TE Vfgh Beschluss 2002/10/7 V28/02

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Veröffentlicht am 07.10.2002
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ElWOG §32 Abs4
ElWOG §34 Abs4
Verordnung des Landeshauptmannes von Wien vom 03.10.01 betreffend die Festsetzung eines Zuschlages zum Systemnutzungstarif

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung einer Verordnung über die Festsetzung eines Zuschlags zum Systemnutzungstarif mangels Darlegung der Bedenken im Einzelnen bzw wegen unzulässiger Abgrenzung eines Eventualantrags; keine Legitimation der Zweitantragstellerin mangels Eingriffs von Preisregelungsbestimmungen in die Rechtssphäre von Endverbrauchern

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Die Antragsteller begehren mit dem auf Art139 B-VG gestützten - mit den einleitenden Ausführungen nicht zur Gänze übereinstimmenden, aber unter "IV." modifizierten - Individualantrag, "die Verordnung des Landeshauptmannes von Wien betreffend die Festsetzung eines Zuschlages zum Systemnutzungstarif vom 3.10.2001

* zur Gänze

* in eventu in §2 erster Satz die Wortfolge

'10,22 Groschen je kWH' und in §4 Abs2 die Wortfolge '0,7427 Cent je kWH',

* in eventu §1 der Verordnung

als gesetzwidrig aufzuheben".

1.2. Die Verordnung des Landeshauptmannes von Wien betreffend die Festsetzung eines Zuschlages zum Systemnutzungstarif, MA 64 - GE 152/2001, kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 211/2001 vom 31. Oktober 2001, hat folgenden Wortlaut:

"Verordnung des Landeshauptmannes von Wien betreffend die Festsetzung

eines Zuschlages zum Systemnutzungstarif

Auf Grund des §34 Abs4 des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes (ElWOG), BGBl. I Nr. 143/1998, in der Fassung BGBl. I Nr. 121/2000, wird verordnet:

§1

Diese Verordnung regelt die Festsetzung eines Zuschlages zum Systemnutzungstarif, durch den der WIENSTROM GmbH die durch die Festsetzung von Mindestpreisen für die Abnahme von Kraftwärmekopplungsenergie (KWK-Energie) aus Kraftwärmekopplungsanlagen entstehenden Mehraufwendungen gegenüber den Erlösen, die sie aus dem Verkauf der KWK-Energie erzielen konnten, abgegolten werden.

§2

Der KWK-Zuschlag wird mit 10,22 Groschen je kWh bestimmt. Dieser Zuschlag ist auf den Rechnungen gesondert auszuweisen.

§3

Die WIENSTROM GmbH hat dem Landeshauptmann jährlich auf geeignete Weise

1. die tatsächlichen Aufwendungen, die ihr auf Grund der Abnahmepflicht von KWK-Energie aus Kraftwärmekopplungsanlagen im letzten Jahr entstanden sind sowie

2. die tatsächlichen Erlöse, die sie im letzten Jahr aus dem Verkauf der KWK-Energie erzielt hat, bekannt zu geben.

Die Festsetzung des Zuschlages hat jährlich unter Berücksichtigung des Mehraufwandes des Vorjahres zu erfolgen, wobei allfällige Differenzbeträge im Folgejahr auszugleichen sind.

§4

(1) Diese Verordnung tritt mit l. November 2001 in Kraft.

(2) Mit Wirksamkeit vom l. Jänner 2002 tritt an Stelle des in §2 genannten Betrages folgender Betrag: '0,7427 Cent je kWh'."

