TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/17 2006/11/0120

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Veröffentlicht am 17.10.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs3 Z8;
FSG 1997 §7 Abs4;
FSG 1997 §7;
StGB §202 Abs1;
StGB §43 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des F in E, vertreten durch Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Kirchengasse 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 29. Mai 2006, Zl. UVS 42.9-6/2006-4, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 3. März 2005 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten gemäß § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Dem Schuldspruch lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 2. September 2004 eine Minderjährige mit Gewalt zur Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt hatte, indem er sie mit seiner rechten Hand an beiden Handgelenken festhielt, sie mit seinem ganzen Körper gegen eine Wand drückte, seine linke Hand unter ihre Unterhose einführte und sie an der Scheide berührte sowie sie zu nötigen versucht hatte, indem er einen Finger in ihre Scheide einzuführen versuchte.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 10. Februar 2006 wurde dem Beschwerdeführer "gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1, 7 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 3 Z. 9 und Abs. 4, 25 Abs. 1 und Abs. 3 und 35 Abs. 1 des Führerscheingesetzes - FSG, Bundesgesetzblatt Nr. I/120/1997 in der derzeit geltenden Fassung" die Lenkberechtigung für die Dauer von acht Monaten, "gerechnet ab dem Tag der Rechtskraft dieses Bescheides", entzogen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid teilweise Folge, reduzierte die Entziehungszeit auf fünf Monate und wies im Übrigen die Berufung als unbegründet ab. Durch die genannte strafbare Handlung, deren Begehung auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung bindend feststehe, habe der Beschwerdeführer eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 9 FSG verwirklicht. Bei der Wertung dieser Tatsache sei gemäß § 7 Abs. 4 FSG deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurde, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Der Verwerflichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen Tat sei gegenüberzustellen, dass keine einschlägigen gerichtlichen Vorverurteilungen vorlägen und sich der Beschwerdeführer seither "wohlverhalten" habe. Auch sei zu berücksichtigen, dass "drei Viertel des verhängten Strafausmaßes" bedingt nachgesehen worden seien. Entgegen den Ausführungen in der Berufung sei "nicht davon auszugehen, dass der (Beschwerdeführer) gänzlich verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist". Deshalb sei "mit einer Entzugsdauer von fünf Monaten das Auslangen zu finden", was "den spezial- und auch generalpräventiven Überlegungen" entspreche.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes, (FSG) maßgebend:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(2) ...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

8. eine strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB begangen hat;

...

(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend...

...

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. ...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen..."

Der Beschwerdeführer wendet sich im Wesentlichen gegen die Annahme der belangten Behörde, er sei noch im Zeitpunkt ihrer Entscheidung für mindestens drei Monate verkehrsunzuverlässig gewesen; damit ist er im Recht:

Eine Entziehung der Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit (§ 7 FSG) ist zufolge § 25 Abs. 3 FSG nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde auf Grund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides mit Recht annehmen durfte, es liege Verkehrsunzuverlässigkeit vor und es werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten eintreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2002, Zl. 2001/11/0149).

Wird, wie im Beschwerdefall, die Entziehung der Lenkberechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit beginnend mit Rechtskraft des Entziehungsbescheides verfügt, muss Verkehrsunzuverlässigkeit des Betreffenden also noch zumindest für drei Monate ab Erlassung des Berufungsbescheides vorliegen, um rechtmäßig eine Entziehung aussprechen zu können.

Ausgehend vom Tatzeitpunkt (2. September 2004) ergäbe sich bis zum Ende der - von der belangten Behörde in ihrem am 16. Juni 2006 zugestellten Bescheid verfügten - fünfmonatigen Entziehungsdauer der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers eine angenommene Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers von mehr als 26 Monaten. Die von der belangten Behörde dargelegten Wertungskriterien können die angenommene Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit und damit die ausgesprochene Entziehungsdauer aber nicht tragen:

Auch wenn der Ansicht der belangten Behörde über die Verwerflichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat nicht zu widersprechen ist, muss bei deren Wertung doch die seither verstrichene Zeit und das Verhalten des Beschwerdeführers während dieser Zeit berücksichtigt werden. Im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde lag die vom Beschwerdeführer begangene Straftat mehr als 21 Monate zurück; dem Beschwerdeführer lag keine einschlägige Vorverurteilung zur Last, auch seither hat er sich den Feststellungen gemäß "wohlverhalten". Nicht unberücksichtigt bleiben kann auch, dass der Vollzug eines Teiles der Freiheitsstrafe von neun Monaten bedingt nachgesehen wurde (vgl. zur Bedeutung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB bei der im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG vorzunehmenden Wertung etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2006, Zl. 2003/11/0190).

Die belangte Behörde ist zwar nicht davon ausgegangen, "dass der (Beschwerdeführer) gänzlich verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist", hat aber nicht dargestellt, dass der Beschwerdeführer kraftfahrrechtlich relevante Verwaltungsstraftaten begangen hätte, die die Annahme der weiteren Verkehrsunzuverlässigkeit rechtfertigen könnten.

Auf der Basis der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen darf daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt ihrer Entscheidung und darüber hinaus noch für die Dauer von mindestens drei Monaten verkehrsunzuverlässig gewesen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 17. Oktober 2006

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006110120.X00

Im RIS seit

17.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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