TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/14 2006/10/0068

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Veröffentlicht am 14.05.2007
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

ABGB §140;
FamLAG 1967 §2;
FamLAG 1967;
SHG Wr 1973 §13 Abs3;
SHG Wr 1973 §13 Abs4;
SHG Wr 1973 §16 Abs1;
SHG Wr 1973 §16 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des W J in W, vertreten durch Dr. Ernst Schillhammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landesgerichtsstraße 12/4, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 30. September 2004, Zl. MA 15-II-2- 8672/04, betreffend Angelegenheiten nach dem Wiener Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 24. August 2004 wies der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 15, Sozialzentrum für den

3. und 11. Bezirk den Antrag des Beschwerdeführers vom 11. April 2004 auf Übernahme der Kosten für eine Zeckenschutzimpfung für seinen minderjährigen Sohn Marcel in Höhe von EUR 10,10 ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im strittigen Zeitraum Sozialhilfe bezogen. Bei der Berechnung seines Sozialhilfeanspruches sei der Richtsatz für den Hauptunterstützten und drei Mitunterstützte mit Familienbeihilfeanspruch in Höhe von EUR 788,93 zur Anwendung gebracht worden. Dieser Richtsatz sei ein gemäß § 13 Abs. 4 WSHG erhöhter Richtsatz. Eine Zeckenschutzimpfung sei nicht vom Begriff des § 16 WSHG umfasst, da es sich um keine Heilbehandlung, sondern um eine präventive Maßnahme handle. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, bei einer Zeckenschutzimpfung handle es sich um eine Angelegenheit des Lebensunterhaltes nach § 12 WSHG, wobei diese zu den "anderen persönlichen Bedürfnissen" zähle, so sei zu bemerken, dass § 12 WSHG definiere, was darunter zu verstehen sei, nämlich insbesondere die Aufwendungen für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß. Da der Beschwerdeführer mitgeteilt habe, dass sein Sohn die Zeckenschutzimpfung im Zusammenhang mit der Teilnahme an Veranstaltungen durch die Schule und den Hort (Exkursionen) und an Familienurlauben benötige, handle es sich hiebei um Aufwendungen, die der Pflege der Beziehungen zur Umwelt und der Teilnahme am kulturellen Leben zuzurechnen seien, welche jedoch gemäß § 13 Abs. 3 WSHG durch den Richtsatz abgedeckt würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, eine FSME-Auffrischungsimpfung sei in einem Abstand von ungefähr drei bis vier Jahren durchzuführen. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass diese Impfung bereits im Richtsatz, welcher den monatlichen Bedarf decke, enthalten sei. Der Richtsatz sei dahin bemessen worden, dass der monatliche Bedarf gedeckt werde, die Kosten der Auffrischungsimpfung seien auch nicht in dem erhöhten Richtsatz mitumfasst. Darüber hinaus sei Sozialhilfe auch vorbeugend zu gewähren (§ 4 WSHG). Wenn eine Auffrischungsimpfung auch nach Ansicht der belangten Behörde keine Heilbehandlung darstelle und daher nicht unter § 16 WSHG falle, sei dennoch zu bedenken, dass FSME-Auffrischungsimpfungen der medizinischen Vorbeugung dienten. Diese Präventionsmaßnahme werde unter anderem vom Gesundheitsministerium propagiert und gefördert. Komme es mangels vorbeugender Schutzimpfung zu einem Krankheitsfall durch Zeckenbiss, welcher mitunter schwerwiegende Folgen nach sich ziehen könne, so seien in jedem Fall die Kosten der medizinischen Behandlung und Betreuung des Patienten höher, als jene der Auffrischungsimpfung. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass diese Kosten nicht ersetzt würden bzw. nicht unter das WSHG fielen. Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften werde geltend gemacht, dass die belangte Behörde die individuellen Bedürfnisse des Beschwerdeführers, die gemäß § 3 WSHG in die Überprüfung der Berechtigung seines Ansuchens mit einzubeziehen seien, von der belangten Behörde außer Acht gelassen worden seien. Hätte sie die individuellen Bedürfnisse/Lebensumstände des Beschwerdeführers und seines Sohnes Marcel eingehend geprüft, so wäre sie zu der Erkenntnis gelangt, dass die Auffrischungsimpfung unumgänglich sei und jedenfalls in den Bereich der individuellen Bedürfnisse falle, um am kulturellen und gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Damit wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dargetan. Gemäß § 16 Abs. 1 umfasst die Krankenhilfe Heilbehandlung einschließlich Zahnbehandlung (Z. 1), Versorgung mit Heilmitteln, Heilbehelfen, Körperersatzstücken und Zahnersatz (Z. 2), Untersuchung, Behandlung, Unterbringung und Pflege in Krankenanstalten (Z. 3) und Krankentransport (Z. 4). Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung kann zur Wiederherstellung oder Besserung der Gesundheit auch die Behandlung in Kuranstalten und Heilbädern gewährt werden. Nach dem Gesetzeswortlaut ist eine vorbeugende medizinische Maßnahme wie eine Zeckenschutzimpfung von der Krankenhilfe somit nicht umfasst.

