TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/27 2005/11/0135

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Veröffentlicht am 27.03.2007
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Index

67 Versorgungsrecht;
68/01 Behinderteneinstellung;

Norm

BEinstG §14;
BEinstG §2 Abs1;
KOVG RichtsatzV 1965 §3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der I in T, vertreten durch Stampfer, Orgler & Partner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Schmiedgasse 21, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 23. Mai 2005, Zl. 41.550/528-9/04, betreffend Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte zunächst am 2. Mai 2003 den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG). Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens holte das Bundessozialamt, Landesstelle Steiermark, insbesondere auch das Gutachten der ärztlichen Sachverständigen Dr. L. vom 17. Juni 2003 ein, in welchem es im Kern lautet:

"...

Einschätzung:

GS 1

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen und Bandscheibenschäden (oberer Richtsatzwert aufgrund des radiologischen und klinischen Erscheinungsbildes mit Bewegungseinschränkung, vertebragenen Kopfschmerzen, Schwindelzuständen und Parästhesien)

I/f/90

30 v.H.

GS 2

Depression
(2 Stufen über dem unteren Richtsatzwert dem klinischen Bild unter Therapie entsprechend)

V/e/585

20 v.H.

GS 3

Engpasssyndrom bds.
(1 Stufe über dem unteren Richtsatzwert dem Befundausmaß entsprechend)

IV/475

10 v.H.

Gesamt-GdB

40 v.H.

Der Gesamt-GdB wird gebildet vom führenden GS 1, GS 2 hebt um

1 Stufe an, GS 3 hebt nicht weiter an.

Eine beginnende Coxarthrose rechts, der Verdacht auf fibröse Dysplasie der rechten Hüfte und die Osteoporose habe keine Behinderungsrelevanz.

Nachuntersuchung: keine."

Mit Schreiben vom 15. Juli 2003 wurde die Beschwerdeführerin vergeblich zur Stellungnahme aufgefordert. Mit Bescheid vom 4. September 2003 wies daraufhin das Bundessozialamt, Landesstelle Steiermark, den Antrag der Beschwerdeführerin vom 2. Mai 2003 ab, weil nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin nur 40 v.H. betrage.

Am 27. Jänner 2004 stellte die Beschwerdeführerin daraufhin erneut den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 BEinstG wegen "Verschlechterung" ihres Leidenszustandes. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, in welchem die Beschwerdeführerin mehrere ärztliche Befunde vorlegte, holte das Bundessozialamt, Landesstelle Steiermark, schließlich das ärztliche Sachverständigengutachten des Dr. K. vom 7. März 2004 ein, in welchem es im Wesentlichen lautet wie folgt:

"...

Neurologischer Status:

PSR und ASR beidseits lebhaft
Babinski negativ
Pseudolasegue rechts endlagig positiv

Orthopädischer Status:

Wirbelsäule: Wirbelsäule annähernd im Lot.
Fingerbodenabstand 20 cm,
die Retroflexion wird als hochgradig schmerzhaft
eingeschränkt angegeben, die Seitenneigung nach beiden Seiten wird zu 2/3 als schmerzhaft eingeschränkt angegeben,
Federungstest vor allem L4/5, geringer L3/4 schmerzhaft, HWS-Rotation: 50-0-50,
Kinn- /Jugulumabstand: zwei Querfinger,
die Retroflexion ist endlagig eingeschränkt,
harte Resistenz im Bereich der Facette C2/3 rechts und C6/7 links

Obere Extremitäten: Die Gelenke sind frei beweglich. Spitzengriff, Feinmotorik, Kreuz- /Nackengriff und Kraft - Faustschluss sind nicht beeinträchtigt.
Im Bereich beider Hände kein sensibles oder motorisches Defizit.

Untere Extremitäten: Die Gelenke sind frei beweglich. Insbesondere das rechte Hüftgelenk.
Zehen- und Fersenstand durchführbar.

