TE Vwgh Erkenntnis 2007/12/19 2006/08/0335

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Veröffentlicht am 19.12.2007
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Index

60/01 Arbeitsvertragsrecht;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

BSVG §2 Abs1 Z1;
BSVG §2 Abs2;
BSVG §3 Abs1 Z1;
BSVG §3 Abs2;
LAG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der A T in B, vertreten durch die Radel Stampf Supper Rechtsanwälte OEG in 7210 Mattersburg, Brunnenplatz 5b, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 3. November 2006, Zl. BMSG-323313/0001- II/A/3/2006, betreffend Versicherungspflicht in der Unfallversicherung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 BSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Pflichtversicherung der Beschwerdeführerin in der Unfallversicherung der Bauern gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 BSVG ab dem 8. November 1996 bis laufend festgestellt.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder und stellte die rechtlichen Grundlagen für ihre Entscheidung dar. Folgenden Sachverhalt hat sie als erwiesen angenommen:

"(Die Beschwerdeführerin) hat mit Übergabevertrag vom 8.11.1998 (gemeint wohl: 1996) das Grundstück Nr. 211/1 ... von ihren Eltern ... übernommen. Laut rechtskräftigen Einheitswertbescheid ... ist eine Teilfläche des Grundstückes im Ausmaß von 0,4616 ha als landwirtschaftlich genutzte Fläche mit einem Einheitswert von ATS 5.000,-- (EUR 363,37) bewertet worden.

Auf der gegenständlichen Grundfläche befinden sich eine Streuobstwiese mit Zierpflanzen und Gemüse (als Eigenbedarf) sowie etwa fünfzig verschiedene Obstbäume, bei denen ein Ausholzen (Obstbaumschnitt) erfolgt. Das Obst wird aufgesammelt bzw. verzehrt sowie teilweise eingekocht."

Dieser Sachverhalt ergebe sich aus den Verwaltungs- und Versicherungsakten sowie den glaubwürdigen und nachvollziehbaren Angaben der Beschwerdeführerin in einem Fragebogen hinsichtlich des Obstbaumbestandes (bzw. der Obst- und Gemüsemenge für den Eigenbedarf).

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde nach Darstellung einschlägiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Auffassung, im Beschwerdefall sei jenes Maß an Obstgewinnung und Obstverwertung überschritten worden, das nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als bloße Bewirtschaftung eines "Naschobstgartens" zu werten sei. Die Unfallversicherung sei daher zu Recht festgestellt worden. Ein Lokalaugenschein sei auf Grund der umfassenden Darstellung durch die Beschwerdeführerin selbst entbehrlich gewesen. Dass die Liegenschaft als Bauland gewidmet sei, ändere nichts an der rechtlichen Beurteilung. Auch sei ohne Bedeutung, dass die Beschwerdeführerin selbst keine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt habe, weil die persönliche Mitarbeit ebenso wenig wie Gewinnerzielungsabsicht erforderlich seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 BSVG sind in der Unfallversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, die im § 2 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. bezeichneten Personen pflichtversichert.

Bei den im § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG bezeichneten natürlichen Personen handelt es sich um Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird.

Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 LAG (in Verbindung mit der Umschreibung des Betriebsbegriffes im Arbeitsverfassungsrecht) ist dann gegeben, wenn innerhalb einer organisatorischen Einheit eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft allein oder mit Arbeitskräften mit Hilfe von technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse in der land- und forstwirtschaftlichen Produktion fortgesetzt verfolgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 1982, Zl. 81/08/0051). Zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion zählen nach § 5 Abs. 1 letzter Satz LAG die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues und der Baumschulen, das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse sowie die Jagd und Fischerei.

Die Pflichtversicherung gemäß § 3 Abs. 1 BSVG besteht nach § 3 Abs. 2 erster Satz BSVG in der hier zeitraumbezogenen anzuwendenden Fassung nur, wenn es sich um einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb handelt, dessen zuletzt im Sinne des § 25 des Bewertungsgesetzes festgestellter Einheitswert den Betrag von S 2.000,-- erreicht oder übersteigt oder für den ein Einheitswert aus anderen als den Gründen des § 25 Z. 1 des Bewertungsgesetzes nicht festgestellt wird.

Behauptet die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde, es fehlten im angefochtenen Bescheid Feststellungen darüber, dass sich die Obstbäume auf den der Land- und Forstwirtschaft gewidmeten Flächen befänden, ist sie auf die unbekämpft gebliebenden Feststellungen "Auf der gegenständlichen Grundfläche befinden sich eine Streuobstwiese mit Zierpflanzen und Gemüse (als Eigenbedarf) sowie etwa fünfzig verschiedene Obstbäume ..." zu verweisen. Für diese - wiederum unbekämpft festgestellt - "landwirtschaftlich genutzte Fläche" wurde ein über der Versicherungsgrenze liegender Einheitswert festgestellt.