Der Lebensbedarf des minderjährigen Marcel ist, soweit die in § 13 Abs. 3 WSHG genannten Komponenten in Rede stehen, durch die laufende Zuwendung des gemäß § 13 Abs. 4 WSHG erhöhten Richtsatzes gedeckt. Kosten für eine Zeckenschutzimpfung zählen - im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise - zu jenem Mehrbedarf, der mit Pflege und Erziehung eines Kindes im Allgemeinen verbunden ist und durch die Zuwendung der Familienbeihilfe gedeckt werden soll. Diese wird zwar dem Unterhaltspflichtigen ausbezahlt und ist Bestandteil von dessen Einkommen, es ist aber in Lehre und Rechtsprechung unstrittig, dass sie für den Unterhalt bzw. die Pflege des Kindes verwendet werden muss (vgl. etwa Stabentheiner in Rummel3 Rz 12b zu § 140 ABGB). Die Familienbeihilfe ist ihrem Wesen nach Betreuungshilfe und soll deshalb als Zuschuss Pflege und Erziehung des Kindes erleichtern sowie die mit der Betreuung verbundenen Mehrbelastungen - zumindest zum Teil - ausgleichen. Sie ist als Sozialbeihilfe des öffentlichen Rechts eine besondere Form der Drittzuwendung. Der Staat verfolgt mit ihr einen doppelten Zweck: Den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und gleichzeitig die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten ("Familienlastenausgleich"). Die Familienbeihilfe wird demgemäß zwar dem Unterhaltspflichtigen ausbezahlt, ist aber ausschließlich für den Unterhaltsberechtigten zu verwenden (vgl. das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2006, Zl. 2004/10/0014).

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Aufwand von EUR 10,10 für die Auffrischungsimpfung - selbst unter Bedachtnahme auf eine Kürzung des Richtsatzes im Hinblick auf den Bezug von Familienbeihilfe - jenen Rahmen überstiege, in dem die Familienbeihilfe nach ihrer Zweckwidmung die Mehrbelastung von Familien durch Pflege und Erziehung von Kindern abdecken soll. Es ist somit die Auffassung der belangten Behörde, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Kosten für eine Zeckenschutzimpfung für eines seiner Kinder begründeten keinen Bedarf, der durch zusätzliche Leistungen der Sozialhilfe zu decken sei, nicht rechtswidrig.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich durch das Vorbringen der Beschwerde auch nicht veranlasst, der Anregung zu entsprechen, ein Normenprüfungsverfahren hinsichtlich der Richtsatzverordnung einzuleiten. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgerichtshof bereits zu im Wesentlichen inhaltsgleichen Beschwerden des Beschwerdeführers ausgesprochen hat (siehe den Beschluss vom 30. November 2004, B 19/04 u.a., mit dem der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zurückgewiesen und die Behandlung der Beschwerde abgelehnt wurde), dass die Beschwerde, soweit die Gesetzwidrigkeit der Richtsatzverordnung der Wiener Landesregierung LGBl. Nr. 13/1973 idF LGBl. Nr. 142/2001, behauptet wird, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. Mai 2007

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006100068.X00

Im RIS seit

20.06.2007

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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