Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Unterbringungssache des Kurt G*****, infolge Revisionsrekurses des Patienten, vertreten durch die Patientenanwältin Mag. Maria Schütz, Verein für Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft & Bewohnervertretung, Mauer bei Amstetten, Landesklinikum Mostviertel, diese vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger und Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwälte in Wels, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 31. August 2006, GZ 10 R 50/06i-11, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Amstetten vom 27. Juli 2006, GZ Ub 450/06f-7, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die Sachentscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Begründung:
Der am 9. 2. 1960 geborene Kurt G***** wurde am 22. 6. 2006 ohne sein Verlangen im Landesklinikum Mostviertel Amstetten-Mauer untergebracht. Noch vor einer gerichtlichen Erstanhörung wurde die Unterbringung am 26. 6. 2006 aufgehoben. Danach wurde der Patient mit seinem Einverständnis noch bis 27. 7. 2006 in der Klinik weiterbehandelt.
Am 26. 7. 2006 beantragte die Patientenanwältin namens des Behandelten die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Unterbringung vom 22. 6. bis 26. 6. 2006 und der dem Patienten während seiner Unterbringung zwangsweise verabreichten Medikation sowie die Feststellung der Unzulässigkeit dieser Maßnahmen.
Das Erstgericht wies diesen Antrag als unzulässig zurück. Das „Eilverfahren" nach dem Unterbringungsgesetz sei im Fall einer aufrechten Unterbringung iSd Art 13 EMRK notwendig, um einen wirksamen Rechtsschutz des Patienten zu erreichen. Sobald die Unterbringung aufgehoben sei und keine Behandlung mehr gegen den Willen des Patienten stattfinde, bestehe kein spezifisches Bedürfnis nach einer raschen Entscheidung des Gerichts, das über das allgemeine Interesse an raschen und effizienten Gerichtsverfahren hinausginge. Auf eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Unterbringung seien die Verfahrensbestimmungen des Unterbringungsgesetzes zudem nicht ausgerichtet, sie seien für diesen Zweck unpraktikabel. Ein nach Aufhebung der freiheitsbeschränkenden Maßnahme gestellter Antrag auf Überprüfung, ob die Anhaltung und die während der Unterbringung vorgenommenen ärztlichen Behandlungen zu Recht erfolgt seien, sei nur dann zulässig, wenn er unverzüglich nach deren Beendigung gestellt werde, bzw wenn eine Erstanhörung stattgefunden und das Gericht eine (wenn auch nur vorläufige) Entscheidung über die Zulässigkeit der Unterbringung getroffen habe, oder wenn bei Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens eine Erstanhörung hätte stattfinden und eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Unterbringung hätte erfolgen müssen. Da der Überprüfungsantrag hier erst ein Monat nach Aufhebung der Unterbringung und in einem Verfahren gestellt worden sei, in dem gesetzeskonform keine Erstanhörung und Gerichtsentscheidung erfolgte, weil die Unterbringung vor Ablauf der Frist des § 19 Abs 1 UbG bereits wieder aufgehoben worden war, sei der Antrag mangels eines schützenswerten Rechtsschutzinteresses als unzulässig zurückzuweisen. Verfassungsrechtliche Bedenken stünden dieser Rechtsauffassung nicht entgegen, da dem Patienten der ordentliche Zivilrechtsweg offen stehe, der zur Gewährung angemessenen Rechtsschutzes ausreiche. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zwar sei in der bisherigen Rechtsprechung und in der Lehre die Auffassung vertreten worden, dass das Unterbringungsverfahren auch nach Aufhebung der Unterbringung Anwendung zu finden habe und eine rückschauende Überprüfung der Zulässigkeit der Unterbringung bzw der während der Unterbringung durchgeführten Behandlungen im Hinblick auf den stattgehabten Grundrechtseingriff nach den Grundsätzen des Unterbringungsverfahrens vorzunehmen sei, wobei das Antragsrecht jederzeit und unabhängig von Fristen ausgeübt werden könne. Das Erstgericht habe aber Aspekte aufgezeigt, zu denen eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs fehle. Tatsächlich bestehe im Falle der nachträglichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Unterbringung kein Bedarf mehr an einem „Eilverfahren" nach dem Unterbringungsgesetz. Dieses Verfahren sei nur darauf ausgerichtet, den aktuellen Zustand des Patienten so rasch als möglich zu erfassen und daraus den Schluss zu ziehen, ob die Unterbringung bzw eine Heilbehandlung erforderlich und zulässig sei. Es verliere seinen Sinn, wenn der Zustand, der die Unterbringung bzw Heilbehandlung erforderlich machte, bereits lange zurückliege und eine Untersuchung über den gegenwärtigen Zustand des Patienten keine verlässlichen Rückschlüsse auf den Zeitpunkt zulasse, in dem die Unterbringung bzw Heilbehandlung erfolgt war. Das „Eilverfahren" nach dem Unterbringungsgesetz biete dann sogar weniger wirksamen Rechtsschutz als ein zivilgerichtliches Verfahren. Der Revisionsrekurs des durch die Patientenanwältin vertretenen Patienten ist zulässig und berechtigt.Das Erstgericht wies diesen Antrag als unzulässig zurück. Das „Eilverfahren" nach dem Unterbringungsgesetz sei im Fall einer aufrechten Unterbringung iSd Artikel 13, EMRK notwendig, um einen wirksamen Rechtsschutz des Patienten zu erreichen. Sobald die Unterbringung aufgehoben sei und keine Behandlung mehr gegen den Willen des Patienten stattfinde, bestehe kein spezifisches Bedürfnis nach einer raschen Entscheidung des Gerichts, das über das allgemeine Interesse an raschen und effizienten Gerichtsverfahren hinausginge. Auf eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Unterbringung seien die Verfahrensbestimmungen des Unterbringungsgesetzes zudem nicht ausgerichtet, sie seien für diesen Zweck unpraktikabel. Ein nach Aufhebung der freiheitsbeschränkenden Maßnahme gestellter Antrag auf Überprüfung, ob die Anhaltung und die während der Unterbringung vorgenommenen ärztlichen Behandlungen zu Recht erfolgt seien, sei nur dann zulässig, wenn er unverzüglich nach deren Beendigung gestellt werde, bzw wenn eine Erstanhörung stattgefunden und das Gericht eine (wenn auch nur vorläufige) Entscheidung über die Zulässigkeit der Unterbringung getroffen habe, oder wenn bei Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens eine Erstanhörung hätte stattfinden und eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Unterbringung hätte erfolgen müssen. Da der Überprüfungsantrag hier erst ein Monat nach Aufhebung der Unterbringung und in einem Verfahren gestellt worden sei, in dem gesetzeskonform keine Erstanhörung und Gerichtsentscheidung erfolgte, weil die Unterbringung vor Ablauf der Frist des Paragraph 19, Absatz eins, UbG bereits wieder aufgehoben worden war, sei der Antrag mangels eines schützenswerten Rechtsschutzinteresses als unzulässig zurückzuweisen. Verfassungsrechtliche Bedenken stünden dieser Rechtsauffassung nicht entgegen, da dem Patienten der ordentliche Zivilrechtsweg offen stehe, der zur Gewährung angemessenen Rechtsschutzes ausreiche. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zwar sei in der bisherigen Rechtsprechung und in der Lehre die Auffassung vertreten worden, dass das Unterbringungsverfahren auch nach Aufhebung der Unterbringung Anwendung zu finden habe und eine rückschauende Überprüfung der Zulässigkeit der Unterbringung bzw der während der Unterbringung durchgeführten Behandlungen im Hinblick auf den stattgehabten Grundrechtseingriff nach den Grundsätzen des Unterbringungsverfahrens vorzunehmen sei, wobei das Antragsrecht jederzeit und unabhängig von Fristen ausgeübt werden könne. Das Erstgericht habe aber Aspekte aufgezeigt, zu denen eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs fehle. Tatsächlich bestehe im Falle der nachträglichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Unterbringung kein Bedarf mehr an einem „Eilverfahren" nach dem Unterbringungsgesetz. Dieses Verfahren sei nur darauf ausgerichtet, den