TE Vwgh Erkenntnis 2006/9/21 2002/15/0113

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Veröffentlicht am 21.09.2006
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §24 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der E in S, vertreten durch Dr. Michael Wittek-Jochums, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Moosstraße 58c, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat I) vom 4. April 2002, GZ. RV408/1-7/01, RV449/1-7/01, betreffend Einkommensteuer für 1998 und 1999, nach durchgeführter mündlicher Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerdeführerin, Rechtsanwalt Dr. Michael Wittek-Jochums, und des Mag. Johann Adametz als Vertreter des Finanzamtes Salzburg-Stadt, welches nach § 17a Abs. 1 AVOG die Aufgaben der belangten Behörde wahrzunehmen hat, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 2.410,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betrieb im Streitjahr 1998 ein in den Jahren vor dem Streitzeitraum von einer GesbR betriebenes Geschäft in der Altstadt von Salzburg noch einige Monate bis zur Betriebsaufgabe als Einzelunternehmen weiter und ermittelte ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG 1988.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 1998 erklärte sie einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 72.635 S. Aus den u.a. eine Bilanz zum 30. April 1998 enthaltenden Beilagen zur Einkommensteuererklärung ist ersichtlich, dass sie den erklärten Verlust aus einem "Bilanzverlust" von 81.145 S und einem "Aufgabegewinn per 30.4.1998" von 58.510 S, von dem sie einen "Freibetrag 1/2 Anteil" von 50.000 S abziehe, errechnet hatte. Dem "Aufgabegewinn" von 58.510 S liege u.a. ein Entnahmewert eines Hälfteanteiles an einem "Geschäftsgebäude" in der K.-Gasse in Höhe von 52.000 S zu Grunde.

Das Finanzamt veranlagte die Beschwerdeführerin zur Einkommensteuer 1998 zunächst erklärungsgemäß.

In seinem Bericht vom 12. April 2000 über eine bei der Beschwerdeführerin durchgeführte Betriebsprüfung führte der Prüfer aus, der Aufgabegewinn für den Betrieb betrage 1,006.510 S, wovon 1,000.000 S auf den Entnahmewert des Gebäudes entfielen. Dieser Aufgabegewinn werde lt. Antrag auf drei Jahre gleichmäßig verteilt, weshalb er im Veranlagungsjahr 1998 mit dem Betrag von 335.503 S zu versteuern sei.

Das Finanzamt erließ nach Wiederaufnahme des Verfahrens einen neuen, insoweit dem Prüferbericht folgenden Einkommensteuerbescheid für 1998 und ging von Einkünften aus Gewerbebetrieb von 254.358 S aus.

Die Beschwerdeführerin berief gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 und wandte sich gegen den Ansatz von 1,000.000 S als Aufgabegewinn. Sie beantrage, als Aufgabegewinn den Betrag von 500.000 S anzusetzen. In diesem Betrag sei ein Gebäudeanteil in Höhe von 62.400 S laut Gutachten des Dipl.- Ing. L. enthalten. Die Betriebsprüfung habe einem 26 m2 großen Geschäftslokal einen Gebäudewert von 2,000.000 S unterstellt. Beim Ansatz dieses Wertes sei nicht berücksichtigt worden, dass der wesentliche Teil auf den Grund und Boden und nicht auf den reinen Gebäudewert entfalle. Der in Frage stehende Gebäudeteil betreffe ein altes Gebäude, das im Zusammenhang mit dem Neubau durch die Z. AG nicht erneuert worden sei. Vielmehr sei das neue Gebäude um das alte "gestülpt" worden. Das in Frage stehende Geschäftslokal verfüge über kein WC.

