TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/29 2005/15/0008

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Veröffentlicht am 29.03.2007
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
72/02 Studienrecht allgemein;

Norm

B-VG Art140 Abs7;
EStG 1988 §16 Abs1 Z10;
UniStG 1997 §4 Z2;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des JL in F, vertreten durch Dr. Markus Fink, Rechtsanwalt in 6870 Bezau, Brugg 36, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 7. September 2004, GZ. RV/0246-F/04, betreffend Einkommensteuer 2003, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit und aus nichtselbständiger Arbeit (Finanzbeamter) erzielte, machte in seiner Einkommensteuererklärung 2003 im Zusammenhang mit seinem mit Beginn des Wintersemesters 1999/2000 begonnenen (berufsbegleitenden) Fernstudium der Rechtswissenschaften an der Universität in L. Aufwendungen (Fahrtkosten, Kosten für Fachbücher und Skripten, Studiengebühr, Internet-Online-Gebühren, AfA für PC und Notebook) in Höhe von EUR 1.581,27 als Werbungskosten geltend.

Das Finanzamt berücksichtigte die in der Erklärung verzeichneten Aufwendungen nicht als Werbungskosten, weil Aufwendungen, die mit einem ordentlichen Universitätsstudium in Zusammenhang stünden, nicht abzugsfähig seien (§ 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Nach der im Streitjahr geltenden Rechtslage seien unabhängig vom Zusammenhang mit der ausgeübten (verwandten) Tätigkeit bzw. mit einer Umschulungsmaßnahme Aufwendungen für ein Hochschulstudium, das seien ordentliche Studien gemäß § 4 Z. 2 Universitäts-Studiengesetz, nicht abzugsfähig. Die Kosten eines ordentlichen Studiums könnten auch dann nicht abgezogen werden, wenn die durch das Universitätsstudium gewonnenen Kenntnisse eine wesentliche Grundlage für die Berufsausübung darstellten.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 6. Dezember 2004, B 1301/04).

Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer geltend, mit dem Abgabenänderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 180/2004, kundgemacht am 30. Dezember 2004, sei das im angefochtenen Bescheid angesprochene Abzugsverbot rückwirkend mit Wirkung ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 2003 entfallen. Durch das rückwirkende Inkrafttreten des § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 in dieser Fassung erweise sich der Spruch des angefochtenen Bescheides als nicht richtig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind auch die in dieser Bestimmung ausdrücklich aufgezählten Aufwendungen.

§ 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 155/2002 lautete:

"10. Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die eine Tätigkeit in einem neuen

Berufsfeld ermöglichen. ..... . Keine Werbungskosten stellen

Aufwendungen dar, die im Zusammenhang mit dem Besuch einer allgemein bildenden (höheren) Schule oder im Zusammenhang mit einem ordentlichen Universitätsstudium stehen."

Die belangte Behörde hat bei Erlassung ihres - nunmehr angefochtenen - Bescheides vom 7. September 2004, welcher am 5. Oktober 2004 zugestellt wurde, die zitierte Bestimmung in dieser Fassung angewendet.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28. September 2004, G 89/04-6, die Worte "oder im Zusammenhang mit einem ordentlichen Universitätsstudium" im letzten Satz des § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 155/2002 als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung wurde vom Bundeskanzler am 23. November 2004 im BGBl. I Nr. 130/2004 kundgemacht.

Nach Aufhebung der in Rede stehenden Bestimmung erhob der Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid die am 21. Oktober 2004 beim Verfassungsgerichtshof eingelangte Beschwerde.

Der Verfassungsgerichtshof begründete die Ablehnung der Behandlung dieser Beschwerde in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2004 damit, dass die von dem Beschwerdeführer als verfassungswidrig gesehene Bestimmung bereits mit seinem Erkenntnis vom 28. September 2004 als verfassungswidrig aufgehoben worden sei. Eine von ihm aufgehobene Gesetzesstelle könne nicht neuerlich Gegenstand eines Gesetzesprüfungsverfahrens sein.

Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden, so sind alle Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG ist das Gesetz jedoch auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis Anderes ausspricht.

Die Wortfolge "oder im Zusammenhang mit einem ordentlichen Universitätsstudium" in § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 155/2002 gehörte zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch dem Rechtsbestand an. Die Aufhebung dieser Wortfolge durch den Verfassungsgerichtshof mit dessen Erkenntnis vom 28. September 2004 ist im Beschwerdefall unbeachtlich, weil der Beschwerdefall nicht zum Anlassfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG geworden war (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 29. September 2004, 2000/13/0103).

Mit dem am 30. Dezember 2004 kundgemachten Abgabenänderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 180, wurde § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 geändert und lautet nunmehr:

"10. Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen. Aufwendungen ...."

Nach § 124 b Z. 107 EStG 1988 i.d.F. des Abgabenänderungsgesetzes 2004 ist § 16 Abs. 1 Z. 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 180/2004 erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2003 anzuwenden.

Der Beschwerdeführer trägt vor, die von ihm geltend gemachten Werbungskosten seien nach § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 i.d.F. des Abgabenänderungsgesetzes 2004 anzuerkennen. Die belangte Behörde habe die in Rede stehende Bestimmung in der nunmehr geltenden Fassung bei Erlassung des angefochtenen Bescheides zwar noch nicht kennen und daher anwenden können, wegen der zwischenzeitigen rückwirkenden Änderung des § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 erweise sich der angefochtene Bescheid jedoch als nachträglich inhaltlich rechtswidrig geworden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass er einen angefochtenen Bescheid grundsätzlich auf der Grundlage jener Rechtslage zu prüfen hat, die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Geltung gestanden ist (vgl. Mairinger/Twardosz, Die maßgebende Rechtslage im Abgabenrecht, ÖStZ 2007, 16ff und 49ff, insbesondere 51 m.w.N.; zur Maßgeblichkeit der zum Zeitpunkt des letztinstanzlichen gemeindebehördlichen Bescheides bestandenen Rechtslage im Vorstellungsverfahren siehe Walter/Mayer, Verwaltungsverfahren8, Rz 563, und die dort zitierte Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts).

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch im Beschwerdefall nicht veranlasst, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aufwendungen nach der von der belangten Behörde - im Lichte der obigen Ausführungen zu Recht - angewendeten Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 i. d.F. des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 155/2002 als Werbungskosten anzuerkennen wären, behauptet die Beschwerde nicht.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. März 2007

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005150008.X00

Im RIS seit

04.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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