aktuellen Zustand des Patienten so rasch als möglich zu erfassen und daraus den Schluss zu ziehen, ob die Unterbringung bzw eine Heilbehandlung erforderlich und zulässig sei. Es verliere seinen Sinn, wenn der Zustand, der die Unterbringung bzw Heilbehandlung erforderlich machte, bereits lange zurückliege und eine Untersuchung über den gegenwärtigen Zustand des Patienten keine verlässlichen Rückschlüsse auf den Zeitpunkt zulasse, in dem die Unterbringung bzw Heilbehandlung erfolgt war. Das „Eilverfahren" nach dem Unterbringungsgesetz biete dann sogar weniger wirksamen Rechtsschutz als ein zivilgerichtliches Verfahren. Der Revisionsrekurs des durch die Patientenanwältin vertretenen Patienten ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Leitende Zielsetzung bei der Neuordnung des Unterbringungsrechts war der Ausbau des Rechtsschutzes für jene Patienten, die im Rahmen stationärer psychiatrischer Einrichtungen Beschränkungen ihrer Rechte unterworfen werden. Allgemeines Ziel der Regelungen des Unterbringungsgesetzes (UbG) ist es, derartige Beschränkungen nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß zur Abwehr schwerwiegender Gefahren zuzulassen, erforderliche Beschränkungen einer wirksamen (gerichtlichen) Kontrolle zu unterwerfen sowie rechtswidrige Unterbringungen zu beseitigen. Ungerechtfertigten Beschränkungen soll der psychisch Kranke selbst entgegentreten können; falls er dazu nicht imstande ist, sind seine Interessen von einem „fachkundigen und engagierten" Vertreter wahrzunehmen (Kopetzki, Grundriß des Unterbringungsrechts² Rz 13). Im Hinblick auf diese Zielsetzungen des UbG hat sich nach anfänglichen Unklarheiten über den maßgeblichen Prüfungszeitpunkt die Auffassung durchgesetzt, dass das Gericht nicht bloß über die zukünftige Zulässigkeit der Unterbringung entscheidet, sondern dass auch eine rückschauende ex-post-Beurteilung des vor dem Entscheidungszeitpunkt liegenden Unterbringungszeitraums vorzunehmen ist (Kopetzki, aaO Rz 310). In Fällen, in welchen ein gerichtlicher Beschluss das Grundrecht des Menschen auf persönliche Freiheit berührt (Art 5 Abs 1 lit e EMRK bzw Art 2 Abs 2 Z 5 des B-VG über den Schutz der persönlichen Freiheit vom 29. 11. 1988, BGBl 684), ist nach ständiger Rechtsprechung dem in diesem Recht Beeinträchtigten auch noch nach Aufhebung freiheitsbeschränkender Maßnahmen - also nach Aufhebung der Unterbringung - ein rechtliches Interesse an der Feststellung zuzubilligen, dass die freiheitsbeschränkende Vorkehrung zu Unrecht erfolgt sei (1 Ob 600/92; 1 Ob 584/93; 1 Ob 518/93; Kopetzki, aaO Rz 310, 727). Grundrechtsverletzungen können aber nicht allein durch gerichtliche Entscheidungen erfolgen, sondern auch durch Maßnahmen, die von Ärzten zufolge der ihnen im Rahmen der Psychiatrie übertragenen staatlichen Zwangsbefugnisse gesetzt werden (SZ 65/92). Es ist also jede freiheitsbeschränkende Maßnahme in der Anstalt auch im Nachhinein einer gerichtlichen Prüfung nach Maßgabe der §§ 18 ff UbG zugänglich, auch eine im Zeitraum zwischen zwangsweiser Einlieferung bzw dem Beginn der Beschränkung und dem Abschluss der fachärztlichen Aufnahmeuntersuchung (2 Ob 25/97h; SZ 71/10). Diese Kontrollbefugnis besteht unabhängig davon, ob die ärztlichen Zeugnisse tatsächlich erstellt wurden oder (nach deren Erstellung) die Unterbringung noch vor der Erstanhörung aufgehoben wurde (SZ 71/10). In einem solchen Fall ist über die Zulässigkeit der Unterbringung eine abschließende rückschauende Feststellung zu treffen, weil sich ein Feststellungsanspruch des Patienten schon aus verfassungsrechtlichen Überlegungen ergibt (5 Ob 571/93 unter ausdrücklicher Ablehnung der Entscheidung 4 Ob 527/92; RIS-Justiz RS0074643). Bei verfassungskonformer Auslegung des UbG im Lichte des Art 13 EMRK sind ebenso ärztliche Behandlungen ohne oder gegen den Willen des untergebrachten Patienten auch noch nach ihrer Beendigung der gerichtlichen Kontrolle unterlegen (SZ 65/92; Kopetzki aaO, Rz 727 mwN).Leitende Zielsetzung