In einer Ergänzung der Berufung übermittelte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt das Gutachten des Immobiliensachverständigen K., welches bei der Bewertung des Verkehrswertes des Hälfteanteiles der Liegenschaft auf einen Betrag von 1,897.000 S komme. Dieser Wert sei auf den Wert für Grund und Boden und auf den Gebäudewert aufzuteilen. Der Sachwert der Liegenschaft stelle sich wie folgt dar:

Bauzeitwert 125.000 S 8 %

Wert für Grund und Boden 1,436.000 S 92 % Entsprechend dem Ergebnis des Gutachtens sei der Verkehrswert

nun auf den Gebäudewert und auf den Wert des Grund und Bodens aufzuteilen:

reiner Gebäudewert 151.760 S 8 % Wert für Grund und Boden 1,745.240 S 92 %

Das Finanzamt entschied über die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 mit Berufungsvorentscheidung, änderte den Bescheid in dem vor dem Verwaltungsgerichtshof strittigen Punkt ab, und nahm die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nunmehr mit 449.025 S an. In der Begründung führte das Finanzamt aus, strittig sei einzig der gemeine Wert des Gebäudeteiles K.-Gasse zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe 1998. Die Beschwerdeführerin habe im Berufungsverfahren zunächst den Ansatz eines Gebäudewertes von 62.400 S und in einer Berufungsergänzung, der das Gutachten eines gerichtlich beeideten Gutachters beigelegt sei, den Ansatz eines Gebäudewertes von 151.760 S beantragt. Dieser Gutachter ermittle einen Bodenwertanteil in Höhe von 42,5 % gemäß der Lageklassenmethode nach Naegeli, dem die Behörde zustimme. Völlig unbegründet und nicht nachvollziehbar erscheine jedoch die vom Gutachter angestellte Aufteilung. Er gewichte zum Beispiel die Räumlichkeiten im Gebäude nach Stockwerkslage und bewerte zum Beispiel Erdgeschossräumlichkeiten mit dem Fünffachen. Dies würde bedeuten, dass der Grundanteil eines Erdgeschossgeschäfts mehr wert sei als der Grundanteil einer Räumlichkeit in oberen Stockwerken, was jeder Logik entbehre. Von einer Gewichtung nach Stockwerken sei bei der Lageklassenmethode nach Naegeli nirgends die Rede.

Ausgehend von diesen Überlegungen übernahm das Finanzamt den vom Gutachter K. ermittelten Gesamtbodenwert in Höhe von 27,315.523,02 S, ermittelte den Sachwert des Grundanteiles des Geschäftslokals jedoch mit 521.825 S für 26 m2 des insgesamt

1.361 m2 Nutzfläche umfassenden Gebäudes.

Zum Sachwert des Gebäudes führte das Finanzamt aus, dem steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin sei schon während des Berufungsverfahrens mitgeteilt worden, dass die Sachwertberechnung des Gutachtens von Dipl.-Ing. L. nicht übernommen und die Sachwertberechnung des Finanzamts übermittelt werde. Darauf sei in der Berufung mit keinem Satz eingegangen worden. Es würden aber die Einwände, die bei der Betriebsprüfung vorgebracht worden seien, wie etwa, dass es sich wertmindernd auswirke, dass das Objekt über kein WC verfüge, berücksichtigt. Der Sachwert erfahre dadurch eine geringfügige Änderung.

Den "Bauzeitwert" des Gebäudes ermittelte das Finanzamt sodann aus geschätzten Neubaukosten in Höhe von 26.181 S/m2, nach einem 33 %-igen "Abschlag laut Gutachten Dipl.-Ing. L.", und einem Abzug von 26,7 % für die Alterswertminderung mit 12.793,78 S/m2 und ermittelte daraus einen Bauzeitwert für das 26 m2 umfassende Lokal in Höhe von 332.638,33 S.