Gesundheitsschädigung:

1. degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Bandscheibenschäden

I/f-190 30 %
oberer RSW,

wegen HWS- und LWS-Beschwerden degenerative Veränderungen und Funktionsstörungen, keine neurologischen Reiz- oder Ausfallserscheinungen

ICD10-Code: M50-54

2. Depression

V/e-585 20 %

zwei Stufen oberhalb des unteren RSW's, entsprechend dem klinischen Bild und der Therapie

ICD10- Code: F30-39

3. Carpaltunnelsyndrom beidseits ...

VI/i-475 10 %

eine Stufe oberhalb des unteren RSW's, entsprechen dem klinischen Befund, kein neurologisches Defizit

Keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung bewirken:

die Fehlsichtigkeit (durch Brillen korrigiert), der labile arterielle Hypertonus (annähernd unauffällige Langzeitblutdruckmessung, unauffällige Ergometrie), der Zustand nach Eradikation bei HLO assoziierter Gastritis und die allergische Diathese ohne wesentliche klinische Symptomatik

Gesamtgrad der Behinderung:

40 %

Die führende GS1 wird um eine Stufe durch die GS2 gehoben.

GS3 hebt nicht.

     Trotz mäßiger Befundverschlechterung der GS2 keine

maßgebliche Befundänderung gegenüber Vorbefund.

     ..."

     Die Beschwerdeführerin sprach sich nach Aufforderung zur

Stellungnahme durch die Erstbehörde gegen die Ergebnisse dieses Gutachtens aus, weil sich ihr Leiden in der Zwischenzeit verschlechtert habe und legte ärztliche Befundberichte vom 15. April 2004 und vom 20. April 2004 vor. Die Erstbehörde übermittelte diese Befunde dem amtsärztlichen Dienst zur Äußerung, welcher in der Folge am 6. Mai 2004 hiezu ausführte:

"Keine maßgebliche Befundänderung fassbar".

Daraufhin erließ die Erstbehörde einen Bescheid vom 13. Mai 2004, mit welchem sie den Antrag der Beschwerdeführerin abwies. Sie verwies auf die eingeholten Gutachten und führte aus, dass sich nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens bei der Beschwerdeführerin lediglich ein Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. Mai 2005 wies die belangte Behörde die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung als unbegründet ab. Die belangte Behörde stellte die zahlreichen von ihr bzw. den Sachverständigen berücksichtigten - im Einzelnen näher bezeichneten - Befunde und ärztliche Bestätigungen dar und verwies zur Begründung im Wesentlichen auf die von ihr eingeholten Gutachten der Sachverständigen für Medizin, Fachrichtung Neurologie und Psychiatrie, Dr. A. vom 8. Oktober 2004 und des Allgemeinmediziners Dr. W. vom 23. September 2004, die (erneut) zu dem Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin von 40 v.H. gelangt seien. Nach diesen Gutachten ergebe sich - zusammengefasst -, dass das "depressive Syndrom mit Angstsymptomatik" (mit 30 v.H.) das führende Leiden sei, welches bei deutlicher Überschneidung der Symptomatik durch ein "myofasciales Schmerzsyndrom bei deg. WS-Veränderungen" auf Grund der zusätzlichen Einschränkung des Bewegungsapparates um 1 weitere Stufe angehoben werde. Es habe sich - auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde - keine maßgebliche Änderung gegenüber der Begutachtung in erster Instanz ergeben. Nachdem die Beschwerdeführerin, zur Stellungnahme aufgefordert, sich erneut gegen diese Einschätzung gewandt und weitere Befundberichte vorgelegt habe, seien die beigezogenen Sachverständigen neuerlich befasst worden, worauf die nervenfachärztliche Stellungnahme vom 25. Jänner 2005 und die allgemeinmedizinische Stellungnahme vom 9. Februar 2005 erstattet worden seien. In diesen beiden Stellungnahmen laute es wie folgt:

"Nervenfachärztliche Stellungnahme vom 25. Jänner 2005:

