TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/30 2006/02/0248

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Veröffentlicht am 30.10.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ASchG 1994 §118 Abs3;
ASchG 1994 §130 Abs5 Z1;
BArbSchV 1994 §48 Abs2;
BArbSchV 1994 §48 Abs7;
StGB §32 Abs3;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/02/0249

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerden 1. des JL und 2. der ML, beide in S und vertreten durch Dr. Otto Hauck, Rechtsanwalt in 4560 Kirchdorf an der Krems, Dietlstraße 8, gegen die Bescheide je des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 16. August 2006, Zl. VwSen-280872/30/Kl/Sp (hg. Verfahren Zl. 2006/02/0248), und 2. Zl. VwSen-280873/25/Kl/Sp (hg. Verfahren Zl. 2006/02/0249), jeweils betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit den jeweils im Instanzenzug über Berufung des Arbeitsinspektorates Linz ergangenen Bescheiden vom 16. August 2006 wurden die Beschwerdeführer schuldig erkannt, sie hätten als Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufene einer näher genannten GmbH als Arbeitgeberin verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass am 5. November 2003 auf einer näher umschriebenen Baustelle zwei namentlich genannte Arbeitnehmer eine ca. 3 m tiefe Künette ohne vorher durchgeführte Sicherungsmaßnahmen (wie etwa entsprechendes Abböschen oder entsprechende Verbauung der Wände oder Anwendung geeigneter Verfahren zur Bodenverfestigung), sodass Arbeitnehmer durch abrutschendes oder herabfallendes Material nicht gefährdet werden können, betreten hätten. Die Beschwerdeführer hätten dadurch § 130 Abs. 5 Z. 1 und § 118 Abs. 3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) in Verbindung mit § 48 Abs. 2 und Abs. 7 der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) verletzt, weshalb über sie gemäß § 130 Abs. 5 AschG eine Geldstrafe von (jeweils) EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die dagegen jeweils erhobenen Beschwerden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und erwogen:

Die Beschwerdeführer bringen vor dem Gerichtshof übereinstimmend vor, es sei mit dem die Erdarbeiten durchführenden Unternehmer vereinbart gewesen, dass am 7. November 2003 der Aushub der Kanalkünette erfolgen sollte. Bei einer Besprechung am 4. November 2003 habe der Erstbeschwerdeführer ausdrücklich einen Böschungswinkel im Ausmaß von ca. 45 Grad verlangt; es sei vorgesehen gewesen, dass der Erstbeschwerdeführer vor Grabungsbeginn zur Baustelle fahre, "um entsprechende Anweisungen zu geben und zu kontrollieren". Überraschender Weise sei jedoch ohne Information der Beschwerdeführer mit den Grabungsarbeiten am 5. November 2003 begonnen worden. Dabei seien zwei Arbeitnehmer des Unternehmens, deren Geschäftsführer die Beschwerdeführer seien, verschüttet worden, wobei einer dieser Arbeitnehmer tödliche, der andere leichte Verletzungen erlitten habe.

Diesbezüglich stellte die belangte Behörde in ihren Bescheiden - unbestritten - fest, dass die Künette maschinell ausgehoben worden sei, wobei die Grubenwände annähernd senkrecht ausgeführt worden seien. Beim Bodenmaterial habe es sich um einen sehr steifen oder halbfesten bindigen Boden gehandelt. Die Arbeitnehmer hätten die ca. 3 m tiefe Künette ohne vorher durchgeführte Sicherungsmaßnahmen betreten. Entsprechend der am 4. November 2003 getroffenen Vereinbarung sollten sie die (ursprünglich für den 7. November 2003 vorgesehenen) Ausbaggerungen beaufsichtigen und Vermessungen sowie in der Folge die Rohrverlegungsarbeiten durchführen. Bei dem am 5. November 2003 (vorzeitig) aufgenommenen Aushub der Künette hätten die beiden später verschütteten Arbeitnehmer diese bestiegen, um Material auszuräumen.