Der Ertragswert der in Rede stehenden Liegenschaft in Höhe von 4,890.000 S werde nicht angezweifelt. Auch die "Gewichtung des Ertrags- zum Sachwert" im Verhältnis 5:1 werde übernommen, sodass sich der Verkehrswert der Liegenschaft mit gerundet 4,217.000 S erreche, wovon 2,108.500 S auf den Hälfteanteil entfielen. Nach einem "Abschlag 12,5 % lt. Gutachten" errechne sich dieser Hälfteanteil des Verkehrswertes mit 1,844.937 S, und weiche damit nur geringfügig von dem in dem vorgelegten Gutachten ermittelten (1,897.000 S) ab. Die Beschwerdeführerin scheide von diesem Verkehrswert jedoch "einen Gebäudeanteil" (gemeint wohl: Grundanteil) von 92 % aus. Dass dies bei einem Grundstück in der Salzburger Altstadt, wo der nackte Grund schon allein aus Denkmalschutzgründen vollkommen unveräußerbar sei, gänzlich an der Realität vorbeigehe, bedürfe keiner Erläuterung. Nach Ansicht des Finanzamts sei der vom Gutachter errechnete Grundwert in Höhe von 260.913 S auszuscheiden, weshalb sich der Entnahmewert des Gebäudes mit gerundet 1,584.000 S errechne.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Diesem Antrag legte sie ein nicht unterfertigtes Gutachten des Univ.-Prof. Dr. W. bei. Dieses Gutachten ging davon aus, dass der Verkehrswert der Liegenschaftshälfte, den der Gutachter K. ermittelt hatte (1,897.000 S), und der Verkehrswert, den das Finanzamt ermittelt hatte (1,844.937 S) nur geringfügig voneinander abwichen. Strittig sei allein die Verteilung dieses Betrages auf Grund und Boden einerseits und auf das Gebäude andererseits. Als Wert von Grund und Boden zog das Gutachten des Univ. Prof. Dr. W. den vom Gutachter K. ermittelten Wert in Höhe von 1,436.000 S heran, weil dieser nach Maßgabe der von diesem Sachverständigen herangezogenen Lageklassenbewertung vorgenommenen Wertermittlung nachvollziehbar sei und auch von der Behörde nicht in Frage gestellt werde. Bei der Aufteilung des Verkehrswertes auf das Gebäude einerseits und Grund und Boden andererseits gehe das Finanzamt allerdings von dem von der Betriebsprüfung ermittelten Sachwert des Gebäudes in Höhe von 332.638 S aus, während der Gutachter K. den vom Gutachter Dipl.-Ing. L. ermittelten Wert in Höhe von 125.000 S übernommen habe. Diese Differenz werde nicht begründet, insbesondere fehlten Aussagen darüber, warum der Wertberechnung der Betriebsprüfung der Vorzug gegenüber jener des Sachverständigen zu geben sei. Entgegenzutreten sei dem Finanzamt auch, wenn es von einer Unveräußerlichkeit von nacktem Grund und Boden in der Salzburger Altstadt ausgehe. Nachdem beide Werte auf nicht nachprüfbaren Annahmen beruhten, erscheine das arithmetische Mittel dieser beiden Werte, 228.819 S, nicht unsachlich zu sein. In weiterer Folge teilte das Gutachten den Entnahmewert in Höhe von 1,897.000 S im Verhältnis der Sachwerte von Grund und Boden (1,436.000 S) und Gebäude (228.819 S), also 86,30 zu 13,70 auf, und ermittelte den Entnahmewert des Gebäudes auf diese Weise mit

259.889 S.

In ihrer Einkommensteuererklärung 1999 erklärte die Beschwerdeführerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von

530.170 S. Das Finanzamt veranlagte die Beschwerdeführerin zur Einkommensteuer 1999 erklärungsgemäß.

Die Beschwerdeführerin berief gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 mit der Begründung, dass in diesem Bescheid Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 530.170 S als Einkünfte enthalten seien. Diese Einkünfte seien auf die Betriebsaufgabe im Jahre 1998 zurückzuführen. Gegen die steuerliche Behandlung dieser Betriebsaufgabe sei ein Vorlageantrag an die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt worden, bei dessen positiver Erledigung keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Jahre 1999 anfallen würden.

Das Finanzamt entschied über diese Berufung mit Berufungsvorentscheidung und änderte den Einkommensteuerbescheid 1999 in einem hier nicht interessierenden Punkt ab, ohne von einem anderen Betrag an Einkünften aus Gewerbebetrieb auszugehen.

