TE Vfgh Beschluss 2003/9/23 G189/03

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Veröffentlicht am 23.09.2003
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ASVG §117 Z4 litc
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags einer - eine Geburtsklinik als selbständiges Ambulatorium betreibenden - Gesellschaft auf Aufhebung einer Bestimmung des ASVG betreffend Leistungsansprüche der Versicherten aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft mangels (Darlegung) eines Eingriffs in die Rechtssphäre der Antragstellerin

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Die antragstellende Gesellschaft mbH betreibt in Wien eine Geburtsklinik als selbständiges Ambulatorium.

2. Mit dem vorliegenden, beim Verfassungsgerichtshof am 31. Juli 2003 eingelangten Individualantrag begehrt sie, die Bestimmung des §117 Z4 litc ASVG als verfassungswidrig aufzuheben.

§117 ASVG lautet wie folgt (der angefochtene Teil ist hervorgehoben):

"Leistungen

§117. Als Leistungen der Krankenversicherung werden nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt:

1. Zur Früherkennung von Krankheiten:

Jugendlichenuntersuchungen und Vorsorge(Gesunden)untersuchungen (§§132a und 132b)

2. aus dem Versicherungsfall der Krankheit: Krankenbehandlung (§§133 bis 137), erforderlichenfalls medizinische Hauskrankenpflege (§151) oder Anstaltspflege (§§144 bis 150);

3. aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit: Krankengeld (§§138 bis 143);

4. aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft:

a)

ärztlicher Beistand, Hebammenbeistand sowie Beistand durch diplomierte Kinderkranken- und Säuglingsschwestern (§159);

b)

Heilmittel und Heilbehelfe (§160);

c)

Pflege in einer Krankenanstalt (auch in einem Entbindungsheim) (§161);

d)

Wochengeld (§162)."

        Der in §117 Z4 litc ASVG verwiesene - nicht angefochtene -

§161 ASVG lautet wie folgt:

                   "Pflege in einer Krankenanstalt

                     (in einem Entbindungsheim)

        §161. (1) Für die Entbindung ist Pflege in einer

Krankenanstalt (auch in einem Entbindungsheim) längstens für zehn Tage zu gewähren; die Bestimmungen der §§145 und 148 bis 150 sind hiebei entsprechend anzuwenden. Wenn es der Zustand der Wöchnerin oder die Entfernung ihres Wohnortes erfordert, sind auch die Beförderungskosten in die und aus der Anstalt zu übernehmen.

(2) Zeiten einer Pflege nach Abs1 sind auf die Höchstdauer des Krankengeldanspruches (§139) nicht anzurechnen."

3. Der vorliegende Antrag ist - auf das Wesentliche zusammengefasst - wie folgt begründet:

Nach dem Stand der Wissenschaft der Medizin kämen drei Gestaltungen ("settings") der Geburt in Betracht: die Heimgeburt, die stationäre Entbindung in einer Krankenanstalt oder in einem Entbindungsheim sowie die ambulante Geburt in einer Krankenanstalt oder einem Entbindungsheim. Diese zuletzt genannte Gestaltung - die Geburt in einem Ambulatorium sowie die entsprechende Vorbereitung - sei im Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung nicht berücksichtigt, sodass ambulante Geburten in Krankenanstalten (Entbindungsheimen) idR bloß als Heimgeburten qualifiziert würden.

Dem Gesetzgeber sei anzulasten, den Leistungskatalog des §117 ASVG um den Fall "ambulante Geburt in einer Krankenanstalt oder in einem Entbindungsheim" nicht erweitert zu haben. Die sich daraus ergebende leistungsrechtliche Ungleichbehandlung der verschiedenen Geburtsgestaltungen sei sachlich nicht gerechtfertigt. §117 Z4 litc ASVG sei deshalb als in Widerspruch zum Gleichheitssatz stehend anzusehen.

4. Der Antrag ist unzulässig:

4.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Grundlegende Voraussetzung dieser Antragslegitimation ist, dass die Norm nicht bloß faktische Wirkung zeitigt, sondern in die Rechtssphäre der betreffenden Person eingreift und sie im Fall der Rechtswidrigkeit verletzt. Das Anfechtungsrecht kann - wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. zB VfSlg. 8009/1977, 8060/1977, 8670/1979, 12.751/1991, 12.909/1991, 13.082/1992, 13.814/1994, 14.274/1995, 14.488/1996, 15.184/1998 uva.) - von vornherein nur einem Rechtsträger zukommen, an den oder gegen den sich die angefochtene Norm wendet (Normadressat).

4.2. Mit ihrem Vorbringen hat die antragstellende Gesellschaft nicht dargetan, dass die angefochtene Gesetzesstelle in ihre Rechtssphäre eingreift. §117 Z4 litc ASVG umschreibt bloß einen Sachleistungsanspruch der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten (oder ihrer anspruchsberechtigten Angehörigen) aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft. Allein die Rechtsstellung dieses Personenkreises ist Gegenstand der angefochtenen Gesetzesstelle.

Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass diese Gesetzesstelle wirtschaftliche Interessen der antragstellenden Gesellschaft berühren kann. Es handelt sich dabei jedoch bloß um wirtschaftliche Reflexwirkungen der angefochtenen Norm. Diese Wirkungen können nichts daran ändern, dass die in Rede stehenden Regelungen die Rechtsstellung der antragstellenden Gesellschaft nicht unmittelbar gestalten, sodass ein Eingriff in deren Rechtssphäre ausgeschlossen ist (vgl. VfSlg. 16.186/2001 mwN).

Der Antrag erweist sich sohin - mangels Legitimation der antragstellenden Gesellschaft - als unzulässig.

Bei diesem Ergebnis kann es dahingestellt bleiben, ob der - allein gegen §117 Z4 litc ASVG, nicht auch gegen den darin verwiesenen, mit der bekämpften Gesetzesstelle wohl untrennbar zusammenhängenden §161 (Abs1) ASVG gerichtete - Antrag nicht auch wegen seines zu engen Aufhebungsbegehrens als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre (vgl. zB VfSlg. 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001).

4.3. Dies konnte ohne weiteres Verfahren und ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs3 Z2 lite VfGG).

Schlagworte

Sozialversicherung, Krankenversicherung, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G189.2003

Dokumentnummer

JFT_09969077_03G00189_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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