TE Vwgh Erkenntnis 2007/11/20 2007/11/0153

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Veröffentlicht am 20.11.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §32 Abs1 Z1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z10;
FSG 1997 §7;
StGB §142 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Elmar Kresbach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/29, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 16. Juli 2007, Zl. UVS-FSG/18/2594/2007-4, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Verfügung eines Lenkverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 16. Juli 2007 entzog der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (UVS) dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klasse B für den Zeitraum von zehn Monaten, gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides (am 27. Februar 2007), somit bis zum 27. Dezember 2007. Für denselben Zeitraum wurde dem Beschwerdeführer das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen verboten.

Begründend führte der UVS aus, der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. November 2006 wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung gemäß § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt worden, wobei 14 Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden seien. In der Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er habe die Tat nicht geplant, sondern völlig spontan begangen, er sei verzweifelt gewesen, weil sich seine Ehefrau die Pulsadern habe aufschneiden wollen, zumal er seinen letzten Lohn beim Glücksspiel verloren hätte, und er offene Schulden zurückzuzahlen gehabt hätte. In dieser Verzweiflung und in einer Kurzschlusshandlung habe er versucht, seine Familie mit einem Raubüberfall unter Verwendung einer Spielzeugpistole vor dem finanziellen Untergang zu retten. Die in dieser Tat verwirklichte kriminelle Energie sei minimal gewesen. Es habe zu keinem Zeitpunkt infolge Verwendung der Spielzeugpistole eine Gefahr für Leib und Leben bestanden, weshalb die Gefährlichkeit der Verhältnisse bei der Begehung der Tat als äußerst gering einzustufen sei. Die Tatbegehung liege bereits mehrere Monate zurück.

Die Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers durch die Behörde erster Instanz sei "an sich" zu Recht erfolgt. Da das Gericht keine erschwerenden Umstände gesehen habe und auf den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Beschwerdeführers in seiner Urteilsbegründung Bezug genommen habe, sei auch die erkennende Behörde der Ansicht, dass mit einer wesentlich kürzeren Entziehungsdauer der Lenkberechtigung sowie des ausgesprochenen Lenkverbotes, nämlich zehn Monaten anstatt 18 Monaten, das Auslangen gefunden werden könne, um feststellen zu können, ob eine Änderung der Sinnesart des Beschwerdeführers "im Geiste" des § 7 FSG stattgefunden habe und er somit im Sinne des Gesetzes über eine ausreichende Verkehrszuverlässigkeit verfüge, die ihn dazu geeignet mache, verantwortlich als Lenker eines Kraftfahrzeuges am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

1. das für die angestrebte Klasse erforderliche Mindestalter erreicht haben (§ 6),

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(2) Handelt es sich bei den in Abs. 3 angeführten Tatbeständen um Verkehrsverstöße oder strafbare Handlungen, die im Ausland begangen wurden, so sind diese nach Maßgabe der inländischen Rechtsvorschriften zu beurteilen.

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

10. eine strafbare Handlung gemäß den §§ 102 (erpresserische Entführung), 131 (räuberischer Diebstahl), 142 und 143 (Raub und schwerer Raub) StGB begangen hat;

4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.

...

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5

ein neuer Führerschein auszustellen.

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. Sind für die Person, der die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit zu entziehen ist, zum Zeitpunkt der Entziehung im Vormerksystem (§ 30a) Delikte vorgemerkt, so ist für jede dieser im Zeitpunkt der Entziehung bereits eingetragenen Vormerkungen die Entziehungsdauer um zwei Wochen zu verlängern; davon ausgenommen sind Entziehungen auf Grund des § 7 Abs. 3 Z 14 und 15.

...

Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen

§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 3 und 4, 25, 26, 29 sowie 30a entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1. ausdrücklich zu verbieten,

..."

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Die belangte Behörde begründet die Herabsetzung der von der Erstbehörde ausgesprochenen Entziehungsdauer bzw. der Dauer des Lenkverbots auf zehn Monate ab Erlassung des erstbehördlichen Bescheides damit, dass damit das Auslangen gefunden werden könne, um feststellen zu können, ob eine Änderung der Sinnesart des Beschwerdeführers "im Geiste des § 7 FSG" stattgefunden habe und er somit im Sinne des Gesetzes über eine ausreichende Verkehrszuverlässigkeit verfüge, die ihn dazu geeignet mache, als verantwortlicher Lenker eines Kraftfahrzeugs am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Diese Begründung geht insoferne an den entscheidungsrelevanten Tatbestandsmerkmalen vorbei, als sowohl die Entziehung der Lenkberechtigung als auch das Lenkverbot nur für einen Zeitraum zulässig und geboten sind, für den schlüssig begründet werden kann, dass auf Grund bestimmter Tatsachen iSd § 7 FSG der Betreffende nicht verkehrszuverlässig ist. Die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung oder des Lenkverbotes ist keine Probezeit, sondern hat nach dem Gesetz eine begründete Prognose über die Dauer des Mangels der Verkehrsunzuverlässigkeit des von der Maßnahme Betroffenen widerzuspiegeln.

2.2. Dem angefochtenen Bescheid sind keine Feststellungen dahingehend zu entnehmen, wann und unter welchen näheren Umständen der Beschwerdeführer den Raub begangen hat, dessentwegen er vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt wurde. Dem angefochtenen Bescheid ist auch in keiner Weise zu entnehmen, aus welchen Gründen die belangte Behörde ungeachtet des Umstands, dass das Strafgericht die verhängte Strafe zum überwiegenden Teil unter Setzung einer Probezeit bedingt nachgesehen hat (14 von 20 Monaten), davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer erst nach dem 27. Dezember 2007 die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangen würde.

Diese Verfahrensfehler sind auch wesentlich:

Sollte das Vorbringen des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt und zu den näheren Umständen der Tat, insbesondere hinsichtlich seiner bis dahin bestehenden Unbescholtenheit und der Verwendung einer "Softgun", zutreffen (nach dem im Verwaltungsakt erliegenden strafgerichtlichen Urteil ist das der Fall), so wäre im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zur Begehung eines Raubes unter Verwendung einer Spielzeugpistole das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 2001/11/0119; zur Bedeutung der bedingten Nachsicht eines Teils einer Freiheitsstrafe zB. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2007, Zl. 2005/11/0190) die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei bis zum 27. Dezember 2007, also für einen Zeitraum von 17 Monaten nach der laut dem Strafurteil am 22. Juni 2006 verübten Tat, als verkehrsunzuverlässig anzusehen, verfehlt.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid - wegen prävalierender Rechtswidrigkeit des Inhalts - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. November 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007110153.X00

Im RIS seit

07.02.2008

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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