TE Vwgh Beschluss 2008/1/24 2007/09/0221

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Veröffentlicht am 24.01.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1002;
ABGB §1331;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1 impl;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2007/09/0222

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, 1. über den Antrag der M F in F, vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 29/1, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 9. August 2007, Zl. UVS 33.12-5/2007-15, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, und 2. über die Beschwerde gegen diesen Bescheid, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 9. August 2007 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Feldbach vom 4. Jänner 2007, mit welchem die Beschwerdeführerin schuldig erkannt worden war, entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG am 28. Juni 2005 fünf namentlich genannte slowenische Staatsangehörige beschäftigt zu haben, wofür sie mit fünf Geldstrafen in der Höhe von EUR 1.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit mit je 2 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Dieser Berufungsbescheid wurde der Rechtsvertreterin der beschwerdeführenden Partei Frau Dr. H B am 21. August 2007 zugestellt.

Der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird damit begründet, die Beschwerdeführerin habe ihrem Cousin Dr. A P, einem rechtskundigen Beamten des Landes Steiermark, vom Ergebnis des Berufungsverfahrens sowie davon Mitteilung gemacht, dass sie angesichts der begrenzten finanziellen Möglichkeit ein Kostenrisiko einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nicht eingehen könne, sie vielmehr zur Zahlung der Geldstrafe samt Kosten einen Kredit werde aufnehmen müssen. Die Beschwerdeführerin habe ihren Cousin auch nach seiner Rechtsmeinung gefragt, wobei dieser ihr mitgeteilt habe, er persönlich hätte eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben, jedoch betont habe, letztlich bleibe es ihre persönliche Entscheidung. Für den Fall, dass sie sich zur Beschwerdeerhebung entschließe, habe ihr Dr. P angeboten, eine Kopie des angefochtenen Bescheides einem ihm bekannten Rechtsanwalt zwecks Beschwerdeerhebung vorzulegen. Daraufhin habe die Beschwerdeführerin erklärt, sie wünsche, dass Dr. P den angefochtenen Bescheid seinem Rechtsanwalt zur Beschwerdeerhebung übermittle, und habe ihm eine Ausfertigung desselben ausgefolgt. Dr. P habe zugesichert, diese Unterlage persönlich dem ihm bekannten Rechtsanwalt auszuhändigen um diesen in die Lage zu versetzen, die Beschwerde zu erheben. Zwischen der Beschwerdeführerin und Dr. P sei vereinbart worden, dass sich der von ihm kontaktierte Rechtsanwalt nach Erhalt des zu bekämpfenden Bescheides direkt mit der Beschwerdeführerin in Verbindung setzen werde. Alles weitere würde dann persönlich zwischen dem Rechtsanwalt und der Beschwerdeführerin besprochen werden. Im Hinblick auf diese Vereinbarung sei von der Beschwerdeführerin das Vollmachtsverhältnis zu ihrer bisherigen Rechtsvertreterin gelöst worden. Dr. P habe sich zunächst in den ersten beiden Septemberwochen im Krankenstand befunden und anschließend habe er Erholungsurlaub angetreten, der bis einschließlich 1. Oktober 2007 gedauert habe. Während dieser 4-wöchigen Abwesenheit habe die Beschwerdeführerin Dr. P zweimal, nämlich einmal Anfang September und einmal Ende September angerufen und sich erkundigt, ob er den angefochtenen Bescheid seinem befreundeten Rechtsanwalt zwecks Beschwerdeerhebung bereits übergeben habe. Dr. P habe ihr mitgeteilt, dass er die Unterlage rechtzeitig seinem befreundeten Anwalt übergeben werde und die Beschwerdeführerin daher keinen anderen Anwalt mit der Sache betrauen müsse. Nach Rückkehr aus dem Urlaub habe sich Dr. P am 5. Oktober 2007 telefonisch bei der bisherigen Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin erkundigt, ob die Frist für die Beschwerdeerhebung noch offen sei, worauf ihm mitgeteilt worden sei, dass diese bereits am 2. Oktober 2007 abgelaufen sei. Dr. P habe - wie er auch der Beschwerdeführerin noch am gleichen Tag telefonisch mitgeteilt habe - vergessen, den angefochtenen Bescheid wie vereinbart dem ihm bekannten Rechtsanwalt zwecks Beschwerdeerhebung vorzulegen. Die Beschwerdeführerin habe somit am 5. Oktober 2007 von der Fristversäumnis Kenntnis erlangt. Sie habe darauf vertraut, dass Dr. P den von ihr an ihn zur Weiterleitung ausgefolgten Bescheid fristgerecht einem Rechtsanwalt vorlegen werde, wie er ihr ausdrücklich zugesichert habe. Die Wiedereinsetzungswerberin sei daher der Meinung, dass ein unvorhergesehenes Ereignis ohne ihr Verschulden die Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof versäumt zu haben und ersuche daher um Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen.

Dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag zufolge bestand das "Hindernis" darin, dass der von ihr mit der Weiterleitung des angefochtenen Bescheides zwecks Beschwerdeerhebung an einen befreundeten Rechtsanwalt beauftragte Dr. P die "fristgerechte Weiterleitung" vergessen hatte. Dieses Vergessen wurde erst am 5. Oktober 2007, sohin nach Ablauf der für die Beschwerdeerhebung offenen Frist, bemerkt.

Die Einbringung des Antrages auf Wiedereinsetzung ist im Hinblick auf den Wegfall des Hindernisses am 5. Oktober 2007 mit Postaufgabe des Wiedereinsetzungsantrages am 17. Oktober 2007 im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG rechtzeitig.

Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte.

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1331 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2001, Zl. 2001/02/0160).

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung waren eidesstattliche Erklärungen sowohl der früheren Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin als auch des Dr. A P beigelegt, die dem von ihr vorgebrachten Sachverhalt bestätigen. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher auf Sachverhaltsebene von dem Vorbringen der Beschwerdeführerin aus.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden eines Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten. Allerdings ist eine andere Betrachtungsweise dort geboten, wo es sich bei dem Überbringer der Beschwerde nicht um einen Vertreter, sondern lediglich um einen Boten handelt. Liegt ein nicht nur minderer Grad des Versehens auf Seiten der Partei jedenfalls vor, kommt der Frage nach dem Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Bevollmächtigungsverhältnisses hingegen keine Bedeutung mehr zu.

Wesentlich ist im vorliegenden Fall, dass es um die Beauftragung eines Rechtsanwaltes zwecks Beschwerdeerhebung ging, der mit der betreffenden Causa bislang noch nicht befasst war. Nach den vorliegenden Erklärungen und der Darstellung in der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin zwar zwei Mal während der Beschwerdefrist bei ihrem Cousin nachgefragt, ob dieser die Beschwerde auch rechtzeitig dem von ihm in Aussicht genommenen Anwalt übergeben werde; sie hat sich aber weder erkundigt, wann genau die Beschwerdefrist ablaufen werde, noch hat sie bei dem in Aussicht genommenen Rechtsanwalt nachgefragt, ob dieser überhaupt zur Einbringung der betreffenden Beschwerde bereit sei. Vielmehr hat sie sich auf die Zusicherungen ihres Cousins verlassen, er werde den anzufechtenden Bescheid rechtzeitig dem von ihm in Aussicht genommenen Anwalt übermitteln. In vergleichbaren Fällen hat es der Verwaltungsgerichtshof als grob fahrlässig angesehen, wenn die Partei nicht bei dem betreffenden Rechtsanwalt nachfragt, ob dieser überhaupt bereit ist, die betreffende Beschwerde einzubringen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 27. Juni 1991, Zl. 90/06/0191, und das Erkenntnis vom 11. September 1998, Zl. 96/19/2067). Im Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 98/05/0083, hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass bei Betrauung eines Boten durch geeignete Nachfrage die Einhaltung der Berufungsfrist hätte sicher gestellt werden müssen.

Auch im vorliegenden Fall kann die zweimalige konsequenzlos gebliebene Nachfrage der Beschwerdeführerin bei ihrem Cousin nicht als ausreichende Kontrolle für die Sicherstellung der Einhaltung der Beschwerdefrist angesehen werden. Vielmehr handelte es sich um eine beachtliche Sorglosigkeit, wenn sich die Beschwerdeführerin auf die bloßen Zusicherungen ihres Cousins hinsichtlich der Einhaltung der Beschwerdefrist verlassen hat.

Im Hinblick darauf, dass jedenfalls von einem die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden der Beschwerdeführerin auszugehen ist, kann die Frage des Vorliegens eines Bevollmächtigungsvertrages zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Cousin dahingestellt bleiben.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit gemäß § 46 VwGG nicht stattzugeben.

Damit erweist sich aber auch die Beschwerde als verspätet, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.

Wien, am 24. Jänner 2008

Schlagworte

Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Vertretungsbefugter Zurechnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007090221.X00

Im RIS seit

02.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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