TE Vwgh Erkenntnis 2007/6/28 2006/09/0140

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Veröffentlicht am 28.06.2007
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs4;
AVG §71 Abs1 Z1;
VStG §24;
VStG §51;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/09/0142 2006/09/0143

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerden des WP in Wien, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 32/15, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien 1. vom 19. Juni 2006, Zl. UVS- 07/V/8/5167/2006/1 (zur Zl. 2006/09/0140, protokolliert auch unter Zl. 2006/09/0144), betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Nichtigerklärung eines Bescheides, 2. vom 19. Juni 2006, Zl. UVS- 07/V/8/1477/2006/1 (zur Zl. 2006/09/0142), betreffend Zurückweisung einer Berufung, und 3. vom 19. Juni 2006, Zl. UVS- 07/A/8/1424/2006/2 (zur Zl. 2006/09/0143), betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach den angefochtenen Bescheiden und den dagegen gerichteten Beschwerden wurde dem Beschwerdeführer am 21. November 2005 ein Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 26. September 2005, mit welchem er wegen unerlaubter Beschäftigung von drei Ausländerinnen gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zu Geldstrafen von insgesamt EUR 8.000,-- und Ersatzfreiheitsstrafen von insgesamt vier Wochen, fünf Tagen und zwölf Stunden bestraft worden war, persönlich zugestellt. Der Beschwerdeführer hatte dies durch seine eigenhändige Unterschrift auf dem Rückschein bestätigt.

Mit Eingabe vom 19. Jänner 2006 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erstattung einer Rechtfertigung hinsichtlich des Schreibens der Behörde erster Instanz vom 29. August 2005, mit welchem er zur Rechtfertigung im Verwaltungsstrafverfahren aufgefordert worden war. Er habe nach einer durch seinen Vater am 18. Jänner 2006 durchgeführten Akteneinsicht erstmals von der Möglichkeit, sich im erstinstanzlichen Verfahren zu rechtfertigen, Kenntnis erlangt. Die schriftliche Aufforderung zur Rechtfertigung durch die Erstbehörde sei ihm auf Grund eines Zustellmangels noch gar nicht zugestellt worden. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 24. Jänner 2006, gemäß § 71 AVG i.V.m. § 24 VStG zurückgewiesen. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit dem drittangefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Wiedereinsetzungsantrag verspätet sei, weil er mehr als zwei Wochen nach Zustellung des Straferkenntnisses erster Instanz erhoben worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme auch ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe gar keine Frist versäumt, nicht in Betracht. Der Beschwerdeführer habe durch die Versäumung der Abgabe eine Rechtfertigung im erstinstanzlichen Verfahren auch keinen Rechtsnachteil erlitten, weil er die Möglichkeit habe, gegen das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz Berufung zu erheben.

Der Beschwerdeführer brachte am 19. Jänner 2006 bei der Behörde erster Instanz per Telefax eine Berufung gegen das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz ein. Diese wurde mit dem zweitangefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen. Im zweitangefochtenen Bescheid traf die Behörde die - vom Beschwerdeführer unbestrittene - Feststellung, dass er das Straferkenntnis am 21. November 2005 persönlich übernommen und erst am 19. Jänner 2006 eine Berufung eingebracht habe. Angesichts der in § 32 Abs. 2 AVG mit zwei Wochen festgesetzten Berufungsfrist, die im vorliegenden Fall am 5. Dezember 2005 geendet habe, sei die Berufung verspätet.

In seiner Berufungsschrift hatte der Beschwerdeführer auch den ausdrücklich an die belangte Behörde gerichteten Antrag gestellt, das erstinstanzliche Straferkenntnis gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG zu beheben. Dieser Antrag wurde mit dem erstangefochtenen Bescheid gemäß § 68 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass eine vom Beschwerdeführer geltend gemachte fehlerhafte Zustellung einer Aufforderung zur Rechtfertigung im Verwaltungsstrafverfahren keinen Fehler begründe, der durch eine gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit im Sinne des § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG bedroht sei. Weiters übersehe der Beschwerdeführer, dass der unabhängige Verwaltungssenat im Verhältnis zur Behörde erster Instanz nicht sachlich in Betracht kommende Oberbehörde sei, sondern vielmehr Instanz. Daher sei die belangte Behörde zur Entscheidung über einen Antrag gemäß § 68 Abs. 4 AVG nicht zuständig. Der ausdrücklich an die belangte Behörde gerichtete Antrag auf Nichtigerklärung gemäß § 68 Abs. 4 AVG sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