Die Beschwerdeführerin beantragte auch hinsichtlich der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 teilweise Folge und ging von Einkünften aus Gewerbebetrieb von 245.905 S (1998) und 327.050 S (1999) aus. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Berufungsvorbringen führte die belangte Behörde aus, das Gutachten des Immobiliensachverständigen K. weise zwei Hauptfehler auf. Erstens sei zur Berechnung des Wertes von Grund und Boden zwar die Lageklassenmethode nach Naegeli angewendet worden, bei der Auswahl der Lageklassen habe man allerdings nicht die tatsächliche Situation berücksichtigt und sei davon ausgegangen, dass es sich um ein drei bis sechsgeschoßiges Gebäude handle. Zweitens sei der Sachwert des Gebäudes ohne Berücksichtigung der durch die Lageklassenmethode gewonnenen Erkenntnisse aus einem anderen Gutachten (von Dipl. Ing. L.) übernommen worden. Man habe der Berechnung des Wertes von Grund und Boden Neubaukosten von 5.042 S/m3 zu Grunde gelegt, wobei im Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. L. von Neubaukosten in Höhe von 18.000 S/m2 ausgegangen worden sei.

Das Gebäude in der K.-Gasse stelle eine grundbücherliche Besonderheit dar. Die Einlagezahl 22 betreffe nur das ebenerdige Objekt mit einer Gesamtfläche von 26 m2. Diese Grundfläche sei seit mehreren Jahrzehnten von einem anderen Gebäude mit einer anderen Einlagezahl überbaut. Mit diesen Kritikpunkten sei die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren konfrontiert worden.

In weiterer Folge ermittelte die belangte Behörde den Entnahmewert des Gebäudes wie folgt: Da die Differenzmethode nur zur Anwendung gelangen könne, wenn der Wert von Grund und Boden unbedenklich festgestellt werden könne, komme im Beschwerdefall nur die Methode des Sachwertverhältnisses in Frage. Dabei werde der Verkehrswert der gesamten Liegenschaft ermittelt und auf seine beiden Komponenten (Gebäude sowie Grund und Boden) nach dem Sachwertverhältnis aufgeteilt. Der Verkehrswert setze sich aus dem Ertragswert und dem Sachwert zusammen.

Der Sachwert von Grund und Boden könne durch die Vergleichswertmethode oder durch die Lageklassenmethode nach Naegeli ermittelt werden. Die Vergleichswertmethode sei aber mangels Vergleichswerten im Beschwerdefall nicht anwendbar. Die Lageklassenmethode beruhe auf der Erkenntnis, dass der Wert des Baulandes in einer ganz bestimmten Relation zum Gesamtwert der Liegenschaft und zum Mietertrag stehe.

Nach Ansicht der belangten Behörde seien für das streitgegenständliche Objekt folgende Zuordnungen vorzunehmen:

"Allgemeine Situation

Beste Geschäftslagen in mittelgroßen Städten

Klasse: 6

Nutzungsintensität

Geringe Nutzung, 1-bis 2 geschossige Bauten ohne Komfort, nicht unterkellert

Klasse: 1

Verkehrsrelation zur Großstadt

Knotenpunkte der öffentlichen Verkehrsmittel in der City

Klasse: 7

Wohnsektor

entfällt

Gewerbe, Büros, Verkauf

Spezialgeschäfte, Bars, Kioske etc.

Klasse: 6

 

Summe: 20"

20 Punkte durch vier Positionen ergebe die Lageklasse 5. Dementsprechend betrage der Bodenanteil laut Landwertprozenttabelle 31,3 %. Zur Errechnung des Neubauwertes könne der vom Gutachter Dipl.-Ing. L. herangezogene Wert von 18.000 S/m2 genommen werden, sodass der Neubauwert 468.000 S betrage (Anmerkung: 68,7 %). Der Sachwert von Grund und Boden ermittle sich daraus mit 213.000 S (31,3 %).

