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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über den Antrag des I K in I, vertreten durch Dr. Christian Kurz und Mag. Johannes Götsch, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kaiser-Josefstraße 13, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die gemäß § 34 Abs. 2 VwGG gesetzte Frist in Ansehung einer Beschwerde gegen den Beschluss vom 1. April 2008, Zl. 2007/06/0322-5, beendeten Beschwerdeverfahrens betreffend Einwendungen im Bauverfahren, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
Der Verwaltungsgerichtshof stellte das Beschwerdeverfahren Zl. 2007/06/0322 mit Beschluss vom 1. April 2008 wegen nicht vollständiger Mängelbehebung gemäß § 34 Abs. 2 und § 33 Abs. 1 VwGG ein. Das Original der vom Verfassungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde war nicht wieder vorgelegt worden. Mit dem vorliegenden beim Verwaltungsgerichtshof am 15. Mai 2008 eingelangten (am 14. Mai 2008 zur Post gegebenen) Antrag wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend das angeführte Beschwerdeverfahren gestellt. Der Antrag wird damit begründet, dass der Vertreter des Beschwerdeführers in Entsprechung des Verbesserungsauftrages des Verwaltungsgerichtshofes den ergänzenden Schriftsatz vom 20. Februar 2008 verfasste. Dieser sei nach entsprechender Korrektur durch den Vertreter zur endgültigen Unterschrift 4-fach samt einer Halbschrift sowie vier Beilagen je 3-fach und einem Zahlungsbeleg im Original vorbereitet worden. In der dem fertigenden Rechtsvertreter vorgelegten Postmappe habe sich in der Folge der Akt mit der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ganz oben sowie der ergänzende Schriftsatz samt Beilagen darunter befunden. Diese Reihenfolge sei in der Kanzlei so üblich. Im Zuge der Unterfertigung sei auch das Vorhandensein sämtlicher angeführter Beilagen vom Rechtsvertreter durch Nachzählen der Beilagen überprüft worden. Anschließend sei die Unterschriftenmappe an die Mitarbeiterin H. B. zur Kuvertierung und anschließenden Postabfertigung übergeben worden. Diese Mitarbeiterin sei bereits seit 30 Jahren als Rechtsanwaltssekretärin tätig und seit mehreren Jahren Mitarbeiterin in der Kanzlei des Rechtsvertreters. Sie sei dem Rechtsvertreter als äußerst sorgfältige und zuverlässige Mitarbeiterin seit mehreren Jahren bekannt. Diese Mitarbeiterin habe routinemäßig noch einmal den gesamten Schriftsatz kontrolliert, wobei sie die oben aufliegende Verfassungsgerichtshofsbeschwerde vom Stoß heruntergenommen habe, da der ergänzende Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof gerichtet gewesen sei, daher im Hinblick auf die Benützung eines Fensterkuverts ein Schriftstück mit der Adressierung an den Verwaltungsgerichtshof zu oberst habe liegen müssen.
Nachdem der ergänzende Schriftsatz samt den geforderten Beilagen richtig gewesen sei und die Unterschrift vorgelegen sei, habe die genannte Mitarbeiterin die Eingabe in das vorbereitete Kuvert gegeben. Dabei sei das Original der Verfassungsgerichtshofsbeschwerde aus heute nicht mehr ganz sicher feststellbaren Gründen unter die zuoberst im Akt erliegende Verfügung vom 21. Dezember 2007 (der Verbesserungsauftrag des Verwaltungsgerichtshofes) geraten. Dies sei vermutlich deswegen geschehen, weil die Mitarbeiterin diese Verfügung zur nochmaligen Kontrolle der entsprechenden Anzahl der geforderten Eingaben und Beilagen zur Hand genommen habe. Dieses Versehen sei erst durch die Zustellung des Beschlusses vom 1. April 2008, nämlich am 30. April 2008, bemerkt worden und die Originalbeschwerde im Akt nach sofortiger Nachschau unter der Verfügung vom 21. Dezember 2007 entdeckt worden. Das unvorhergesehene Ereignis eines Versehens der genannten äußerst zuverlässigen und erfahrenen Kanzleimitarbeiterin, die seit 30 Jahren unter anderem mit der Wahrung von Fristen, der Überprüfung von Schriftsätzen und der Kuvertierung der Post vertraut sei, sei daher erst nach Zustellung des Beschlusses vom 1. April 2008 (nämlich am 30. April 2008) in Wegfall gekommen. Die in § 46 Abs. 3 VwGG vorgesehene Frist sei sohin noch offen.
