TE OGH 2000/11/15 3Ob52/00v

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Veröffentlicht am 15.11.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Karl Urban R*****, vertreten durch Caan, Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Wilhelm Mährenhorst, Rechtsanwalt in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Jürgen P*****, vertreten durch Dr. Kurt Klein und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen S 151.872,48 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 5. November 1999, GZ 3 R 184/99z-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 9. April 1999, GZ 11 Cg 66/98v-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 151.872,48 samt 4 % Zinsen seit 19. März 1998 zu bezahlen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 92.703,60 (darin enthalten S 11.475,60 Umsatzsteuer und S 23.850 Barauslagen) und dem Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei die mit S 26.511,30 (darin enthalten S 4.418,55 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte GmbH, deren Muttergesellschaft die V***** AG ist, hatte drei Geschäftsführer, nämlich den Nebenintervenienten, Mag. Robert H***** und Ignaz A*****. Jeder von ihnen konnte die beklagte Partei nur entweder mit einem weiteren Geschäftsführer oder mit einem Prokuristen rechtswirksam nach außen vertreten.

Der Nebenintervenient kam am 30. 5. 1996 in das Architekturbüro des Klägers und erklärte ihm, er habe "eine Firma" gegründet, nämlich die beklagte Partei; diese habe in L***** Büroräumlichkeiten gemietet, die umgebaut werden sollten; er habe einen Auftrag für den Kläger, nämlich den Umbau dieser Büroräumlichkeiten.

Der Kläger besichtigte am 7. 6. 1996 mit dem Nebenintervenienten die Räumlichkeiten und fertigte auch zahlreiche Fotos an; sie besprachen die geplante Umgestaltung; der Kläger sprach auch über die Gebührenordnung der Architekten.

Der Kläger richtete an die beklagte Partei zu Handen des Nebenintervenienten das Schreiben vom 10. 6. 1996, in dem er sich für die Beauftragung mit diesen Planungsarbeiten bedankte und die GOA übermittelte, die wie vereinbart die Basis für die Verrechnung darstellte.

Der Kläger arbeitete einen Vorentwurf aus, den er am 12. 7. 1996 dem Nebenintervenienten überreichte; weiters forderte er Pläne an.

Der Nebenintervenient hatte dem Kläger eine Visitenkarte mit folgendem Text überreicht: "P***** GmbH, Jürgen P*****, Gesellschaftender Geschäftsführer, O*****"; angegeben waren weiters Telefon-, Fax- und Handynummer.

Als der Kläger "bei einer Gelegenheit" unter dieser Telefonnummer anrief, meldete sich die V*****; er wurde direkt mit Mag. Robert H***** verbunden; sie diskutierten auch über Umbauabsichten (Kojen). Bei diesem Gespräch erfuhr der Kläger erstmals, dass es bei der beklagten Partei einen weiteren Geschäftsführer gibt. Bei dieser Gelegenheit wurde nicht über Honoraransprüche geredet. Mag. H***** erklärte dem Kläger, dass der Nebenintervenient für den Umbau zuständig sei und er sich an ihn halten solle.

Am 18. 2. 1997 erstellte der Kläger mit dem Nebenintervenienten ein Raumprogramm. Der Nebenintervenient erklärte dem Kläger, er habe mit seinen Partnern und mit Dr. Christine B***** Rücksprache gehalten; sie seien mit den Plänen einverstanden. Der Nebenintervenient holte am 6. 3. 1997 den Entwurf ab und beauftragte den Kläger mit der Erstellung eines Einreichplanes. Als der Kläger "die beklagte Partei" von der Fertigstellung dieses Einreichplanes informierte, teilte ihm "die beklagte Partei" mit, dass der Nebenintervenient abgängig sei und niemand etwas von der Beauftragung des Klägers wisse.