In seiner Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid bekämpft der Beschwerdeführer nicht, dass seine Berufung verspätet gewesen ist. Er hält den zweitangefochtenen Bescheid aber deswegen für rechtswidrig, weil er auch weitere Anträge, nämlich einen Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Rechtfertigungsfrist und einen Antrag auf Aufhebung gemäß § 68 Abs. 4 AVG gestellt habe, die belangte Behörde hätte seine Berufung nicht vor der Entscheidung über diese Anträge zurückweisen dürfen.

Durch den zweitangefochtenen Bescheid (Zurückweisung seiner Berufung als verspätet) wurde der Beschwerdeführer nicht in Rechten verletzt, weil die Berufung des Beschwerdeführers verspätet war und über die Frage der Verspätung eines Rechtsmittels unabhängig von einem bloß anhängigen, aber noch nicht bejahend entschiedenen Wiedereinsetzungsantrag (außer im Fall der Bewilligung einer aufschiebenden Wirkung im Sinne des § 71 Abs. 6 AVG) sogleich zu entscheiden ist (gemäß § 72 Abs. 1 AVG tritt der Zurückweisungsbescheid im Fall der Bewilligung der Wiedereinsetzung außer Kraft, vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Oktober 1986, Slg. N.F. 12.275/A). Auch eine Norm, derzufolge eine Berufungsbehörde nicht vor der Erledigung eines Ansuchens auf Nichtigerklärung eines Bescheides gemäß § 68 Abs. 4 AVG über die Rechtzeitigkeit einer gegen diesen gerichteten Berufung entscheiden dürfe, ist nicht zu ersehen.

Eine Rechtswidrigkeit des drittangefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer darin, dass die belangte Behörde die Verspätung seines Wiedereinsetzungsantrages zu Unrecht angenommen und ihm im Ergebnis ein Verfahren in einer Instanz vorenthalten habe sowie in Verfahrensmängeln, insbesondere der Unterlassung der Einvernahme eines Zeugen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag jedoch auch die im drittangefochtenen Bescheid vertretene Auffassung der belangten Behörde nicht als rechtswidrig finden, dass der Beschwerdeführer in dem gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahren angesichts der unbestritten erfolgten Zustellung des Straferkenntnisses erster Instanz schon mangels Rechtsnachteils im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG kein Recht auf Bewilligung der Wiedereinsetzung einer Rechtfertigungsfrist besaß, weil er die Möglichkeit hatte, einen allfälligen Mangel des Parteiengehörs im Verfahren vor der Behörde erster Instanz durch ein entsprechendes Berufungsvorbringen geltend zu machen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 7. September 1995, Slg. N.F. 14.314/A, m.w.N.).

Letztlich ist eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers auch durch den erstangefochtenen Bescheid, den er mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit behaftet sieht, zu verneinen. Zwar kann nach dem - gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden - § 68 Abs. 4 AVG ein Bescheid von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet (Z. 4). Auf die Ausübung dieses der Behörde zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht jedoch angesichts der ausdrücklichen Vorschrift des § 68 Abs. 7 AVG niemandem ein Anspruch zu (vgl. die von Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage 1998, zu § 68 AVG unter E 223 ff dargestellte hg. Rechtsprechung). Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer durch die mit dem erstangefochtenen Bescheid erfolgte Zurückweisung seines Antrages gemäß § 68 Abs. 4 AVG nicht in Rechten verletzt worden ist.

Nach dem Gesagten waren die Beschwerden, deren Inhalt bereits erkennen ließ, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 28. Juni 2007

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel Verwaltungsstrafverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006090140.X00

Im RIS seit

26.07.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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