Der 20. Februar 2008 sei auf Grund zahlreicher Terminsachen und Auswärtstermine sehr hektisch gewesen, es seien ca. 30 Poststücke zu bearbeiten gewesen. Frau H. B. sei im Laufe ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit als Anwaltssekretärin ein solches Missgeschick noch nie passiert, obwohl sie regelmäßig mit der Abfertigung und Postierung von Terminsachen und fristgebundenen Schriftsätzen befasst sei. Ein derartiges Versehen sei entschuldbar und können auch einmal einem sorgfältigen Menschen passieren. Es werde daher der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor Erlassung des Beschlusses vom 1. April 2008, Zl. 2007/06/0322-5, bei gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung, nämlich der Vorlage der Originalbeschwerde, beantragt.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
Das Versehen einer Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes stellt ein Ereignis gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dar, wenn der Anwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jener Bediensteten gegenüber nachgekommen ist, wobei hinzuzufügen ist, dass mechanische Vorgänge, wie etwa das Kuvertieren oder die Postaufgabe, in einen Bereich fallen, die grundsätzlich der alleinigen Erledigung der Kanzlei überlassen werden kann (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 17. Dezember 1997, Zl. 97/01/0995).
Im vorliegenden Fall ist nach dem Vorbringen die zentrale Frage, ob das Nichtbeilegen der Originalbeschwerde allein dem Bereich des Kuvertierens bzw. der Postaufgabe durch die Mitarbeiterin zuzuordnen ist.
In dem ergänzenden Schriftsatz wurde, was im Antrag nicht erwähnt wurde, die Originalbeschwerde als Beilage nicht erwähnt. Es wurde vielmehr als Beilagen u.a. "ursprüngliche Beschwerde 3- fach" angeführt. Der in Frage stehende Verbesserungsauftrag ging, soweit es weitere vorzulegende Unterlagen betraf, dahin, dass außer dem ergänzenden Schriftsatz drei weitere Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde für die weiteren Verfahrensparteien beizubringen seien und die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene zurückgestellte Beschwerde (einschließlich der angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) auch dann wieder vorzulegen ist, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht werde. Es war somit auf der ersten Seite des ergänzenden Schriftsatzes die Originalbeschwerde als anzufügende Beilage nicht angeführt, während alle anderen vorzulegenden Unterlagen auf Seite 1 des ergänzenden Schriftsatzes entsprechend angeführt waren. Auf Grund dieser Anordnung des Rechtsvertreters konnte die Mitarbeiterin nicht davon ausgehen, dass die - wenn auch nach den Angaben ganz zu oberst liegende Originalbeschwerde - dem angeführten ergänzenden Schriftsatz auch anzufügen gewesen wäre. Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der Rechtsvertreter im vorliegenden Fall seiner ihn vor dem Kuvertieren bzw. der Postaufgabe durch einen Mitarbeiter treffenden Überwachungspflicht bei Unterfertigung des ergänzenden Schriftsatzes nachgekommen ist. Bei entsprechender Wahrnehmung dieser Überwachungspflicht hätte der Rechtsvertreter die Angaben über die Beilagen auf Seite 1 des ergänzenden Schriftsatzes entsprechend zu ergänzen gehabt. Die Nichtanführung der Originalbeschwerde als Beilage löste daher die vom Regelfall abweichende, ausnahmsweise Kontrollpflicht des Vertreters des Beschwerdeführers über eine derart einfache Verrichtung wie die Kuvertierung und Postaufgabe des Verbesserungsschriftsatzes samt notwendiger Beilagen aus (vgl. den bereits zitierten hg. Beschluss vom 17. Dezember 1997). Eine solche Kontrolle der genannten Mitarbeiterin nach entsprechender Kuvertierung des angeführten ergänzenden Schriftsatzes samt Beilagen fand nach dem eigenen Vorbringen des Rechtsvertreters nicht statt.
Abgesehen davon hätte dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bei Aufwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt bei Abfassung des ergänzenden Schriftsatzes die unvollständige Angabe betreffend die Beilagen auffallen müssen und er hätte die Angabe betreffend die anzuschließenden Beilagen entsprechend vervollständigen müssen. Im vorliegenden Fall musste nach den obigen Darlegungen aber nicht mehr geklärt werden, ob dabei nicht schon von einem den minderen Grad des Versehens übersteigenden Verschulden des Rechtsvertreters auszugehen ist. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die mit Beschluss vom 1. April 2008 gemäß § 34 Abs. 2 VwGG gesetzte Frist ist daher nicht stattzugeben.
Wien, am 26. Juni 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008060085.Y00Im RIS seit
06.10.2008Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008