TE Vwgh Erkenntnis 2007/4/24 2006/05/0017

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Veröffentlicht am 24.04.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Adelheid Königshofer in Windhaag bei Perg, vertreten durch Mag. Georg Derntl, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Hauptplatz 11a/Herrenstraße 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. Dezember 2005, Zl. UR- 180125/14-2005-Zo/Kn, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Windhaag bei Perg vom 17. März 1992 wurden die Beschwerdeführerin und deren Ehegatte wie folgt verpflichtet:

"1. Gemäß § 36 Abs. 1 O.ö. Bauordnung, Landesgesetzblatt 35/1976, haben Sie Ihren Bau Wohnhaus Pragtal Nr. 16 auf dem Grundstück Nr. 602/1 Einlagezahl 151, Katastralgemeinde Altenburg an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage anzuschließen und (die) von diesem Bau und den dazugehörigen Grundstücken anfallenden Abwässer in die gemeindeeigene Kanalisationsanlage einzuleiten.

...

Von der Gemeinde wird bis zu Ihrem Grundstück der Kanal auf Kosten der Gemeinde verlegt inklusive dem unmittelbar anschließenden Hausanschlussschacht an der Grundgrenze auf Ihrem Grundstück. Ab diesem Anschlussschacht ist der Anschluss Ihres Gebäudes von Ihnen unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen herzustellen.

Den Hausanschluss haben Sie innerhalb von 6 Monaten nach Inbetriebnahme der Zuleitung zur Kläranlage des Reinhalteverbandes Perg-Münzbach-Windhaag (in Perg) gemäß ÖNORM auszuführen.

2. Bei der Einleitung der Abwässer in den öffentlichen Kanal sind Sie gemäß § 36 Abs. 3 O.ö. Bauordnung und auf Grund des wasserrechtlichen Bescheides des Amtes der O.ö. Landesregierung vom 6.6.1988, (...), zur Einhaltung nachstehender Bedingungen und Auflagen verpflichtet:

...

5) Vor der Herstellung des Hausanschlusses haben Sie um eine baubehördliche Bewilligung beim hiesigen Gemeindeamt anzusuchen."

Mit Schreiben vom 12. Mai 1993 teilte der Bürgermeister der Gemeinde Windhaag bei Perg der Bezirkshauptmannschaft Perg mit, dass die Kanalanschlussmöglichkeit betreffend das Grundstück der Beschwerdeführerin in den letzten Tagen hergestellt worden sei, "der Grundbesitzer Dr. Josef Königshofer hat jedoch der Gemeinde und der Baufirma K./Perg verboten, den Hausanschlussschacht auf seinem Grundstück setzen zu lassen, mit der Bemerkung, er habe eine funktionierende Hauskläranlage und brauche den Kanal nicht".

Ein Antrag des Rechtsvorgängers im Eigentum der Beschwerdeführerin (d. i. der Ehegatte der Beschwerdeführerin) vom 15. März 1995 um die Ausnahme von der mit rechtskräftigem Bescheid vom 17. März 1992 erfolgten Vorschreibung der Anschlusspflicht an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage wurde im gemeindebehördlichen Instanzenzug abgewiesen. Die gegen die abweisende Vorstellungsentscheidung der O.ö. Landesregierung vom 29. August 1997 erhobene Beschwerde der auch hier beschwerdeführenden Partei wurde mit hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1998, Zl. 97/05/0277, als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid vom 13. August 1999 wurde der Beschwerdeführerin von der Bezirkshauptmannschaft Perg unter Hinweis auf den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Windhaag bei Perg vom 17. März 1992 gemäß § 5 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG) eine Zwangsstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Haft von einer Woche) angedroht und für die Vorlage eines konkreten Hauskanalanschlussprojektes bei der Gemeinde Windhaag bei Perg als Baubehörde eine Frist von vier Wochen eingeräumt. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 18. Oktober 1999 wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 5 VVG eine Zwangsstrafe von S 3.000,-- verhängt und gleichzeitig eine neue Frist von vier Wochen zur Erfüllung der Kanalanschlussverpflichtung gesetzt; gleichzeitig wurde eine weitere Geldstrafe von S 6.000,-- angedroht. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 14. August 2000 wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 5 VVG eine weitere Zwangsstrafe von S 6.000,-- verhängt, weil sie ihrer Verpflichtung zur Herstellung des Hauskanalanschlusses zu ihrem Wohnhaus Pragtal 13 nicht nachgekommen ist. Gleichzeitig wurde eine weitere Zwangsstrafe in der Höhe von S 10.000,-- angedroht. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 5. Juni 2001 wurde über die Beschwerdeführerin die angedrohte Zwangsstrafe von S 10.000,-- gemäß § 5 VVG verhängt und als weitere Zwangsstrafe eine Haft von drei Tagen angedroht.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2004 teilte der Vertreter der Beschwerdeführerin der Bezirkshauptmannschaft Perg mit, dass das beauftragte Bauunternehmen den im Plan ausgewiesenen "überschütteten Hausanschlussschacht 'HA' am Nachbargrundstück" nicht freilegen habe können, weil die entsprechenden Höhenangaben fehlten. Die geforderten Planunterlagen (Schnitt mit Darstellung der Kanalführung und des Gefälles) könnten daher nicht erstellt werden.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2005 teilte die Bezirkshauptmannschaft Perg als Vollstreckungsbehörde der Beschwerdeführerin mit, dass der Hausanschlussschacht "- wie auf der Skizze dargestellt und mit der Bemerkung "/O 80 überschüttet" versehen -" tatsächlich nicht hergestellt worden sei. Ursache hiefür sei die ablehnende Haltung des Ehegatten der Beschwerdeführerin, der den Bautechnikern die Errichtung des Schachtes verwehrt habe.