Zur Ermittlung des Sachzeitwertes des Gebäudes weise das Gutachten des Dipl.-Ing. L. bei den vorgenommenen Abschlägen Fehler auf. Bei dem geschätzten Neubaupreis von 18.000 S/m2 und der Berücksichtigung der baulichen Besonderheiten des Objektes (eingeschossiger Bau in der Größe von 26 m2) erscheine ein Bauzustandsabschlag von 15 % angemessen. Die Alterswertminderung ergebe sich unter Zugrundelegung einer 50-jährigen Restnutzungsdauer mit 38 %. Daraus ergebe sich ein "Zeit/Sachwert Gebäude" von 246.600 S und ein Sachwertverhältnis von 246.600 S (53,66 %) für das Gebäude zu 213.000 S (46,34 %) für Grund und Boden.

Als Ertragswert werde der vom Gutachter K. ermittelte Wert in Höhe von 4,890.000 S übernommen, weil eine vorgenommene Neuberechnung nur zu einem geringfügig höheren Ertragswert geführt habe. Wie Naegeli/Hungerbühler in ihrem Buch "Handbuch des Liegenschaftsschätzers" ausführten, seien Ertragswert und Sachwert bei der Verkehrswertberechnung, je nach Abweichung des Sachwertes vom Ertragswert, zu gewichten. Weiche der Sachwert vom Ertragswert um 40 % oder mehr ab, so seien diese beiden Werte im Verhältnis 1:5 zu gewichten. Daraus ergebe sich ein Verkehrswert der Liegenschaft von 4,151.600 S und, nach Aufteilung und Abschlag von 12,5 % wegen Hälfteeigentums, ein Verkehrswert von 1,816.325 S für den Hälfteanteil der Beschwerdeführerin.

Dieser Verkehrswert sei nach dem Verhältnis der Sachwerte auf Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits im Verhältnis 46,34 % (Grund und Boden) zu 53,66 % (Gebäude) aufzuteilen. Der "Entnahmewert" (Verkehrswert) des Gebäudes errechne sich so mit

974.640 S. Der Aufgabegewinn betrage (nach Hinzurechnung des "Entnahmewertes" eines Computers und eines Fahrzeuges und Abzug der Buchwerte) 981.150 S, und sei auf Antrag auf drei Jahre zu verteilen.

Über die dagegen erhobene Beschwerde wurde am 21. September 2006 gemäß § 39 Abs. 1 Z 2 VwGG eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof durchgeführt.

Der Vertreter der Beschwerdeführerin führte darin im Wesentlichen aus, die Besonderheit bestehe darin, dass sich "seinerzeit" die Eigentümer der in Rede stehenden Liegenschaft und der Nachbarliegenschaft nicht hätten einigen können, ein "gemeinsames" Gebäude neu zu errichten, weshalb das in Rede stehende ebenerdige Gebäude mit 26 m2 Grundfläche samt altem Mauerwerk unberührt gelassen worden sei und man über das gesamte Nachbargrundstück und über das in Rede stehende kleine Geschäftslokal ein Gebäude errichtet habe, welches mit großem Aufwand seitlich abgestützt worden sei und über das in Rede stehende Geschäftslokal eine Bodenplatte gezogen worden sei. Es handle sich bautechnisch um zwei voneinander getrennte Gebäude, rechtlich um zwei Gebäude und zwei Liegenschaften.

Zur angewandten Methode führte er aus, dass ein Vergleich insoweit schwer möglich sei, als in der Altstadt von Salzburg kein unbebauter Grund und Boden zu kaufen sei, dass allerdings zwei Verkäufe bebauter Liegenschaften stattgefunden hätten, die hätten herangezogen werden können. Der Wert der in Rede stehenden Liegenschaft mit einem Gebäude von 26 m2 Grundfläche, nur mit einer Wasserstelle ohne Kanal, Heizung oder Kamin, liege ausschließlich in Grund und Boden. Der Wert eines Betriebes aus den zu erwartenden höheren Einnahmen bei der zentralen Lage dieses Betriebes ergebe sich nicht aus der besonderen Gebäudequalität, sondern aus der "Qualität" des Grund und Bodens.