1.3. Die gesetzlichen Grundlagen der angefochtenen Verordnung stellen sich wie folgt dar:

§32 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (im folgenden als ElWOG bezeichnet), BGBl. I Nr. 143/1998 idF BGBl. I Nr. 121/2000 lautet:

"Abnahmeverpflichtung von Ökoenergie und KWK-Energie

§32. (Grundsatzbestimmung) (1) Die Ausführungsgesetze haben Betreiber von Verteilernetzen zu verpflichten, die ihnen angebotene elektrische Energie aus an ihrem Verteilernetz angeschlossenen Anlagen, die gemäß §40 Abs1 als Ökoanlagen anerkannt sind, abzunehmen. Die Menge an elektrischer Energie aus Ökoanlagen hat in steigendem Ausmaß

1.

ab 1. Oktober 2001 mindestens 1%;

2.

ab 1. Oktober 2003 mindestens 2%;

3.

ab 1. Oktober 2005 mindestens 3%;

4.

ab 1. Oktober 2007 mindestens 4%

der Stromabgabe an die an sein Netz angeschlossenen Endverbraucher im vorangegangenen Kalenderjahr zu betragen.

(2) Die Netzbetreiber sind berechtigt, diese Strommengen an Endverbraucher oder Stromhändler weiter zu veräußern.

(3) Wird das in den Ausführungsgesetzen gemäß Abs1 festgelegte Mindestausmaß überschritten, sind die Verteilernetzbetreiber berechtigt, den dieses Mindesterfordernis übersteigenden Anteil an andere Verteilernetzbetreiber zu veräußern. Die derart erworbene Ökoenergie ist auf das Erfordernis gemäß Abs1 anzurechnen.

(4) Die Ausführungsgesetze können Betreiber von Verteilernetzen, an deren Netz KWK-Anlagen angeschlossen sind, verpflichten, die ihnen aus diesen Anlagen angebotene KWK-Energie abzunehmen. Die Verpflichtung ist mit längstens 31. Dezember 2004 zu befristen."

Die Absätze 3 und 4 des §34 ElWOG lauten:

"Behördenzuständigkeit in Preisangelegenheiten

§34. (1) [...]

(3) Übersteigen die Aufwendungen für die Abnahme von elektrischer Energie gemäß §32 Abs1 oder für den Kauf elektrischer Energie gemäß §32 Abs3 die Erlöse, die der Netzbetreiber unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes aus dem Verkauf dieser elektrischen Energie erzielen kann, so ist dem Verteilernetzbetreiber der Mehraufwand zwischen den Mindest- oder Kaufpreisen und den Erlösen zu ersetzen. Dies gilt auch für die Aufwendungen hinsichtlich der Ausgleichsabgabe gemäß §61a. Die hiefür erforderlichen Mittel sind durch einen Zuschlag zum Systemnutzungstarif aufzubringen. Der Landeshauptmann hat durch Verordnung die Höhe dieses Zuschlages zum Systemnutzungstarif in g/kWh - ab 1. Jänner 2002 in Cent/kWh - für die aus Ökoanlagen bezogene elektrische Energie zur Abdeckung dieses Mehraufwandes festzusetzen. Die Festsetzung des Zuschlages hat jährlich unter Berücksichtigung des Mehraufwandes des Vorjahres zu erfolgen, wobei allfällige Differenzbeträge im Folgejahr auszugleichen sind.

(4) Übersteigen die Aufwendungen für die Abnahme von elektrischer Energie gemäß §32 Abs4 die Erlöse, die der Verteilernetzbetreiber unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes aus dem Verkauf dieser elektrischen Energie erzielen kann, so ist dem Verteilernetzbetreiber dieser Mehraufwand zu ersetzen. Abs3 findet sinngemäß Anwendung."

1.4. Zur Zulässigkeit der Anträge bringen die Antragsteller vor:

Die bekämpfte Verordnung gelte für das gesamte Verteilernetz der Wienstrom GmbH und umfasse daher auch Teile Niederösterreichs.

Die erstantragstellende Gesellschaft betreibe ein Energieunternehmen, das ausschließlich heimische, erneuerbare Energiequellen nützt und die so erzeugte Energie an Endverbraucher verkauft. Sie sei netzzugangsberechtigt und speise ihre Energie in das von der Wienstrom GmbH betriebene Verteilernetz ein.

