits sozialversichert seien, sei mit Sicherheit anzunehmen, daß eine gewisse Zahl von ihnen Versicherungsleistungen nach dem ASVG - basierend auf dieser Lektorentätigkeit - in Anspruch nehmen werde; dies führe aber dazu, daß zu Ungebühr entrichtete Beträge nicht vollständig rückerstattet würden.

Es sei überdies genauso rechtlich "unzumutbar", die Anmeldung der Lektoren beim zuständigen Krankenversicherungsträger zu unterlassen, da das ASVG dafür Sanktionen vorsehe, die nicht "zumutbar" im Sinne der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Antragslegitimation für Individualanträge seien.

4. Im weiteren wird - mit näherer Begründung - die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen dargelegt.

5. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie primär die Zurückweisung der Anträge begehrt. Hiezu führt sie (u.a.) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes aus, daß es eine "grundlegende und unabdingbare Voraussetzung" für die Antragslegitimation sei, "dass das angefochtene Gesetz die Rechtssphäre der Antragsteller berührt und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Anfechtungsberechtigt ist daher von vornherein nur jemand, gegen den sich das anzufechtende Gesetz wendet, der diesem gegenüber also Normadressat ist." Die antragstellenden Parteien seien allerdings gar nicht Normadressat des §25 Abs1 Z5 EStG 1988, wende sich dieser doch lediglich an "Vortragende, Lehrende und Unterrichtende". Nur für diese ergäben sich unmittelbar aus §25 Abs1 Z5 EStG 1988 Rechtswirkungen. Die antragstellenden Parteien gehörten aber keiner der genannten Berufsgruppen an, sondern beschäftigten lediglich Angehörige dieser Berufsgruppen.

Die beschriebenen Wirkungen für die Arbeitgeber ergäben sich dagegen aus "auf §25 EStG 1988 verweisende Normen, die die Antragsteller aber nicht angefochten" hätten. Nach Ansicht der Bundesregierung bestehe keine unmittelbare Betroffenheit der antragstellenden Parteien, weshalb die Anträge zurückzuweisen wären.

II. Die (in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen) Anträge erweisen sich aus folgenden Gründen als unzulässig:

1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt sei, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung stehe (z.B. VfSlg. 11.684/1988, 13.871/1994, 14.752/1997).

2. Der Gerichtshof teilt nicht die Auffassung der Bundesregierung, die antragstellenden Parteien seien durch die (primär) angefochtene Wortfolge im ersten Satz des §25 Abs1 Z5 EStG 1988 nicht unmittelbar betroffen. Wenn §47 Abs1 EStG 1988 anordnet, daß bei allen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des §25 leg.cit. die Lohnsteuer im Abzugsweg zu erheben ist, wobei §47 Abs2 EStG 1988 normiert, daß ein Dienstverhältnis (u.a.) bei Personen anzunehmen ist, welche Bezüge gemäß §25 Abs1 Z4 und 5 leg.cit. beziehen, und §82 leg.cit. diese Abfuhrverpflichtung unter Haftungsandrohung dem Arbeitgeber auferlegt, diesen auch für Verletzungen der Abfuhrverpflichtung primär verantwortlich macht, dann ist der Arbeitgeber durch jede Ausweitung des sachlichen oder persönlichen Geltungsbereiches des §25 leg.cit. selbst unmittelbar betroffen. Es kann nämlich keinen Unterschied machen, ob das geschilderte Regelungssystem vom Gesetzgeber in einer Norm zusammengefaßt würde (in welchem Fall an der unmittelbaren Betroffenheit kein Zweifel bestehen könnte) oder ob es - wie derzeit - aus rechtstechnischen Erwägungen auf mehrere Normen aufgeteilt wird. Nichts anderes gilt aber auch hinsichtlich der aus dem ASVG abzuleitenden Verpflichtungen des Arbeitgebers im Hinblick auf Einkünfte, deren Umfang sich aus §25 EStG 1988 ergibt.

3. Ungeachtet dessen sind die Anträge jedoch unzulässig, weil den antragstellenden Parteien ein anderer - zumutbarer - Weg offensteht bzw. -stand, die behauptete Verfassungswidrigkeit der oben näher bezeichneten Gesetzesbestimmungen an den Gerichtshof heranzutragen:

Nach §410 Abs1 ASVG hat der Versicherungsträger einen Bescheid insbesondere (u.a.) dann zu erlassen, wenn der Versicherte oder der Dienstgeber die Bescheiderteilung zur Feststellung der sich für ihn aus diesem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten verlangt (Z7). In diesen Fällen ist gemäß Abs2 leg.cit. über den Antrag des Dienstgebers ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach Einlangen des Antrages, der Bescheid zu erlassen. Die von den antragstellenden Parteien aufgezeigten Folgen einer Formalversicherung (Beschränkung des Rückforderungsanspruches nach §69 Abs2 ASVG) hätten von ihnen somit durch eine Meldung unter Vorbehalt und einem Bescheidverlangen nach §410 ASVG vermieden werden können. Im übrigen haben die antragstellenden Parteien derartige Konsequenzen ja selbst dadurch vermieden, daß sie nach ihren eigenen Angaben die Meldung an die Sozialversicherung und die Abfuhr von Beiträgen überhaupt unterlassen haben. Der Gerichtshof braucht sich daher nicht mit der Frage zu beschäftigen, ob die Einschränkung des Rückforderungsanspruches in §69 Abs2 ASVG überhaupt geeignet wäre, eine unmittelbare Betroffenheit der antragstellenden Parteien zu bewirken.

Hinsichtlich der Lohnsteuerabfuhrverpflichtung ist darauf hinzuweisen, daß die antragstellenden Parteien die Möglichkeit haben, entweder (im Falle bereits erfolgter Abfuhr) im Wege eines Rückzahlungsantrages oder aber durch Unterlassung der Steuerabfuhr bei gleichzeitiger Offenlegung gegenüber der Abgabenbehörde eine bescheidmäßige Abgabenfestsetzung nach §201 (iVm §202) BAO zu erwirken (vgl. dazu die hg. Beschlüsse VfSlg. 13.105/1992 sowie G69/01, G70/01, vom 15. Juni 2001; ferner Stoll, BAO - Kommentar, 2480). Da die antragstellenden Parteien diesen Weg einschlagen können, ohne sich der Gefahr einer finanzstrafrechtlichen Verfolgung auszusetzen (vgl. §49 Abs1 lita FinStrG), ist dieser Weg zumutbar (vgl. hiezu wiederum den eben zitierten hg. Beschluß vom 15. Juni 2001).

4. Die antragstellenden Parteien haben somit die Möglichkeit, schließlich auch einen letztinstanzlichen Bescheid zu erwirken, in dem über die Abfuhrpflicht dem Grunde nach abgesprochen wird. Gegen einen derartigen Bescheid könnten sie in der Folge eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erheben und auf diesem Wege ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die von ihnen angefochtenen Gesetzesbestimmungen anders als im Wege des - bloß als subsidiären Rechtsbehelf ausgestalteten - Individualantrages an den Verfassungsgerichtshof herantragen.

III. Die Anträge waren daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

Einkommensteuer, Lohnsteuer, VfGH / Individualantrag, Sozialversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G335.2001

Dokumentnummer

JFT_09979687_01G00335_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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