TE Vfgh Beschluss 2002/9/24 G324/01

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Veröffentlicht am 24.09.2002
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Index

65 Pensionsrecht für Bundesbedienstete
65/02 Besonderes Pensionsrecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ASVG §108
BundesbahnG 1992 §21 idF StrukturanpassungsG 1996, ArtIII EisenbahnrechtsanpassungsG 1997 und Art13 PensionsreformG 2001h
PensionsreformG 2001 Art12 (Bundesbahn-PensionsG)
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung von Individualanträgen teils aktiver, teils im Ruhestand befindlicher Bediensteter der Österreichischen Bundesbahnen auf Aufhebung zahlreicher Bestimmungen betreffend die Pensionsreform im Bereich der Bundesbahnen (betr Ruhestandsversetzung, Anpassungsregelungen, Todesfallsbeitrag, Ruhensbestimmungen und Teilpension, Pensionsbeitrag, Pensionssicherungsbeitrag) in Hinblick auf teils rückwirkende Kürzung des Ruhegenusses; teils keine aktuelle rechtliche Betroffenheit, teils zumutbarer Umweg; bedingte Anträge nicht zulässig

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Der Antragsteller ist - seinen eigenen Angaben zu Folge - aktiver Bediensteter der Österreichischen Bundesbahnen. In seinem auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Antrag begehrt er mit näherer Begründung die Aufhebung des letzten Satzes des §1 Abs1 BundesbahnpensionsG (BB-PG) idF BGBl. I 86/2001, in eventu die Aufhebung näher bezeichneter Wortfolgen der §§1, 52 Abs2, 55 Abs2 Z4, 56 Abs1, 56 Abs2, 64 Abs1 sowie der §§3a, 4, 5 53a, 53b, 53c und 53d BB-PG, wobei letztere jeweils erst mit 1. Jänner 2003 in Kraft treten. Abgesehen von §1 BB-PG regeln die bekämpften Bestimmungen im Wesentlichen die Folgen des Zusammentreffens von Pension und Erwerbseinkommen (Ruhensbestimmungen):

2. Zu seiner Antraglegitimation führt der Antragsteller aus:

"Der Antragsteller ist durch die [bekämpften] Regelungen des BB-PG 2001 unmittelbar in seinen Rechten verletzt. Das BB-PG ist für den Antragsteller ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden. Das gegenständliche Gesetz greift unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre des Antragstellers ein.

Der Antragsteller ist seit 02.01.1978 als Beamter bei den Österreichischen Bundesbahnen beschäftigt. Die frühestmögliche Ruhestandversetzung erreichte der Antragsteller mit 28.6.2001. Er ist zur Zeit in der X/17 der Gehaltsordnung eingestuft, die nächste Vorrückung in Stufe 18 erfolgt am 1.1.2003. Von seinem Recht, in den dauernden Ruhestand versetzt zu werden, musste der Antragsteller bisher Abstand nehmen, da ihn nicht nur die rigorosen Kürzungen seines Ruhegenusses sondern auch die Regelungen des Abschnitts X des BB-PG 2001 hinsichtlich der Teilpensionsregelung nachteilig treffen. Wie in der Folge noch dargestellt wird, ruht nach diesen Bestimmungen ein bestimmter Teil des Ruhegenusses, wenn das Erwerbseinkommen die jeweils geltende Geringfügigkeitsgrenze gemäß §5 Abs2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes übersteigt.

Seit 1982 ist der Antragsteller Sachwalter für Brückenbau der Bundesbahndirektion Innsbruck. Als solcher hat er nicht nur sämtliche sicherheitstechnischen Belange wahrzunehmen, sondern erstellt als Sachverständiger für Eisenbahntechnik Gutachten im Bereich des Brückenbaues. In dieser Funktion hat der Kläger zahlreiche Aufträge vom Bundesministerium für Verkehr erhalten. Die Honorare aus dieser Tätigkeit wurden zur Gänze von der ÖBB vereinnahmt. In einem Zeitraum von 9/96 bis 5/98 lukrierte der Antragsteller als Sachverständiger einen Betrag von insgesamt S 550.939,25, im Monatsdurchschnitt sohin S 26.235,20.

