TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/25 2003/15/0119

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Veröffentlicht am 25.10.2006
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §188;
BAO §303 Abs1 litb;
EStG 1988 §28;
UStG 1972 §12 Abs2 Z2 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde der Es A, des Mag. A, des Dr. B A, des Dr. R A und der El A, alle in Lieboch, vertreten durch Muhri & Werschitz, Partnerschaft von Rechtsanwälten in 8010 Graz, Neutorgasse 47, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 19. September 2003, GZ. RV/0014-G/02, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer und Feststellung von Einkünften für 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer schlossen am 17. April 1992 eine Vereinbarung über die Gründung einer Miteigentümergemeinschaft. Nach Punkt I der Vereinbarung sollten die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer hinsichtlich einer näher bezeichneten Wohnhausanlage das Anwartschaftsrecht an einer näher bezeichneten Wohnung erwerben und der Dritt- und Viertbeschwerdeführer sowie die Fünftbeschwerdeführerin sich "nach Art von atypischen stillen Gesellschaftern" beteiligen. Nach Punkt II der Vereinbarung habe der "langfristige Zweck des gemeinschaftlichen Ankaufs des Liegenschaftsanteils" in der Vermietung des Objektes gelegen.

Mit Bescheid vom 23. September 1998 setzte die Finanzlandesdirektion für Steiermark im Instanzenzug die Umsatzsteuer für 1994 mit Null fest und stellte die erzielten Einkünfte gemäß § 188 BAO mit Null fest. Eine Beteiligung als stille Gesellschafter oder nach Art eines stillen Gesellschafters sei nur im betrieblichen Bereich möglich. Der stille Gesellschafter sei kein Mitunternehmer, er sei nur am Gewinn beteiligt und beziehe, soweit die stille Beteiligung nicht zu einem Betriebsvermögen gehöre, Einkünfte aus Kapitalvermögen. Eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO finde im Falle einer stillen Beteiligung nicht statt. Eine Mitunternehmerschaft liege dann vor, wenn der stille Gesellschafter darüber hinaus auch noch an den stillen Reserven und am Firmenwert beteiligt sei. Der unechte stille Gesellschafter erziele betriebliche Einkünfte, welche gemäß § 188 BAO einheitlich und gesondert festgestellt würden. Im außerbetrieblichen Bereich und somit auch im Rahmen einer Vermögensverwaltung, wie sie unbestrittenermaßen "hier" vorliege, sei eine unechte stille Beteiligung nicht möglich. Davon ausgehend gelangte die Finanzlandesdirektion zur Auffassung, dass eine Konstruktion einer "atypisch stillen Beteiligung" oder einer "stillen Beteiligung nach Art eines atypisch stillen Gesellschafters" im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung "wie im vorliegenden Fall" zur Folge habe, dass die "Geschäftsherren" (die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer) einerseits und "Stille" (der Dritt- und Viertbeschwerdeführer und die Fünftbeschwerdeführerin) andererseits keine gemeinschaftlichen Einkünfte im Sinne des § 188 BAO erzielten.

Die Finanzlandesdirektion gelangte mit näherer Begründung auch zur Auffassung, dass auch für die Erstbeschwerdeführerin und den Zweitbeschwerdeführer, welche allein die Möglichkeit besessen hätten, über die Nutzung des Objektes zur Einkünfteerzielung zu entscheiden, keine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfolgen habe, weil es sich bei dem "berufungsgegenständlichen Mietobjekt" zweifellos um die gemeinsame eheliche Wohnung der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers handle. In umsatzsteuerlicher Hinsicht stellte die Finanzlandesdirektion fest, dass derartige Kosten, gestützt auf § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1972 auch nicht "im Wege abgezogener Vorsteuern" steuerlich geltend gemacht werden dürften.

Schließlich fügte die Finanzlandesdirektion noch an:

"Erwähnt sei auch noch, daß dem Senat die seitens der Bw behauptete 'langfristige Vermietungsabsicht' in Anbetracht der nunmehr offensichtlichen Verkaufsbemühungen in Bezug auf das verfahrensgegenständliche Mietobjekt nach Auszug der Ehegatten (Erstbeschwerdeführerin und Zweitbeschwerdeführer) aus der Wohnung (vgl. Vorlageantrag vom 22.5.1997 und zuletzt:

Vorhaltsbeantwortung vom 3.4.1998) als nicht glaubhaft erscheint."