Die Berufungswerberin gibt in ihrer Beeinspruchung vom 3.12.2004 an, dass sie zu gering eingeschätzt worden sei und darüber hinaus ihre Schmerzen stark zugenommen hätten. Außerdem sei das Gehen stark beeinträchtigt und die Depressionen durch die zunehmenden Beschwerden verstärkt. Als Beleg werden zusätzliche Befunde vorgelegt. Der nervenfachärztliche Befund vom 9.12.2004 Dris. P. ist als Kontrolluntersuchung zu werten und ergibt keine Hinweise, dass eine maßgebende Verschlechterung des Gangbildes bzw. der Depression und Angststörung eingetreten ist. Die antidepressive Medikation wurde nur geringfügig erhöht, ein stationärer Aufenthalt war nicht erforderlich. Auch wurden nervenfachärztlicherseits keine weiterführenden diagnostischen Maßnahmen bezüglich der geschilderten Schmerzen eingeleitet. Das orthopädischerseits wegen einer Hypästhesie im Dermatom L3 eingeleitete MRT der LWS vom 7.12.2004 zeigt eine Irritation des austretenden Spiralnerven L3 links und degenerative Veränderungen ohne Spinalkanalstenose im engeren Sinn und auch keinen Bandscheibenvorfall. Die Beschwerden wurden soweit erhebbar ambulant therapiert.

Aus den vorgelegten Befunden lässt sich zusammenfassend sowohl in Bezug auf die GS 1 (30 v. 100) als auch die GS 2 (30 v. 100) und den GdB keine Anhebung ableiten, sodass aus nervenfachärztlicher Sitz weiterhin der GdB von 40 % aufrecht bleibt.

Allgemeinmedizinische Stellungnahme vom 9. Februar 2005:

Vorgelegt wurden Befunde, welche die neurologische und psychiatrische Problematik der Berufungswerberin zeigen und in der nervenfachärztlichen Stellungnahme erörtert werden.

Es darf jedoch aus allgemein- und arbeitsmedizinischer Sicht auf das Schreiben vom 30.4.2004 (psychologischer Befund des psychosozialen Zentrums im Bezirk Voitsberg) speziell hingewiesen werden, wo die Verschlechterung der Schmerzproblematik in einem klaren Zusammenhang mit den exogenen Belastungsfaktoren (Arbeitssituation usw.) mit Verstimmungszuständen, Erschöpftheit und Gefühlen der Überlastung und Überforderung beschrieben wird, was klar den persönlichen Eindruck während der Begutachtung der Berufungswerberin wiederspiegelt - hier wurde daher bereits im eigenen Gutachten auf der letzten Seite hingewiesen, dass entsprechend der beruflichen Tätigkeit als Fahrscheinkontrollorin mit immer wieder vorkommenden Stress- und Belastungssituationen durch aggressive Fahrgäste bei eher schwacher psychischer Konstitution bereits ein deutliches Problem gesehen wurde.

Der orth. Fachbefund Dris. K. vom 26.11.2004 diagnostiziert eine Lumboischialgie rechts bei Verdacht auf Wurzelirritation L3 rechts mit Depressio, zeigt aber keine Reflexausfälle, keine motorischen Defizite, negative Nervendehnungszeichen und eine freie Hüftrotation, sodass hiemit die entsprechende Beurteilung mit Zuordnung der Pos. I/f-190 bekräftigt wird.

Die MRT-US vom Dez. 04 befundet keine Spinalkanalstenose und keinen Bandscheibenvorfall - die anderen deg. Veränderungen an der WS sind entsprechend einer 52-jährigen Pat. durchaus nicht als unüblich anzusehen und können daher die Einschätzung der WS nicht anheben.

Der urogynäkologische Befundbericht vom Nov. 04 beurteilt klar eine messtechnisch kontinente Pat. ohne anamnestische Drangkomponente, einen negativen Stresstest ohne Restharnbildung, so dass die Einschätzung der GS 4 als Drangsymptomatik mit 10 v.H. ebenfalls bekräftigt wird.

Das ärztl. Attest des Hausarztes Dr. F. vom 15.12.04 fasst im wesentlichen die Beschwerden der Berufungswerberin zusammen, wobei sich hier kein Hinweis auf eine höhere Funktionseinschränkung im orth. Bereich ergibt.

Entsprechend dem Schreiben führt die psychische Problematik, was bereits in der neurologisch psychiatrischen Beurteilung und in der bereits durchgeführten zusammenfassenden Einschätzung ebenfalls so gesehen wurde.