Gemäß § 48 Abs. 2 der BauV ist beim Ausheben von Gruben, Gräben oder Künetten von mehr als 1,25 m Tiefe unter Berücksichtigung der örtlichen Standfestigkeit des Bodens, der Wasserverhältnisse, der Auflasten sowie auftretender Erschütterungen eine der folgenden Maßnahmen durchzuführen, sodass Arbeitnehmer durch abrutschendes oder herabfallendes Material nicht gefährdet werden können: 1. Die Wände von Gruben, Gräben oder Künetten sind entsprechend § 50 leg. cit. abzuböschen, 2. die Wände von Gruben, Gräben oder Künetten sind entsprechend § 51 und § 52 leg. cit. zu verbauen, oder 3. es sind geeignete Verfahren zur Bodenverfestigung (§ 53 leg. cit.) anzuwenden.

Baugruben, Gräben oder Künetten dürfen gemäß § 48 Abs. 7 leg. cit. nur betreten werden, wenn die Sicherungsmaßnahmen nach Abs. 2 durchgeführt sind.

Wie bereits die Behörde erster Instanz vertreten auch die Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, § 48 Abs. 2 und Abs. 7 BauV richte sich nur an denjenigen Unternehmer, der die Grabungsarbeiten durchführe. Dies trifft indes nicht zu. Weder lässt sich dies dem Text der hier gegenständlichen Bestimmung entnehmen, noch ist dies mit dem Schutzzweck der BauV zu vereinbaren: Die Anordnung des § 48 Abs. 7 leg. cit. richtet sich (auch) an den Arbeitgeber, dessen Arbeitnehmer eine von einem Dritten hergestellte Künette betreten sollen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 11. August 2006, Zl. 2005/02/0224).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 2001, Zl. 2000/02/0022), ist auch die gegenständliche Übertretung der BauV (§ 48 Abs. 7 leg. cit.) in Verbindung mit § 118 Abs. 3 und § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG ein Ungehorsamsdelikt; es besteht daher gemäß § 5 Abs. 1 VStG von vornherein die Vermutung des Verschuldens des Täters, welche aber von diesem widerlegt werden kann.

Wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang die Ansicht vertreten hat, den Beschwerdeführern sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen, sie hätten nicht darlegen können, ein ausreichendes Kontrollsystem errichtet zu haben, kann dem der Verwaltungsgerichtshof nicht entgegentreten:

Ausgehend vom eigenen Vorbringen der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit dem unbestritten festgestellten Sachverhalt ist entscheidend, dass die später verunglückten Arbeitnehmer die nicht gesicherte Künette betreten haben. Es mag zwar zutreffen, dass durch die unvorhergesehene Vorverlegung der Aushebungsarbeiten betreffend die Künette den Beschwerdeführern die Möglichkeit genommen wurde, die Sicherungsmaßnahmen bezüglich dieser zu überprüfen, doch legen die Beschwerdeführer auch vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht dar, welche Maßnahmen sie dagegen ergriffen haben, dass die Arbeitnehmer die (noch) ungesicherte Künette betreten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 23. November 2001) hätte ein entsprechendes Kontrollsystem auch im Falle des allenfalls eigenmächtigen Handelns der Arbeitnehmer Platz zu greifen.

Aus diesen Erwägungen kommt es daher auf die von den Beschwerdeführern behauptete Aktenwidrigkeit sowie die als Verfahrensmängel gerügten unterlassenen Feststellungen der belangten Behörde nicht an.

Soweit die Zweitbeschwerdeführerin auf ihre Eigenschaft als "Innendienstzuständige" beruft, ist sie darauf zu verweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. September 2002, Zl. 98/02/0220) bei einer Mehrzahl von zur Vertretung nach Außen berufenen Organen einer juristischen Person diese die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit kumulativ zu tragen haben; eine bloß interne Aufgaben- und Verantwortungsaufteilung ist irrelevant. Davon ausgehend kann aber auch der Strafbemessung durch die belangte Behörde hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin - wie der betreffend den Erstbeschwerdeführer - vom Verwaltungsgerichtshof nicht entgegengetreten werden, zumal die belangte Behörde zu Recht die schweren Folgen des strafbaren Verhaltens (Tod und schwere Verletzung jeweils eines Arbeitnehmers) als erschwerend gewertet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1995, Zl. 94/02/0486) und daher auch unter Berücksichtigung der Unbescholtenheit der Beschwerdeführer eine Überschreitung des Ermessenspielraumes nicht zu erkennen ist.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen lässt, dass die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. Oktober 2006

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Diverses VwRallg3/5 Erschwerende und mildernde Umstände Allgemein Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht Arbeiterschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006020248.X00

Im RIS seit

22.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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