Die Netzbetreiber seien verpflichtet, Netzzugangsberechtigten den Netzzugang zu den jeweils genehmigten Allgemeinen Netzbedingungen und den jeweils bestimmten Systemnutzungstarifen inklusive allfälliger Zuschläge gemäß einer nach §34 Abs3 und 4 ElWOG erlassenen Verordnung auf Grund privatrechtlicher Verträge (Netzzugangsvertrag) zu gewähren. Der Zuschlag werde gemeinsam mit den Systemnutzungstarifen bzw. den Stromkosten in Rechnung gestellt, er sei gemäß §2 der Verordnung gesondert auf der Rechnung auszuweisen.

Diesen gesetzlichen Bestimmungen zufolge habe die Erstantragstellerin daher den in der bekämpften Verordnung festgesetzten KWK-Zuschlag an die Wienstrom GmbH zu entrichten.

Die Zweitantragstellerin sei gemäß §7 ElWOG ebenfalls netzzugangsberechtigt. Sie verfüge über einen Strombezugsvertrag mit der Erstantragstellerin und habe daher direkt bzw. indirekt ebenfalls den Zuschlag zu den Systemnutzungstarifen zu entrichten, da dieser von der Erstantragstellerin zumindest zum Teil an die Kundinnen und Kunden weitergegeben werde.

2. Der Landeshauptmann von Wien erstattete eine Äußerung.

II. Die Anträge sind unzulässig.

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985, 11.730/1988).

2. Die Zweitantragstellerin hat - nach ihren Behauptungen - einen Strombezugsvertrag mit der Erstantragstellerin abgeschlossen und habe "direkt bzw. indirekt" den Zuschlag zu den Systemnutzungstarifen zu entrichten, da dieser von der erstantragstellenden Gesellschaft zumindest zum Teil an die Kundinnen und Kunden weitergegeben werde.

Normadressaten der in Rede stehenden Verordnung sind jene Betreiber von Verteilernetzen, die gemäß §32 Abs4 ElWOG verpflichtet wurden, die ihnen aus an ihr Netz angeschlossenen KWK-Anlagen angebotene KWK-Energie abzunehmen. Diesen Verteilernetzbetreibern ist dann, wenn die Aufwendungen für die Abnahme von Strom aus KWK-Anlagen die Erlöse, die der Verteilernetzbetreiber aus dem Verkauf dieser elektrischen Energie erzielen kann, übersteigen, der Mehraufwand zu ersetzen. Die hiefür erforderlichen Mittel sind durch einen Zuschlag zum Systemnutzungstarif aufzubringen. Diese Bestimmungen bewirken eine Regelung des für die Netznutzung zu entrichtenden Entgeltes und stellen damit eine Preisregelungsbestimmung für den Verteilernetzbetreiber dar. Die Zweitantragstellerin macht einen Eingriff in ihre Rechtsstellung als Endverbraucher geltend. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen hat, berühren Preisregelungsbestimmungen den Kunden - im vorliegenden Fall den Endverbraucher - nicht in seiner Rechtssphäre, sondern bloß in seinen wirtschaftlichen Interessen (vgl. VfSlg. 10.313/1984, 10.502/1985).

Der Antrag der Zweitantragstellerin ist daher schon aus diesem Grunde unzulässig.

3.1. In ihrem Hauptantrag begehrt die erstantragstellende Gesellschaft ausdrücklich die Aufhebung der Verordnung zur Gänze, somit nicht nur insoweit, als Verpflichtungen für Netzzugangsberechtigte festgelegt werden. Die im Antrag dargelegten Bedenken betreffen aber bloß die Verpflichtungen des Netzzugangsberechtigten zur Entrichtung eines Zuschlages zum Systemnutzungstarif und nicht etwa auch die im §3 der Verordnung geregelten Verpflichtungen der WIENSTROM GmbH. Der Antrag enthält auch keine Darlegungen, inwieweit §3 der angefochtenen Verordnung unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft eingegriffen hätte, obwohl sich diese Bestimmungen inhaltlich von den übrigen Bestimmungen der Verordnung trennen lassen. Da somit der Antrag auf Aufhebung der gesamten Verordnung das Eingehen auf die Bedenken im Einzelnen vermissen lässt, ermangelt er einer notwendigen Prozessvoraussetzung (vgl. insbesondere VfSlg. 8461/1978 und 14.526/1996).