Alle Umbauten und Planungen "seitens der Geschäftsführung der beklagten Partei" mussten immer in Zusammenarbeit bzw im Einverständnis mit der allgemeinen Verwaltung der V***** durchgeführt werden. Der Nebenintervenient wurde nur zur Einholung kostenloser Offerte ermächtigt, die er im Frühjahr 1997 bei drei (anderen) Architekturbüros einholte und an die beklagte Partei weiterleitete.

Der Kläger legte der beklagten Partei am 11. 3. 1998 Teilrechnung für seine Planungsarbeiten. Die beklagte Partei antwortete, sie habe ihn nie mit Planungsarbeiten beauftragt; die Teilrechnung werde daher nicht akzeptiert.

Die Räumlichkeiten wurden nach Plänen der firmeninternen Bauabteilung umgestaltet.

Der Kläger hatte nie im Firmenbuch Erkundigungen eingezogen, ob der Nebenintervenient zur Vertretung der beklagten Partei befugt ist.

Mag. Robert H***** ist Leiter der Landesdirektion der V***** in G*****; er kam etwa einmal im Monat nach L*****. Der Nebenintervenient bearbeitete die bei der beklagten Partei einlangende Post; die Mitarbeiter wendeten sich mit allfälligen Fragen an ihn.

Der Kläger begehrt die Zahlung des Planungshonorars in Höhe von S 151.872,48 sA. Die beklagte Partei habe ihm den Auftrag durch den Nebenintervenienten als damaligen geschäftsführenden Gesellschafter erteilt, weiters dadurch schlüssig durch den Geschäftsführer Mag. Robert H*****, dass er in der Folge auch mit ihm gesprochen habe. Die beklagte Partei habe in Kenntnis der Auftragserteilung durch den Nebenintervenienten die Leistungserbringung des Klägers geduldet. Deshalb habe er zu Recht darauf vertraut, dass der Planungsauftrag von der beklagten Partei erteilt wurde; es sei in ihm der begründete Glaube erweckt worden, dass der Nebenintervenient zum Abschluss des Planungsauftrags befugt war.

Die beklagte Partei wendete ein, der Nebenintervenient habe sich zu Unrecht als allein zeichnungsberechtigter Geschäftsführer ausgegeben. Die beklagte Partei habe erstmals aufgrund der Teilrechnung des Klägers vom 11. 3. 1998 von dem vermeintlichen Auftrag des Nebenintervenienten Kenntnis erlangt; sie habe den Auftrag auch nicht nachträglich genehmigt.

Das Erstgericht gab der Klage - mit Ausnahme der rechtskräftigen Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens - statt; den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, der vom Nebenintervenienten ohne ausreichende Vertretungsbefugnis gesetzte Geschäftsakt sei unwirksam. Die beklagte Partei habe keine Kenntnis vom konkreten, vollmachtüberschreitenden Rechtsgeschäft gehabt; daher habe sie das Geschäft auch nicht durch Stillschweigen genehmigen können.

Der zweite Geschäftsführer und der Prokurist hätten es jedoch dem Nebenintervenienten allein überlassen, die Anfangsphase des geplanten Umbaus in die Hand zu nehmen, ohne seine geschäftlichen Aktivitäten weiter zu überwachen. Die beklagte Partei habe durch die nicht hinreichende Überwachung und Kontrolle der ein- und ausgehenden Korrespondenz und der geschäftlichen Aktivitäten des Nebenintervenienten den Vollmachtstatbestand veranlasst; das Vertrauen des Klägers auf den äußeren Tatbestand sei gerechtfertigt gewesen. Dazu komme, dass der zweite Geschäftsführer den Nebenintervenienten als für den Umbau zuständig bezeichnet habe. Der Umstand, dass der Kläger nicht ins Firmenbuch Einsicht genommen habe, könne ihm nicht zur Last gelegt werden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage des Zeitpunktes des Vorliegens des den Rechtsschein auslösenden Verhaltens des Geschäftsherrn auch gegenteilige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege (zuletzt 3 Ob 531/93).

Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, entgegen der Ansicht des Erstgerichtes habe die beklagte Partei nicht wegen unzureichender Kontrolle der Tätigkeit des Nebenintervenienten einen maßgeblichen Anscheinstatbestand verwirklicht. Streitentscheidend sei vielmehr die Tatsache und der Inhalt des zwischen dem Kläger und Mag. Robert H***** geführten Telefongesprächs, in dessen Verlauf dieser auf die vom Kläger angesprochene Frage der Herstellung von Kojen erklärt habe, dass der Nebenintervenient für den Umbau zuständig sei und sich der Kläger an ihn halten solle. Da vom Vollmachtsmangel des nur kollektiv vertretungsbefugten Nebenintervenienten auszugehen sei, müsste sich die beklagte Partei dessen zum Vertragsabschluss mit dem Kläger führende Erklärungen nur dann zurechnen lassen, wenn der Kläger aus dem Verhalten des Mag. Robert H***** als gemeinsam mit dem Nebenintervenienten vertretungsbefugten Organs hätte folgern dürfen, er (Mag. Robert H*****) wolle entweder damit Vollmacht erteilen (stillschweigende Vollmachtserteilung) oder er habe bereits früher Vollmacht (Anscheinsvollmacht) erteilt. Da der Kläger in beiden Fällen in seinem Vertrauen auf das Verhalten des Vertretenen geschützt würde, müssten Umstände vorhanden sein, die geeignet sind, in ihm den begründeten Glauben zu erwecken, dass der Vertreter zum Abschluss des Geschäftes ermächtigt ist. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Allfällige Zweifel des Klägers an der Alleinvertretungsmacht des Nebenintervenienten seien aufgrund des Hinweises des Mag. Robert H*****, der Nebenintervenient sei für den Umbau zuständig, er solle sich an ihn halten, beseitigt worden. Dass dieser Vertrauenstatbestand nicht schon bei Abschluss des Geschäftes vorlag, schade nicht, weil auch seinerzeit keine Umstände vorgelegen seien, die objektive Zweifel des Klägers an der Vertretungsmacht des Nebenintervenienten hätten begründen müssen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.

Bei der Beurteilung, ob sich der Kläger, der die beklagte Partei als seine Auftraggeberin in Anspruch nimmt, auf eine wirksame Vertretung der beklagten Partei allein durch den Nebenintervenienten, der nur ein kollektiv vertretungsbefugter Geschäftsführer war, stützen kann, ist maßgeblich, ob er auf den äußeren Tatbestand vertrauen konnte, ob also die beklagte Partei kraft Anscheins- oder Duldungsvollmacht haftet.

Dies ist zu verneinen. Der Dritte soll geschützt werden, wenn zwar eine Vollmacht im Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem nicht besteht, der Vertretene aber ausdrücklich oder konkludent die Vollmachtserteilung kundgab (Welser in JBl 1979, 10; 3 Ob 531/93, veröffentlicht in ecolex 1994, 15 [zust Puck] mwN). Abgesehen davon, dass für den Dritten die Herstellung des Rechtsscheins kausal für den Abschluss des Geschäftes sein muss, ist weitere unabdingbare Voraussetzung, dass dem Dritten bei Geschäftsabschluss das den Rechtsschein auslösende Verhalten des Vertretenen bekannt war. Fehlte diese Kenntnis, besteht keine Veranlassung, den Dritten im Verhältnis zum Vertretenen zu schützen (Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht 301; Welser aaO; ecolex 1994, 15 [zust Puck] mwN).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Zum Zeitpunkt der Auftragserteilung durch den Nebenintervenienten konnte sich der Kläger auf keinen von der beklagten Partei gesetzten Anschein stützen, aufgrund dessen er die Vertretungsmacht des Nebenintervenienten annehmen konnte. Der Umstand, dass der Nebenintervenient im Büro tätig war und sich auf seiner Visitenkarte als "Gesellschaftender Geschäftsführer" (!) bezeichnet, bietet keinen Anhaltspunkt für seine Alleinvertretungsbefugnis für die beklagte Partei. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes kann das Vertrauen des Dritten nicht in einem nachfolgenden Verhalten des Geschäftsherrn seine Grundlage habe; der Dritte ist vielmehr nur dann geschützt, wenn für ihn die Herstellung dieses Rechtsscheins kausal für den Abschluss des Geschäftes war.