     Dieser Bescheid der Finanzlandesdirektion wurde am

16. Dezember 1998 zugestellt.

     Am 18. Jänner 1999 langte beim Finanzamt ein Antrag auf

Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung von Einkünften und Veranlagung der Umsatzsteuer für 1994 und Folgejahre ein. Die Vermietung sei insbesondere deswegen nicht als solche anerkannt worden, weil die Finanzbehörde die Parteienabsicht der langfristigen Fremdvermietung bezweifelt habe. Zwischenzeitlich sei es jedoch gelungen, das Reihenhaus fremd zu vermieten, sodass diese Bedenken ausgeräumt erschienen. Der schriftliche Mietvertrag werde nachgereicht werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde im Instanzenzug den Wiederaufnahmeantrag ab. Nach Darstellung des Verwaltungsverfahrens und auszugsweiser Wiedergabe des § 303 Abs. 1 BAO führte die belangte Behörde aus, weshalb der - allein geltend gemachte - Wiederaufnahmegrund des § 303 Abs. 1 lit. b BAO nicht vorliege. Nach Ansicht der belangten Behörde seien die vorgebrachten neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren infolge näher erläuterten groben Verschuldens der Partei nicht geltend gemacht worden.

Weiters führte die belangte Behörde aus, dass die begehrte Wiederaufnahme eines Verfahrens voraussetze, dass der vorgebrachte Wiederaufnahmegrund, die neu hervorgekommenen Umstände, allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Verfahrensergebnis einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Auch dieses Tatbestandsmerkmal des § 303 Abs. 1 leg. cit. sei nicht erfüllt. Die Finanzlandesdirektion habe ihre am 16. Dezember 1998 zugestellte Entscheidung in erster Linie mit der "gewählten abgabenrechtlich nicht anzuerkennenden Rechtsform" begründet und sei darüber hinaus zum Schluss gekommen, dass bei den "atypisch stillen Gesellschaftern" mangels wirtschaftlichen Eigentums an der Wohnung auch keine Einkunftsquelle vorgelegen sei und ihnen deshalb auch keine originären Einkünfte zugeflossen sein könnten. Die zivilrechtlichen Eigentümer hätten die Wohnung zur Befriedigung ihres eigenen Wohnbedürfnisses verwendet, weshalb auch der geltend gemachte Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Wohnung versagt worden sei. Die nicht glaubhafte "langfristige Vermietungsabsicht" sei von der Finanzlandesdirektion lediglich ergänzend angemerkt worden, ohne ein tragendes Element ihrer Entscheidung zu bilden. Selbst wenn die Finanzlandesdirektion vor Ergehen ihrer Entscheidung Kenntnis von der erstmaligen Fremdvermietung der Wohnung gehabt hätte, wäre ihre Einschätzung der "steuerlichen Unzulässigkeit der gewählten Rechtsform" davon in keiner Weise berührt worden. Die erstmalige Fremdvermietung der Wohnung ab Herbst 1998 habe auch nichts an ihrer ausschließlichen Privatnutzung durch die beiden zivilrechtlichen Hälfteeigentümer im Streitjahr 1994 ändern können. Die im Wiederaufnahmeantrag vorgebrachte Fremdvermietung der Wohnung ab 1. Oktober 1998 sei nicht geeignet, "die am 16. Dezember 1998 zugestellte BE für 1994 in ihrem Spruch abzuändern".

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die Beschwerdeführer tragen vor, der neu hervorgekommene Mietvertrag und die Fremdvermietung (ab Oktober 1998) würden beweisen, dass "sowohl eine steuerrechtliche anzuerkennende Rechtsform vorliegt als auch den Gesellschaftern originäre Einkünfte aus der Vermietung zugeflossen sind".

Dabei übersehen die Beschwerdeführer, dass die Finanzlandesdirektion ihre am 16. Dezember 1998 zugestellte Entscheidung darauf gestützt hat, die von den Beschwerdeführern bezeichnete Rechtsform im Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht anzuerkennen, weshalb keine Einkünfte einheitlich und gesondert festzustellen seien. Ein Vorsteuerabzug sei (auch) deshalb zu versagen, weil die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer die in Rede stehende Wohnung zur Befriedigung des eigenen Wohnbedürfnisses über Jahre hindurch verwendet hätten.

Die Richtigkeit dieser Rechtsansicht, auf welche die Finanzlandesdirektion ihre Entscheidung gestützt hatte, ist im Beschwerdefall nicht zu beurteilen.

Dass die Finanzlandesdirektion in Kenntnis der mit dem Wiederaufnahmeantrag geltend gemachten Tatsachen und Beweismittel (der Fremdvermietung ab Oktober 1998 und des diese Vermietung beschreibenden Mietvertrages) zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid gelangt wäre, zeigen die Beschwerdeführer somit nicht auf.

Der belangten Behörde ist sohin nicht mit Erfolg entgegenzutreten, wenn sie den Wiederaufnahmeantrag im Instanzenzug deshalb abgewiesen hat, weil der Tatbestand des § 303 Abs. 1 lit. b BAO (auch) aus dem Grund nicht erfüllt sei, dass die Kenntnis der im Wiederaufnahmeantrag vorgebrachten Umstände einen im Spruch anders lautenden Bescheid nicht herbeigeführt hätte.

Auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid und auf das Vorbringen in der Beschwerde zu einem "groben Parteiverschulden" sowie zur Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages brauchte nicht mehr eingegangen werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. Oktober 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003150119.X00

Im RIS seit

22.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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