Die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit insbesondere am gegebenen Arbeitsplatz wurde bereits oben nochmals bekräftigt, daraus ergibt sich jedoch keine allgemeine Einschränkung für den allgemeinen Arbeitsmarkt, welche einem generellen Schwerbehindertenzustand gleichkommt.

Betreffend zur neurologisch-psychiatrische Beurteilung nachgereichte Befunde, insbesondere jener von Dr. P., darf auf die nervenfachärztliche Stellungnahme hingewiesen werden - daraus ergeben sich jedoch auch keine Hinweise oder Begründungen, welche eine höhere als die bereits getroffene Einschätzung begründen würden.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die nachgereichten Befunde im wesentlichen den erhobenen Befunden während der Begutachtung wiederspiegeln und daher keine Änderung der Beurteilung nach sich ziehen können."

Die belangte Behörde verwies darauf, dass die Beschwerdeführerin erneut unter Vorlage eines Befundberichtes Dris. P. vom 22. März 2005 eingewendet habe, dass sich ihr Gesundheitszustand stark verschlechtert habe. Daraufhin sei im medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. M. vom 18. April 2005 ausgeführt worden, dass der vorgelegte Befund nicht im Widerspruch zu den in den eingeholten Sachverständigengutachten getroffenen Feststellungen stehe und nicht geeignet sei, die getroffene medizinisch schlüssige Einschätzung zu entkräften. Es werde vielmehr die neurologisch-psychiatrische Beurteilung Dris. K. bestätigt. Die Einschätzung einer derzeit nicht ideal eingestellten Befindlichkeitsstörung mit 30 v.H. sei gerechtfertigt. Die eingeholten Sachverständigengutachten seien schlüssig und wiesen keinerlei Widersprüche auf. Sie würden der Entscheidung der belangten Behörde zu Grunde gelegt; basierend auf diesem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens betrage der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 40 v.H. Da somit die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BEinstG nicht erfüllt seien, sei der Antrag abzuweisen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des BEinstG lauten (auszugsweise):

"§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. ...

...

§ 3. Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder psychischen Zustand beruht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

...

§ 14.

...

(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Behinderten das örtlich zuständige Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der in § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung (Abs. 3) festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim örtlich zuständigen Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.

(3) Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales (nunmehr: für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) ist ermächtigt, nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates gemäß § 8 BBG durch Verordnung nähere Bestimmungen für die Feststellung des Grades der Behinderung festzulegen. Diese Bestimmungen haben die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf das allgemeine Erwerbsleben zu berücksichtigen und auf den Stand der medizinischen Wissenschaft Bedacht zu nehmen.

...

§ 27. (1) Bis zum Inkrafttreten der Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

..."

Die Beschwerdeführerin sieht sich in ihrem Recht auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten nach §§ 2 und 14 BEinstG wegen bei ihr vorliegender Gesundheitsschädigungen als verletzt und bekämpft die Einschätzung ihres Leidens und des Grades der Behinderung mit (lediglich) 40 v.H.; hätte die belangte Behörde den Sachverhalt vollständig ermittelt, wäre sie zu der Feststellung gelangt, dass bei der Beschwerdeführerin ein Grad der Behinderung von zumindest 50 v.H. vorliege. Die belangte Behörde habe insbesondere die Verschlechterung der Schmerzproblematik, verbunden mit der vorliegenden Angstsymptomatik, der depressiven Symptomatik und der herabgesetzten Konzentrationsfähigkeit und Belastbarkeit nicht hinreichend berücksichtigt und es sei auf Befundberichte nicht hinreichend eingegangen worden. Der Amtssachverständige habe seine Stellungnahme vom 9. Feber 2005 ohne nochmalige Untersuchung der Beschwerdeführerin erstellt und auch die Stellungnahme Dris. M. vom 18. April 2005 sei ohne Kennenlernen oder Untersuchen der Beschwerdeführerin erstattet worden. Abgesehen davon, dass sich die belangte Behörde mit dem vorgelegten Gegengutachten nicht auseinandergesetzt habe, hätte sie im Hinblick auf den verstrichenen langen Zeitraum die von ihr eingeholten Gutachten nicht ihrer Entscheidung zu Grunde legen dürfen.

