TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/26 2007/21/0238

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Veröffentlicht am 26.09.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
22/01 Jurisdiktionsnorm;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §3 Z3;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §6 Abs1;
FrPolG 2005 §6 Abs2;
JN §66 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des C, vertreten durch Mag. Gerald Hegenbart, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser-Franz-Ring 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 14. März 2007, Zl. Fr- 1875/06, betreffend Behebung eines Bescheides wegen Unzuständigkeit in einer fremdenrechtlichen Angelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, wurde mit gerichtlichem Strafurteil vom 9. Dezember 2002 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von siebeneinhalb Jahren verurteilt. Beginnend mit 16. Jänner 2004 (bis zur Verlegung am 15. März 2007) verbüßte er diese Strafe in der - im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn gelegenen - Justizanstalt Sonnberg.

Der Beschwerdeführer stellte mit Schreiben vom 21. August 2006 einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Nigeria, der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 5. Dezember 2006 gemäß § 51 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG zurückgewiesen wurde.

Dieser Bescheid wurde infolge Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 14. März 2007 wegen Unzuständigkeit der Erstbehörde ersatzlos behoben.

In der Begründung ging die belangte Behörde unter Bezugnahme auf § 6 Abs. 1 und 2 FPG davon aus, dass ein - wie im Fall eines Untersuchungs- oder Strafhäftlings - zwangsweise begründeter Aufenthaltsort kein Wohnsitz sei. Durch die seit der Festnahme am 13. Mai 2002 erfolgten Aufenthalte in verschiedenen Justizanstalten habe der Beschwerdeführer somit keinen neuen Wohnsitz begründet. Die weiteren Überlegungen der belangten Behörde lassen sich dahin verstehen, der Beschwerdeführer könnte noch in Wien einen Wohnsitz haben, weil er dort vor seiner Festnahme (gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau) seinen Hauptwohnsitz gehabt habe und an dieser Adresse noch immer aufrecht gemeldet sei. Relativierend führte die belangte Behörde dann aber weiter aus, "selbst bei Annahme", dass der Beschwerdeführer keinen Hauptwohnsitz im Bereich der Bundespolizeidirektion Wien habe "(die Tatsache einer aufrechten Meldung allein ist dafür nicht relevant)", ergebe sich keine örtliche Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn, zumal während des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in der Justizanstalt Sonnberg "kein erstes behördliches Einschreiten nach diesem Bundesgesetz erfolgte". Die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn habe daher - so die belangte Behörde abschließend - den gegenständlichen Feststellungsantrag als örtlich unzuständige Behörde zurückgewiesen. Das sei von Amts wegen aufzugreifen und der erstinstanzliche Bescheid somit ersatzlos zu beheben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde wendet sich gegen die Annahme der Unzuständigkeit der Erstbehörde und macht der Sache nach geltend, der Beschwerdeführer sei durch die angefochtene Behebung des erstinstanzlichen Bescheides in seinem Recht auf Sachentscheidung über die Berufung verletzt. Das trifft zu:

Die örtliche Zuständigkeit in einem Verfahren wie dem vorliegenden auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach § 51 FPG richtet sich gemäß § 6 Abs. 1 FPG nach dem vom Fremden im Inland begründeten Hauptwohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 7 MeldeG, in Ermangelung eines solchen nach einem sonstigen Wohnsitz des Fremden im Bundesgebiet. Hat dieser keinen Wohnsitz in Österreich, richtet sich die Zuständigkeit gemäß § 6 Abs. 2 FPG "nach seinem Aufenthalt zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens nach diesem Bundesgesetz".

Der belangten Behörde ist zuzugestehen, dass in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Auffassung vertreten wurde, ein zwangsweise begründeter Aufenthalt eines Häftlings sei kein Wohnsitz (vgl. das schon im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis vom 15. Dezember 2005, Zl. 2001/18/0230, mwN). Um so weniger könnte in diesen Fällen das Vorliegen eines Hauptwohnsitzes angenommen werden.

In ihrer Eventualüberlegung hat die belangte Behörde auch richtig erkannt, dass angesichts der bloßen Meldung an einer Anschrift in Wien nicht davon ausgegangen werden kann, der Beschwerdeführer habe - trotz seiner seit der Festnahme Mitte Mai 2002 erfolgten Anhaltung in Justizanstalten zur Verbüßung einer siebeneinhalbjährigen Freiheitsstrafe - im Jahre 2006 dort immer noch seinen (Haupt)Wohnsitz gehabt. In der Gegenschrift wird erkennbar auch eingeräumt, dass dies ohne weitere Ermittlungen, die aus der Sicht der belangten Behörde mangels Relevanz unterlassen worden seien, nicht angenommen werden könnte.

Davon ausgehend kommt es für die Frage der örtlichen Zuständigkeit zur Entscheidung über den gegenständlichen Feststellungsantrag gemäß § 6 Abs. 2 FPG auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers "im Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens nach diesem Bundesgesetz" an (vgl. auch in diesem Zusammenhang das schon zitierte Erkenntnis Zl. 2001/18/0230, und daran anknüpfend das ebenfalls noch zu § 91 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 ergangene Erkenntnis vom 19. Dezember 2006, Zl. 2003/21/0160; zu § 67 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992 siehe das Erkenntnis vom 13. Oktober 2000, Zl. 96/18/0096).

Die belangte Behörde ist - ohne dies näher zu begründen - im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, während des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in der Justizanstalt Sonnberg sei durch die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn "kein erstes behördliches Einschreiten nach diesem Bundesgesetz erfolgt". Das ist für sich genommen nicht nachvollziehbar, wurde doch der zunächst an das Bundesministerium für Inneres gerichtete Antrag des Beschwerdeführers nach der Aktenlage im Wege der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (offenbar in Anwendung des § 6 Abs. 1 AVG) am 14. September 2006 der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn übermittelt, die in der Folge - nach einem mit Schreiben vom 7. November 2006 erfolgten Vorhalt an den Beschwerdeführer über die hinsichtlich seines Antrages beabsichtigte Vorgangsweise - den erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid vom 5. Dezember 2006 erließ. Dass eine andere Behörde davor "nach diesem Bundesgesetz" eingeschritten wäre, ist nicht erkennbar; das wird auch im angefochtenen Bescheid nicht aufgezeigt.

Sollte die belangte Behörde dabei die Ende 1999 erfolgte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer durch die Bundespolizeidirektion Linz vor Augen gehabt haben, dann übersah sie, dass § 6 Abs. 2 FPG - anders als der bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen § 91 Abs. 1 erster Satz des Fremdengesetzes 1997 - ausdrücklich auf Verfahrenshandlungen "nach diesem Bundesgesetz", also nach dem FPG abstellt.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde nahm die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn somit ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Nigeria zu Recht in Anspruch. Die belangte Behörde hätte daher den erstinstanzlichen Bescheid nicht ersatzlos beheben dürfen, sondern die Berufung inhaltlich erledigen müssen.

Demnach war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 26. September 2007

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007210238.X00

Im RIS seit

31.10.2007

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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