Ein nachfolgendes Verhalten des unwirksam Vertretenen könnte insofern von Bedeutung sein, als er das Geschäft mit dem Dritten dadurch in Kraft setzt, dass er den Vertretungsakt genehmigt. Als Genehmigung ist es auch anzusehen, wenn sich der unwirksam Vertretene in Kenntnis des Sachverhalts den Vorteil aus dem Geschäft mit dem Dritten zuwendet (§ 1016 ABGB). Die Genehmigung heilt den Mangel der Vollmacht (Koziol/Welser11 I 189 mwN).Ein nachfolgendes Verhalten des unwirksam Vertretenen könnte insofern von Bedeutung sein, als er das Geschäft mit dem Dritten dadurch in Kraft setzt, dass er den Vertretungsakt genehmigt. Als Genehmigung ist es auch anzusehen, wenn sich der unwirksam Vertretene in Kenntnis des Sachverhalts den Vorteil aus dem Geschäft mit dem Dritten zuwendet (Paragraph 1016, ABGB). Die Genehmigung heilt den Mangel der Vollmacht (Koziol/Welser11 römisch eins 189 mwN).

Ein als Genehmigung zu beurteilendes Verhalten der beklagten Partei liegt ebenfalls nicht vor. Als die beklagte Partei von dem Verhalten des Nebenintervenienten Kenntnis erlangte, erklärte sie dem Kläger gegenüber, der Nebenintervenient sei nicht vertretungsbefugt gewesen.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen besteht somit kein Rechtsgrund für eine Haftung der beklagten Partei für die Klagsforderung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, im Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO. Der beklagten Partei waren für die Verhandlungen vor dem Erstgericht neben dem doppelten Einheitssatz (§ 23 Abs 5 RATG) nicht zusätzlich die weiters verzeichneten Fahrtkosten (Kilometergeld) zuzusprechen, weil die Benützung eines PKW von Wien nach Graz und zurück nicht notwendig ist und daher hierauf kein Anspruch besteht (vgl TP 9 Z 1 lit a RAT). Für die Teilnahme an der Berufungsverhandlung gebühren gemäß § 23 Abs 9 letzter Halbsatz RATG keine Kosten. Dem Nebenintervenienten gebührt hiefür nur der einfache Einheitssatz (§ 23 Abs 3 RATG); er hat keine Berufung eingebracht, weshalb § 23 Abs 9 RATG nicht zur Anwendung kommt.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 41, ZPO, im Rechtsmittelverfahren in Verbindung mit Paragraph 50, ZPO. Der beklagten Partei waren für die Verhandlungen vor dem Erstgericht neben dem doppelten Einheitssatz (Paragraph 23, Absatz 5, RATG) nicht zusätzlich die weiters verzeichneten Fahrtkosten (Kilometergeld) zuzusprechen, weil die Benützung eines PKW von Wien nach Graz und zurück nicht notwendig ist und daher hierauf kein Anspruch besteht vergleiche TP 9 Ziffer eins, Litera a, RAT). Für die Teilnahme an der Berufungsverhandlung gebühren gemäß Paragraph 23, Absatz 9, letzter Halbsatz RATG keine Kosten. Dem Nebenintervenienten gebührt hiefür nur der einfache Einheitssatz (Paragraph 23, Absatz 3, RATG); er hat keine Berufung eingebracht, weshalb Paragraph 23, Absatz 9, RATG nicht zur Anwendung kommt.

Anmerkung

E59859 03A00520

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0030OB00052.00V.1115.000

Dokumentnummer

JJT_20001115_OGH0002_0030OB00052_00V0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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