Der für die belangte Behörde erschienene Vertreter führte im Wesentlichen aus, das von der belangten Behörde herangezogene Verfahren nach Naegeli, wonach sich nach bestimmten Kriterien das Verhältnis von Gebäude- und Bodenwert abhängig von der Lage immer gleich gestalte, sei schlüssig. Dieses Verfahren sei auch von der deutschen Bewertungsliteratur aufgegriffen worden. Dieses Verfahren gehe davon aus, dass ein Gebäude grundsätzlich einen höheren Wert aufweise, wenn es in einer besseren Lage stehe. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe jüngst im Erkenntnis vom 6. Juli 2006, 2002/15/0175, bei der Aufteilung eines Kaufpreises einer Liegenschaft auf Grund und Boden einerseits und auf stehendes Holz andererseits ausgesprochen, dass die Aufteilung nach der Verhältnismethode zu erfolgen habe. Das Verfahren nach Neageli beinhalte eine Verhältnismethode. Sie basiere auf Untersuchungen von Schätzungen seit den 50er-Jahren des vorigen Jahrhunderts und sei zu Beginn der 70er-Jahre von Ross/Brachmann übernommen worden, welche diese Methode auch für deutsche Verhältnisse untersucht hätten. Zu den ihm vom Gerichtshof vorgehaltenen Unterschieden der Ergebnisse (Prozentsätze) von Naegeli und Ross/Brachmann äußerte sich der für die belangte Behörde erschienene Vertreter, dass es bei zwei Gutachtern eine Schwankungsbreite von 20 % gebe. Die Frage des Gerichtshofes nach der sog. "Bauträgermethode" beantwortete er, dass es sich dabei um eine Differenzmethode handle, welche nicht der Rechtsprechung des Gerichtshofes entspreche.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören nach § 23 Z 3 EStG 1988 auch die Veräußerungsgewinne im Sinne des § 24.

Veräußerungsgewinne sind nach § 24 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 unter anderem Gewinne, die bei der Aufgabe eines Betriebes erzielt werden. Der Veräußerungsgewinn ist gemäß § 24 Abs. 2 leg. cit. jener Betrag, um den der Veräußerungserlös nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt. Dieser Gewinn ist nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG 1988 zu ermitteln. Werden die Wirtschaftsgüter nicht veräußert, so ist nach § 24 Abs. 3 EStG 1988 der gemeine Wert im Zeitpunkt ihrer Überführung ins Privatvermögen anzusetzen.

Nach § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG 1988 sind Gewinne oder Verluste aus der Veräußerung oder Entnahme und sonstige Wertänderungen von Grund und Boden, der zum Anlagevermögen gehört, nicht zu berücksichtigen.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in Ausführung des Beschwerdepunktes in ihrem Recht verletzt, dass "der Entnahmegewinn" für das Betriebsgebäude gemäß § 24 Abs. 3 EStG unzutreffend ermittelt und in der Folge - entgegen der Vorschrift des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG - auch die Werterhöhung beim Grund und Boden steuerlich erfasst" worden sei.

Bei der Überführung des Hälfteanteiles an der bebauten Liegenschaft in das Privatvermögen anlässlich der Betriebsaufgabe ist im Beschwerdefall somit der auf das Gebäude entfallende Teil des gemeinen Wertes des Hälfteanteiles an der Liegenschaft als steuerbarer Entnahmegewinn von dem auf Grund und Boden entfallenden nicht steuerbaren Teil des gemeinen Wertes des Hälfteanteiles an der Liegenschaft abzugrenzen.