Mit dem am 25. Juli 2005 bei der Bezirkshauptmannschaft Perg eingelangten Wiedereinsetzungsantrag begehrte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfristen betreffend die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 18. Oktober 1999, 14. August 2000 und 5. Juni 2001 mit der Begründung, die Beschwerdeführerin sei bisher davon ausgegangen, dass das Kanalanschlussprojekt deshalb seitens des beauftragten Bauunternehmens nicht bewerkstelligt werden könne, weil die Lage des scheinbar existenten Hausanschlussschachtes in der Natur nicht vorgefunden werden könne. Wie sich nun erstmals auf Grund des "Bescheides" der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 11. Juli 2005, der Beschwerdeführerin zugestellt am 12. Juli 2005, herausgestellt habe, sei jedoch der Kanalanschlussschacht tatsächlich nicht hergestellt worden, sodass logischerweise auch seine Lage nicht vorgefunden habe werden können. Die Herstellung des Hauskanalschachtes falle jedoch in die Zuständigkeit der Gemeinde Windhaag bei Perg. Die genannten Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Perg seien deshalb rechtswidrig erlassen worden, weil die Gemeinde Windhaag bei Perg selbst die Voraussetzungen zur Erstellung des Kanalprojektes durch die Beschwerdeführerin nicht bewerkstelligt habe. Die Beschwerdeführerin habe darauf vertrauen dürfen, dass die Voraussetzungen für die Zwangsstrafe tatsächlich seitens der Gemeinde Windhaag bei Perg geschaffen worden seien. Dieses Vertrauen der Beschwerdeführerin sei auch nicht ein minderer Grad des Verschuldens, da prinzipiell davon auszugehen sei, dass eine Behörde Bescheide auf Grund der tatsächlichen und richtigen Gegebenheiten erlasse. Die Beschwerdeführerin habe daher gegen die Bescheide über die Verhängung der Zwangsstrafen keine Berufung erhoben, weil sie davon ausgehen habe müssen, dass die Voraussetzungen für die Erstellung des Kanalanschlussprojektes bereits 1999 seitens der Gemeinde Windhaag bei Perg geschaffen worden seien. Da sich erst jetzt herausstelle, dass diese Annahme irrtümlich erfolgt sei und auch die Vollstreckungsbehörde einem Irrtum erlegen sei, der mittlerweile aufgeklärt worden sei, treffe die Beschwerdeführerin kein Verschulden an der Versäumung der Berufungsfristen. Die Beschwerdeführerin habe einen Rechtsnachteil durch Bezahlung der verhängten Strafen erlitten. Die Verhängung der Geldstrafen sei rechtswidrig erfolgt.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 16. August 2005 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfristen betreffend die drei zitierten Bescheide gemäß § 71 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vorliege. Die Beschwerdeführerin sei nicht verhindert gewesen, die Berufungsfristen einzuhalten. Selbst wenn man der Beschwerdeführerin einen Irrtum bzw. mangelnde Rechtskenntnis zugestehen würde, sei sie nicht gehindert gewesen, sich über die Wirkung der drei Bescheide vorsorglich bei einem Rechtskundigen zu informieren. § 71 AVG gehe vom Eintreten eines Ereignisses aus. Ein Ereignis, das die Grundlage für eine Wiedereinsetzung bieten könnte, sei jedoch im vorliegenden Fall nicht eingetreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin sei einem Irrtum unterlegen. Sie sei davon ausgegangen, dass die Gemeinde Windhaag bei Perg die Voraussetzungen für den Kanalanschluss geschaffen habe und auf dieser Grundlage die Vollstreckungsbescheide erlassen worden seien. Dieser Irrtum sei für die Beschwerdeführerin ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis gewesen. Die Beschwerdeführerin habe daher gegen die Bescheide über die Verhängung der Zwangsstrafe keine Berufung erhoben, weil sie davon habe ausgehen müssen, dass die Voraussetzungen für die Erstellung eines Kanalanschlussprojektes bereits in den Jahren 1999 geschaffen worden seien.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin stützte ihren Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung von Rechtsmittelfristen gegen Vollstreckungsverfügungen auf die irrtümliche Annahme, dass der im Sinne des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde Windhaag bei Perg vom 17. März 1992 von dieser Gemeinde an der Grundgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin herzustellende Hausanschlussschacht tatsächlich auch verlegt worden ist.

Der behauptete Sachverhalt stellt jedoch keinen Wiedereinsetzungsgrund dar.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Zwar kann ein für die Versäumung der Prozesshandlung (hier Berufung gegen Vollstreckungsverfügungen) kausales Ereignis nicht nur ein tatsächliches, in der Außenwelt stattfindendes Geschehen, sondern prinzipiell jedes, auch inneres, psychisches Geschehen (z.B. Vergessen, Irrtum) sein (vgl. hiezu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Anm. 9 zu § 71 AVG, S. 1540, sowie den hg. Beschluss vom 24. Februar 2006, Zl. 2005/12/0237, mwN). Das Vertrauen auf die tatsächliche und rechtliche Richtigkeit eines Bescheides (hier: die Vollstreckungsbescheide) stellt jedoch kein (unvorhergesehenes oder unabwendbares) Ereignis dar (vgl. den hg. Beschluss vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/07/0222). Ein Irrtum über den Inhalt eines Bescheides bildet somit keinen Wiedereinsetzungsgrund (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2002, Zl. 99/21/0301).

Durch die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages ist daher die Beschwerdeführerin im Ergebnis nicht in ihren Rechten verletzt worden.

Da schon der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund kein solcher im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist, bedurfte es auch keiner weiteren Ermittlungen der belangten Behörde zu dem von der Beschwerdeführerin behaupteten Sachverhalt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. April 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006050017.X00

Im RIS seit

30.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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