Auf Grund der hohen Nachfrage nach der gutachterlichen Tätigkeit des, Antragstellers in der Privatwirtschaft - der Antragsteller verfügt bereits zum jetzigen Zeitpunkt über ein konkretes Angebot ... - kann der Antragsteller nach Versetzung in den Ruhestand mit einem monatlichen Erwerbseinkommen von zumindest brutto S 30.000,-- rechnen.

Die unmittelbare Betroffenheit des Antragstellers von der Teilpensionsregelung zeigt nachstehendes Beispiel:

[Es folgen Rechenbeispiele über die Auswirkung der Ruhensbestimmung für die Versetzung in den Ruhestand mit 31.1.2003 sowie mit 1.1.2003.]

Es liegt sohin eine unmittelbare aktuelle Beeinträchtigung der Rechtsphäre des Antragstellers vor. Außerdem steht dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des rechtswidrigen Eingriffs zur Verfügung. Das zu 16 Cg 177/00k LG Innsbruck anhängige Gerichtsverfahren betrifft ausschließlich die BB-PO 1966 idF. 27. Novelle; die Nichtanwendbarkeit des BB-PG 2001 ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens, zumal den Gerichten die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze gem. Art89 Abs1 B-VG nicht zusteht. Der Antragsteller hat daher keine andere Möglichkeit, der Verfassungswidrigkeit des BB-PG 2001 zu begegnen, als beim Verfassungsgerichtshof Individualantrag gem. Art. [140] B-VG zu stellen."

3. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des vorliegenden Antrages erwogen:

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB. VfSlg. 10.481/1985, 11.684/1988).

Wie der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit nach Art140 B-VG gestellten Individualanträgen wiederholt ausgeführt hat, ist dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von einem Gesetz Betroffenen Gelegenheit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bietet, nur bei Vorliegen - im gegenständlichen Verfahren gar nicht behaupteter - besonderer außergewöhnlicher Umstände der Partei das Recht zur Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrages eingeräumt; andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht im Einklang stünde (vgl. VfSlg. 8312/1978, 10.857/1986, 11.045/1986, 11.823/1988).

3.2. Der Antragsteller hat den ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Weg, der ihm die Möglichkeit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bietet, bereits beschritten.

Wie nämlich aus der unwidersprochen gebliebenen Äußerung der Bundesregierung hervorgeht, hat der Antragsteller am 20. September 2000 (geändert durch Klagsänderung am 30. Oktober 2001) eine Klage beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht eingebracht, in der unter anderem die folgende Feststellung begehrt wird:

"Es wird festgestellt, dass das BB-PG BGBl I 86/2001 auf das Dienst- und Ruhestandsverhältnis des Klägers zur beklagten Partei keine Anwendung findet; weiters wird festgestellt, dass sich der Pensionsanspruch des Klägers gegenüber der beklagten Partei nach der Pensionsordnung 1966 vor der 27. Novelle zur BB-PO 1966 und vor der Erlassung der Richtlinie über das Zusammentreffen von Ruhegenussansprüchen gem den Bestimmungen der BB-PO 1966 mit Erwerbseinkommen ... bestimmt."

An der Zumutbarkeit dieser Vorgangsweise ändert auch der Umstand nichts, dass der Betroffene seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen ein Gesetz im Gerichtsverfahren erst in zweiter Instanz vortragen kann (VfSlg. 8312/1978, 12.810/1991).

3.3. Der Antrag war daher allein schon aus diesem Grund mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Bundesbahnbedienstete, Dienstrecht, Ruhestandsversetzung, VfGH / Antrag, VfGH / Individualantrag, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Bedingung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G324.2001

Dokumentnummer

JFT_09979076_01G00324_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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