Kein Streit besteht zwischen der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin über die Höhe des Verkehrswertes (unbestritten als gemeiner Wert iSd § 24 Abs. 3 EStG 1988; siehe auch das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, 89/14/0089) des Hälfteanteils an der Liegenschaft. Diesen nahm die belangte Behörde auf Grund ihrer Berechnung mit 1,816.325 S an, die Beschwerdeführerin geht in der Beschwerde sogar von einem höheren Betrag aus, nämlich von dem von den Gutachtern K. und Dr. W. ihren Gutachten jeweils zu Grunde gelegten Betrag von 1,897.000 S.

Strittig sind im Beschwerdefall die Anteile von Grund und Boden einerseits und des Gebäudes andererseits am gemeinen Wert des Hälfteanteiles an der Liegenschaft.

Die belangte Behörde ging bei der Ermittlung dieser Anteile in folgenden Schritten vor:

1. Festlegung des Verhältnisses Bodenanteil zu Gebäudeneuwert am Sachwert mit Hilfe des "Lageklassenschlüssels" von Naegeli. Dabei gelangte die belangte Behörde bei einer Lageklasse 5 zu einem Verhältnis von 31,3 : 68,7.

2. Ermittlung des Gebäudeneuwertes. Dabei übernahm die belangte Behörde den vom Gutachter Dipl. Ing. L. zu Grunde gelegten Neubauwert von 18.000 S je m2 und errechnete den Neubauwert für das 26 m2 große Geschäftslokal mit 468.000 S.

3. Daraus errechnete die belangte Behörde aus dem unter 1. gefundenen Verhältnis einen Bodenanteil am Sachwert von 213.000 S.

4. Ermittlung des Gebäudezeitwertes. Dazu nahm die belangte Behörde vom (fiktiven) Gebäudeneuwert Abschläge für den Bauzustand von 15 % und für eine Alterswertminderung von 38 % vor und gelangte zu einem Gebäudezeitsachwert von 246.600 S.

5. Ermittlung des Sachwertverhältnisses Bodenanteil zu Gebäudezeitwert. Die belangte Behörde kam bei einem Sachwert von 459.600 S (246.600 S + 213.000 S) zu einem Verhältnis der Sachwerte von 246.600 S : 213.000 S, sohin zu einem Verhältnis von 53,66 : 46,34.

6. Ermittlung des Verkehrswertes der Liegenschaft: Die belangte Behörde ging von dem vom Gutachter K. angenommenen Ertragswert von 4.890.000 S und von dem von ihr ermittelten Sachwert von 459.600 S aus und errechnete daraus mit unterschiedlicher Gewichtung der beiden Werte und einem - in Übereinstimmung mit dem Gutachter K. in Höhe von 12,5 % angesetzten - Abschlag auf Grund des Hälfteanteiles einen Verkehrswert des Hälfteanteiles von 1,816.325 S.

7. Aus dem von ihr ermittelten Sachwertverhältnis (53,66 : 46,34) errechnete die belangte Behörde den Anteil des Gebäudes am unter Punkt 6. ermittelten Verkehrswert mit 974.640 S (53,66 %).

Der Vorgangsweise der belangten Behörde liegt die sogenannte "Landwertberechnung nach Lageklassen" zu Grunde, wie sie in Naegeli/Hungerbühler, Handbuch des Liegenschaften-Schätzers3, Zürich, 1988, Seiten 43ff, dargelegt ist. Diese Methode beruht auf (z. T. Jahrzehnte zurückliegenden) statistischen Erhebungen in der Schweiz, welche die Autoren zu einem "Lageklassenschlüssel" (aaO, 49) führen, der Liegenschaften im Wesentlichen nach sechs Merkmalen (Allgemeine Situation, Verkehrsrelation, Nutzungsintensität/Ausbaustandard, Wohnsektor, Handels- und Dienstleistungssektor, Industrie) in so genannte "Lageklassen" einteilt und für jede Lageklasse einen bestimmten Prozentwert des "Landwertanteiles" (also Bodenwertanteiles) ergibt.