bei der Neuordnung des Unterbringungsrechts war der Ausbau des Rechtsschutzes für jene Patienten, die im Rahmen stationärer psychiatrischer Einrichtungen Beschränkungen ihrer Rechte unterworfen werden. Allgemeines Ziel der Regelungen des Unterbringungsgesetzes (UbG) ist es, derartige Beschränkungen nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß zur Abwehr schwerwiegender Gefahren zuzulassen, erforderliche Beschränkungen einer wirksamen (gerichtlichen) Kontrolle zu unterwerfen sowie rechtswidrige Unterbringungen zu beseitigen. Ungerechtfertigten Beschränkungen soll der psychisch Kranke selbst entgegentreten können; falls er dazu nicht imstande ist, sind seine Interessen von einem „fachkundigen und engagierten" Vertreter wahrzunehmen (Kopetzki, Grundriß des Unterbringungsrechts² Rz 13). Im Hinblick auf diese Zielsetzungen des UbG hat sich nach anfänglichen Unklarheiten über den maßgeblichen Prüfungszeitpunkt die Auffassung durchgesetzt, dass das Gericht nicht bloß über die zukünftige Zulässigkeit der Unterbringung entscheidet, sondern dass auch eine rückschauende ex-post-Beurteilung des vor dem Entscheidungszeitpunkt liegenden Unterbringungszeitraums vorzunehmen ist (Kopetzki, aaO Rz 310). In Fällen, in welchen ein gerichtlicher Beschluss das Grundrecht des Menschen auf persönliche Freiheit berührt (Artikel 5, Absatz eins, Litera e, EMRK bzw Artikel 2, Absatz 2, Ziffer 5, des B-VG über den Schutz der persönlichen Freiheit vom 29. 11. 1988, BGBl 684), ist nach ständiger Rechtsprechung dem in diesem Recht Beeinträchtigten auch noch nach Aufhebung freiheitsbeschränkender Maßnahmen - also nach Aufhebung der Unterbringung - ein rechtliches Interesse an der Feststellung zuzubilligen, dass die freiheitsbeschränkende Vorkehrung zu Unrecht erfolgt sei (1 Ob 600/92; 1 Ob 584/93; 1 Ob 518/93; Kopetzki, aaO Rz 310, 727). Grundrechtsverletzungen können aber nicht allein durch gerichtliche Entscheidungen erfolgen, sondern auch durch Maßnahmen, die von Ärzten zufolge der ihnen im Rahmen der Psychiatrie übertragenen staatlichen Zwangsbefugnisse gesetzt werden (SZ 65/92). Es ist also jede freiheitsbeschränkende Maßnahme in der Anstalt auch im Nachhinein einer gerichtlichen Prüfung nach Maßgabe der Paragraphen 18, ff UbG zugänglich, auch eine im Zeitraum zwischen zwangsweiser Einlieferung bzw dem Beginn der Beschränkung und dem Abschluss der fachärztlichen Aufnahmeuntersuchung (2 Ob 25/97h; SZ 71/10). Diese Kontrollbefugnis besteht unabhängig davon, ob die ärztlichen Zeugnisse tatsächlich erstellt wurden oder (nach deren Erstellung) die Unterbringung noch vor der Erstanhörung aufgehoben wurde (SZ 71/10). In einem solchen Fall ist über die Zulässigkeit der Unterbringung eine abschließende rückschauende Feststellung zu treffen, weil sich ein Feststellungsanspruch des Patienten schon aus verfassungsrechtlichen Überlegungen ergibt (5 Ob 571/93 unter ausdrücklicher Ablehnung der Entscheidung 4 Ob 527/92; RIS-Justiz RS0074643). Bei verfassungskonformer Auslegung des UbG im Lichte des Artikel 13, EMRK sind ebenso ärztliche Behandlungen ohne oder gegen den Willen des untergebrachten Patienten auch noch nach ihrer Beendigung der gerichtlichen Kontrolle unterlegen (SZ 65/92; Kopetzki aaO, Rz 727 mwN).
Auch zu den von den Vorinstanzen geäußerten Bedenken, das Verfahren nach dem UbG sei zur nachträglichen Feststellung über die Zulässigkeit der Unterbringung ungeeignet, hat der Oberste Gerichtshof bereits Stellung genommen und ausgesprochen, dass weder die Entstehungsgeschichte des Gesetzes noch das Wesen seiner Verfahrensbestimmungen eine grundrechtskonforme Interpretation der dem Patienten gewährten Rechtsschutzeinrichtungen im Sinne einer nachträglichen gerichtlichen Kontrollbefugnis - im Rahmen des UbG - ausschließen (5 Ob 571/93). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an; die von den Vorinstanzen aufgezeigten Gesichtspunkte bieten keinen Anlass, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzugehen.