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend:

Die belangte Behörde stützte die angefochtene Entscheidung (nachdem im erstinstanzlichen Verfahren insbesondere auch ein Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K. nach Untersuchung der Beschwerdeführerin in dessen Ordination eingeholt worden war) vor allem auf die im Berufungsverfahren - nach Untersuchungen der Beschwerdeführerin - eingeholten Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie und zusammenfassend eines Arztes für Allgemeinmedizin, die insbesondere - nachdem die Beschwerdeführerin nach Erstattung der schriftlichen Gutachten erneut Einwendungen erhoben und Befunde vorgelegt hatte - in weiterer Folge unter Berücksichtigung der Einwendungen ergänzt wurden, sodass für die belangte Behörde die Ergänzungsgutachten vom 25. Jänner 2005 (Nervenfachärztin) und vom 9. Feber 2005 (Allgemeinmediziner) maßgebend waren. In beiden Gutachten wurde auf die Leidensgeschichte bzw. die Vorbefunde und auf die eigenen Angaben der Beschwerdeführerin, auch was die von ihr ins Treffen geführte Verschlechterung anlangt, ausführlich Bedacht genommen - dies gilt vor allem auch in Ansehung der neurologischen Beeinträchtigungen sowie der Schmerzproblematik - und es wurde dies auch in der Befundaufnahme dargestellt. Beide Gutachter führten im Ergebnis aus, dass der Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H. betrage bzw. es zu keiner Veränderung der Einschätzung gekommen sei. Es ist daher nicht nur die Behauptung der Beschwerdeführerin unrichtig, es sei auf - im Berufungsverfahren - eingetretene Verschlechterungen ihres Leidenszustandes nicht Bedacht genommen worden, sondern auch die Annahme verfehlt, dass die Gutachten bereits so alt waren, dass sie nicht hätten von der belangten Behörde verwertet werden dürfen.

Auch mit ihren Beschwerdeausführungen, mit welchen sie lediglich erneut - wie im Verwaltungsverfahren - auf die ihrer Auffassung nach erhebliche Verschlechterung ihres Leidenszustandes verweist, jedoch keine zusätzlichen, im Verwaltungsverfahren nicht berücksichtigten Tatsachen vorbringt, zeigt die Beschwerdeführerin keine Mängel der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen auf und erweckt insbesondere keine Zweifel an den nicht als unschlüssig zu erkennenden, dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Sachverständigengutachten. Welche konkreten Feststellungen die belangte Behörde aus dem Befundbericht Dris. P. vom 22. März 2005 und aus dem Befund des Psychologischen Zentrums Voitsberg vom 25. April 2005 zum Nachteil der Beschwerdeführerin nicht getroffen habe, legt die Beschwerdeführerin nicht dar. Desgleichen ist weder im Lichte der Beschwerdeausführungen noch aus dem Akteninhalt erkennbar, aus welchem konkreten Grund das ergänzende Gutachten vom 9. Feber 2005 mangelhaft sein sollte, weil die Sachverständige die Beschwerdeführerin nicht neuerlich untersucht habe. In gleicher Weise vermag es die Beschwerdeführerin nicht, die Unschlüssigkeit der Äußerung des Amtssachverständigen Dr. M. aufzuzeigen.

Den Ausführungen der Beschwerdeführerin ist somit zu entgegnen, dass die belangte Behörde im Hinblick auf den - wie gezeigt unbedenklichen - Inhalt der Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass das führende, nämlich den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin am meisten (30 v.H.) einschränkende, Leiden das psychische Leiden der Beschwerdeführerin sei, welches in dem im Gutachten im Einzelnen beschriebenen Ausmaß durch andere Leiden der Beschwerdeführerin um eine Stufe verstärkt würde, sodass der Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H. sei. Dies hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nachvollziehbar dargestellt. Die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände hat nicht im Wege der Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze zu erfolgen, sondern nach § 3 der Richtsatzverordnung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2006, Zl. 2006/11/0052, mwH). Es ist daher in der Beurteilung der belangten Behörde, es seien die Voraussetzungen für die Feststellung der Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin zum Kreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 Abs. 1 BEinstG nicht gegeben, keine Rechtswidrigkeit zu erkennen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. März 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005110135.X00

Im RIS seit

03.05.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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