Auch für Deutschland findet die "Lageklassenmethode" nach Naegeli in der Literatur Erwähnung, wobei allerdings - wohl auf Grund anderer statistischer Grunddaten und Gegebenheiten - die Prozentwerte des Bodenwertanteils in Deutschland zT erheblich unter den von Naegeli/Hungerbühler für die Schweiz angeführten liegen (vgl. etwa Ross/Brachmann/Holzner, Ermittlung des Bauwertes von Gebäuden und des Verkehrswertes von Grundstücken27, Hannover 1993, S. 72).

Indem die belangte Behörde ihrer Ermittlung des Gebäudeanteiles am gemeinen Wert der Liegenschaftshälfte die "Lageklassenmethode" nach Naegeli und die für die Schweiz angeführten Prozentsätze des "Landwertanteils" (Bodenwertanteils) herangezogen und ohne weitere Ermittlungen und Erläuterungen auf die Verhältnisse in der Stadt Salzburg angewandt hat, hat sie keine schlüssige Begründung des angefochtenen Bescheid geboten (vgl. zur unzulässigen Übernahme von Werten aus statistischen Erhebungen im Ausland auf die Verhältnisse in Österreich das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1994, 91/14/0098).

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ausführungen der belangten Behörde zutreffen, dass mangels Grundverkäufen die Vergleichsmethode nicht anwendbar sei - wobei der Vertreter der Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof demgegenüber zwei Grundverkäufe vorgebracht hat. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nämlich nicht erläutert, weshalb sie nicht eine anerkannte andere Methode angewandt hat.

Die sog. "Bauträgermethode" bzw. die Rückrechnung des Bodenwertes aus dem Ertrag, das sog. Residualverfahren (vgl. Ross/Brachmann/Holzner, aaO, S. 54 und insb. S. 73ff) blieben von der belangten Behörde unberücksichtigt.

Soweit der für die belangte Behörde erschienene Vertreter in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof eingewendet hat, diese Art der Differenzmethode sei vom Gerichtshof nicht gebilligt worden, ist festzuhalten, dass der Gerichtshof die sog. Differenzmethode (Ermittlung des Gebäudeanteiles am Verkaufspreis durch Abzug des Verkehrswertes von Grund und Boden) tatsächlich für jene Fälle als nicht anwendbar erklärt hat, in denen ein Verkaufspreis einer Liegenschaft nicht dem Verkehrswert der (gesamten) Liegenschaft entspricht (vgl. etwa das erwähnte hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1994, 91/14/0098, mwN). In diesen Fällen ist nach der Methode der Aufteilung nach den Sachwertverhältnissen vorzugehen, welche der Gerichtshof beispielsweise auch in dem vom Vertreter der belangten Behörde in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof erwähnten Erkenntnis vom 6. Juli 2006, 2002/15/0175, als zutreffend erachtet hat. Allein im Beschwerdefall ist kein - allenfalls vom Verkehrswert abweichender - Verkaufspreis, sondern eben der Verkehrswert aufzuteilen.

Gerade für die dem Beschwerdefall insoweit vergleichbaren Fälle, in denen der Verkaufspreis dem Verkehrswert entspricht und dieser Wert oder der Verkehrswert selbst auf Grund und Boden einerseits und Gebäudeanteil andererseits aufzuteilen ist, hat der Gerichtshof die Differenzmethode für zulässig erachtet (vgl. insbesondere etwa das die Entnahme einer Liegenschaft betreffende hg. Erkenntnis vom 10. Juli 1996, 94/15/0044).

Auf die Verfahrensrüge, dass die belangte Behörde von der Sachzeitwertberechnung der beiden Gutachter Dipl.-Ing. L. und K., die beide den Sachwert des Gebäudes mit 125.000 S ansetzten, abgewichen sei, ohne sich mit der Begründung des Gutachters Dipl.- Ing. L. für die von ihm vorgenommenen Abschläge von den Neubaukosten auseinander zu setzen, brauchte im Beschwerdefall nicht mehr eingegangen werden.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. September 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2002150113.X00

Im RIS seit

05.12.2006

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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