3.2. In ihrem ersten Eventualantrag begehrt die erstantragstellende Gesellschaft, im ersten Satz des §2 die Wortfolge "10,22 Groschen je kWH" und im §4 Abs2 die Wortfolge "0,7427 Cent je kWH" als gesetzwidrig aufzuheben. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, müssen bei einem Individualantrag die Grenzen der Aufhebung so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzes-(Verordnungs-)teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzes-(Verordnungs-)bestimmung in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden; dies treffe sowohl auf von Amts wegen als auch auf auf Antrag eingeleitete Gesetzes-(Verordnungs-)prüfungsverfahren zu (vgl. VfSlg. 8155/1977, 8461/1978, 12.465/1990). Inhalt des ersten Satzes des §2 ist die Bestimmung der Höhe des KWK-Zuschlages. Daher steht jedenfalls der Betrag von 10,22 Groschen mit dem übrigen Text des §2 "Der KWK-Zuschlag wird mit [...] bestimmt" in einem untrennbaren Zusammenhang. §4 Abs2 bedeutet inhaltlich eine Abänderung des §2 ab 1. Jänner 2002. Auch diese Bestimmung stellt eine untrennbare Einheit dar.

Dazu kommt: Bei Beseitigung bloß des Betrages im §2 und §4 Abs2 der angefochtenen Verordnung könnte der verbleibende Rest der Bestimmung auch im Sinne einer Festsetzung des Zuschlages mit 0 S bzw. 0 Cent ausgelegt werden, wodurch die Verordnung einen völlig veränderten Inhalt bekommen würde.

Schon aus diesen Gründen ist auch der zweite Eventualantrag unzulässig.

3.3. Im dritten Eventualantrag begehren die Antragsteller - ohne näher zwischen Erst- und Zweitantragsteller zu differenzieren - die Aufhebung des §1 der angefochtenen Verordnung.

Sie bringen vor, nach §1 der bekämpften Verordnung solle diese für das gesamte Verteilernetz der WIENSTROM GmbH gelten. Die WIENSTROM GmbH hebe die KWK-Zuschläge auch tatsächlich in diesen Teilen Niederösterreichs ein. Aus Art102 Abs1 B-VG sei abzuleiten, dass der Landeshauptmann nur solche Regelungen erlassen dürfe, die sich auf das Gebiet seines Landes erstrecken. Zur Festsetzung des Zuschlages nach §34 Abs3 und 4 ElWOG sei daher ausschließlich der Landeshauptmann zuständig, auf dessen Landesgebiet die Stromabnahme erfolge. Endverbraucher, die an das von der WIENSTROM GmbH in Niederösterreich betriebene Verteilernetz angeschlossen sind, könnten daher nicht von der Zuschlagsverordnung des Landeshauptmannes von Wien verpflichtet werden.

Soweit der dritte Eventualantrag von der Zweitantragstellerin gestellt wird, so ist er - wie bereits unter Punkt 2. ausgeführt - unzulässig. Soweit er von der erstantragstellenden Gesellschaft gestellt wird, lässt er Ausführungen darüber vermissen, inwieweit §1 der Verordnung in die rechtlichen Interessen der erstantragstellenden Gesellschaft eingreift, und ist daher schon aus diesem Grunde unzulässig.

4. Die Anträge sind daher insgesamt ohne Prüfung der weiteren Voraussetzungen - etwa der ausreichenden Darlegung der Betroffenheit der erstantragstellenden Gesellschaft in ihrer Rechtssphäre als Einspeiserin im Sinne des §7 Z7 ElWOG - schon aus den genannten Gründen mangels Legitimation der Antragsteller als unzulässig zurückzuweisen.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Energierecht, Elektrizitätswesen, VfGH / Bedenken, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:V28.2002

Dokumentnummer

JFT_09978993_02V00028_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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