Eine Frist für das Stellen eines Antrags auf nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Unterbringung oder einer während der Unterbringung erfolgten ärztlichen Behandlung ist im UbG nicht vorgesehen. Dass die nachprüfende Kontrolle durch die Unterbringungsgerichte zeitlich unbeschränkt bzw unbegrenzt ist, wurde deshalb von Rechtsprechung und Lehre bisher nicht in Frage gestellt (SZ 65/92; 4 Ob 527/92; JBl 1994, 770 [773]; Kopetzki, Unterbringungsrecht² Rz 633). Ein die Prüfungsbefugnisse der Unterbringungsgerichte einschränkendes Erfordernis „unverzüglicher" Antragstellung steht mit dem UbG und dessen Zielsetzung des Ausbaus eines umfassenden Rechtsschutzes nicht im Einklang. Zutreffend weist der Revisionsrekurswerber letztlich darauf hin, dass die grundrechtlich gewährleisteten Ansprüche auf eine gerichtliche Überprüfung freiheitsentziehender Maßnahmen bzw deren Vollziehung, wie sie das UbG enthält, auf eine nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle abzielen, nicht hingegen auf die Geltendmachung zivilrechtlicher Haftung. Die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs kann im Einzelfall zwar als Beschwerde iSd Art 13 EMRK angesehen werden; den Mangel eines anderweitigen Rechtsschutzsystems vermag das Amtshaftungsrecht aber nicht zu kompensieren, weil seine eingeschränkten materiellen Anspruchsgrundlagen keine Gewähr dafür bieten, dass der Betroffene eine Entscheidung über die behauptete Konventionsverletzung erhält. Eine Amtshaftungsklage kann an der Nichterfüllung von Haftungsvoraussetzungen scheitern, auf die es im Lichte des Art 13 EMRK nicht ankommt (Kopetzki, Unterbringungsrecht I 393 mwN). Das Amtshaftungsrecht bietet also nur ein zusätzliches Rechtsschutzinstrumentarium, das die spezifischen Rechtsschutzansprüche, wie sie im UbG vorgesehen sind, nicht ersetzen kann.Eine Frist für das Stellen eines Antrags auf nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Unterbringung oder einer während der Unterbringung erfolgten ärztlichen Behandlung ist im UbG nicht vorgesehen. Dass die nachprüfende Kontrolle durch die Unterbringungsgerichte zeitlich unbeschränkt bzw unbegrenzt ist, wurde deshalb von Rechtsprechung und Lehre bisher nicht in Frage gestellt (SZ 65/92; 4 Ob 527/92; JBl 1994, 770 [773]; Kopetzki, Unterbringungsrecht² Rz 633). Ein die Prüfungsbefugnisse der Unterbringungsgerichte einschränkendes Erfordernis „unverzüglicher" Antragstellung steht mit dem UbG und dessen Zielsetzung des Ausbaus eines umfassenden Rechtsschutzes nicht im Einklang. Zutreffend weist der Revisionsrekurswerber letztlich darauf hin, dass die grundrechtlich gewährleisteten Ansprüche auf eine gerichtliche Überprüfung freiheitsentziehender Maßnahmen bzw deren Vollziehung, wie sie das UbG enthält, auf eine nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle abzielen, nicht hingegen auf die Geltendmachung zivilrechtlicher Haftung. Die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs kann im Einzelfall zwar als Beschwerde iSd Artikel 13, EMRK angesehen werden; den Mangel eines anderweitigen Rechtsschutzsystems vermag das Amtshaftungsrecht aber nicht zu kompensieren, weil seine eingeschränkten materiellen Anspruchsgrundlagen keine Gewähr dafür bieten, dass der Betroffene eine Entscheidung über die behauptete Konventionsverletzung erhält. Eine Amtshaftungsklage kann an der Nichterfüllung von Haftungsvoraussetzungen scheitern, auf die es im Lichte des Artikel 13, EMRK nicht ankommt (Kopetzki, Unterbringungsrecht römisch eins 393 mwN). Das Amtshaftungsrecht bietet also nur ein zusätzliches Rechtsschutzinstrumentarium, das die spezifischen Rechtsschutzansprüche, wie sie im UbG vorgesehen sind, nicht ersetzen kann.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen besteht sohin auch im vorliegenden Fall ein rechtliches Interesse des von der Unterbringung Betroffenen an der gerichtlichen Überprüfung, ob seine Unterbringung bzw die im Rahmen der Unterbringung erfolgte zwangsweise Verabreichung eines Medikaments zu Unrecht erfolgt sei. Dem Revisionsrekurs ist deshalb Folge zu geben und dem Erstgericht die Sachentscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
Anmerkung
E832791Ob235.06zSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZak 2007/233 S 134 - Zak 2007,134 = RdM 2007/57 S 87 - RdM 2007,87 =EF-Z 2007/88 S 148 - EF-Z 2007,148 = EFSlg 117.628 = EFSlg 117.629XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:0010OB00235.06Z.0123.000Zuletzt aktualisiert am
12.06.2009