Nach der Rechtsprechung kann eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung nicht angenommen werden, wenn Früchte nur fallweise reifen und deren Zahl bzw. Menge gerade ausreicht, um an Ort und Stelle verzehrt zu werden. Ist aber die Grenze zur Geringfügigkeit der geernteten Menge überschritten, entspricht die Menge somit nicht nur dem Ertrag von "Naschbäumen", liegt der Obstbau auf der Linie einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung. Selbst wenn der Obstbau ausschließlich für den Eigenbedarf erfolgt, liegt er, sobald die genannten Mengen überschritten werden, auf der Linie der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung (vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 2002, 2001/08/0201, mwN).

Ist im Beschwerdefall von einem durchschnittlichen Ertrag von 50 Obstbäumen auszugehen, kann nicht mehr von einer geringen Menge, die gerade zum Verzehr an Ort und Stelle ausreicht, die Rede sein (vgl. die Erkenntnisse vom 7. August 2002, Zl. 99/08/0043, und vom 21. Februar 2007, Zl. 2005/08/0131, wo bereits bei elf bzw. sieben Obstbäumen nicht mehr von einer geringfügigen Menge ausgegangen wurde).

Die Beschwerdeführerin bezweifelt in ihrer Beschwerde auch nicht, dass 50 Obstbäume die Annahme einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung rechtfertigten und sich daraus auf Grund des vorliegenden Einheitswertes der Liegenschaft für sie als Eigentümerin eine Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nach § 3 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 BSVG ergäbe.

In ihrer Beschwerde verweist die Beschwerdeführerin jedoch im Rahmen der Rechtsrüge auf den von ihr "in ihren Rechtsmitteln und Stellungnahmen ... umfangreich dargelegten" Standpunkt, ohne allerdings konkret auszuführen, inwiefern dieser Standpunkt bei gegebenem Sachverhalt - nur daran ist die rechtliche Beurteilung zu messen - eine Änderung der von der belangten Behörde vorgenommenen Beurteilung herbeigeführt hätte. Der Hinweis darauf, "dass lediglich ein geringer Verzehr von Früchten vorliegt, sodass durchaus von 'Naschbäumen' gesprochen werden kann", hat nicht den festgestellten Sachverhalt im Auge und ist mangels näherer Ausführungen auch sonst nicht geeignet, die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde in Frage zu stellen.

Eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sieht die Beschwerdeführerin zunächst in einer "Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes in wesentlichen Punkten", ohne jedoch im Konkreten darzulegen, welche Feststellungen die belangte Behörde auf Grund welcher Beweisergebnisse zu treffen gehabt hätte.

Nicht näher konkretisiert bleibt in diesem Zusammenhang auch die Behauptung, die belangte Behörde habe sich hinsichtlich ihrer Sachverhaltsfeststellungen lediglich auf die Angaben der Beschwerdeführerin im Fragebogenformular berufen und sich mit den für die Beschwerdeführerin günstigen Sachverhaltselementen nicht auseinandergesetzt. Welche konkreten Beweisergebnisse ein Lokalaugenschein bzw. die Einvernahme von Zeugen gebracht hätte, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf. Ein Hinweis auf das "umfangreiche Vorbringen" im Verwaltungsverfahren ersetzt nicht die Konkretisierung der Beschwerdegründe in der Beschwerde.

Bringt die Beschwerdeführerin nunmehr vor, der Hausgemüsegarten und die Bäume befänden sich nicht auf der für die Versicherungspflicht relevanten Fläche, handelt es sich um eine im Verwaltungsverfahren noch nicht behauptete Neuerung. Dort war lediglich - wiederum ohne nähere Konkretisierung - die Rede davon, dass ein Teil der Obstbäume auf Bauland stünde. Damit wird die Relevanz einer allenfalls unterlassenen Feststellung aber nicht aufgezeigt: Die Beschwerdeführerin ist nämlich darauf zu verweisen, dass nach § 2 Abs. 2 BSVG die Pflichtversicherung auf den Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes abstellt, wobei die nur die steuerliche Bewertung als landwirtschaftlich genützt, nicht aber die jeweilige Widmung der dem Betrieb dienenden Grundstücke von Bedeutung ist. Bauland oder Industriegebiet gewidmete Grundstücke sind nämlich der landwirtschaftlichen Nutzung nicht entzogen; es kommt nicht auf die allfällige raumordnungsrechtliche Widmungswidrigkeit der Nutzung, sondern darauf an, ob bzw. in welcher Form die Liegenschaft tatsächlich bewirtschaftet wird (vgl. das Erkenntnis vom 4. Oktober 2001, 98/08/0037).

Da die Beschwerdeführerin somit auch keinen relevanten Verfahrensfehler aufgezeigt hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und soweit Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EuGH hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren nur rechtliche oder "hoch-technische" Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies aber auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangswiese, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.

Zur Lösung der Rechtsfragen ist im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, im vorliegenden Fall dem einzigen Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK, nicht geboten. Der vorliegende Fall wirft aber auch sonst keine Fragen auf, die im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung erfordern. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 19. Dezember 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006080335.X00

Im RIS seit

01.02.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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