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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2008/21/0400Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, 1.) über den Antrag des E, vertreten durch Dr. Ursula Heber, Rechtsanwältin in 2000 Stockerau, Hauptstraße 33, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 2. Mai 2006, Zl. Fr 463/03, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, und 2.) in dieser Beschwerdesache, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Mai 2006 wies die belangte Behörde im Instanzenzug einen vom Beschwerdeführer gestellten Antrag, ein gegen ihn befristet erlassenes Aufenthaltsverbot aufzuheben, gemäß § 65 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ab. Dieser Bescheid wurde der damaligen (von ihm am 17. Jänner 2005 bevollmächtigten) Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers Dr. A. am 16. Mai 2006 durch Hinterlegung beim Postamt W. zugestellt.
Mit Eingabe an den Verwaltungsgerichtshof vom 15. Dezember 2006 beantragte der Beschwerdeführer die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den genannten Bescheid. Darin behauptete er fälschlich das Zustelldatum 7. November 2006. Nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens zu weiteren (erkennbaren) Mängeln der Eingabe wurde die Verfahrenshilfe mit hg. Beschluss vom 2. Februar 2007, Zl. VH 2006/21/0176-4, bewilligt. Die Zustellung des Bestellungsbescheides an die nunmehrige Verfahrenshelferin des Beschwerdeführers erfolgte am 21. Februar 2007. Diese erhob am 30. März 2007 die zur hg. Zl. 2007/21/0116 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Über Vorhalt der sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergebenden Zustellung an Dr. A bereits am 16. Mai 2006 (mit Schreiben des Berichters vom 20. Mai 2008) vertrat der Beschwerdeführer in dem dazu erstatteten Schriftsatz vom 10. Juni 2008 zunächst den Standpunkt, für die Wahrung der Beschwerdefrist maßgeblich wäre die Zustellung an seine Verfahrenshelferin am 21. Februar 2007.
Hilfsweise beantragte er die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und brachte dazu vor, er habe nach dem Inhalt der hg. Verfügung vom 20. Mai 2008 davon Kenntnis nehmen müssen, dass der angefochtene Bescheid vom 2. Mai 2006 seiner damaligen Rechtsvertreterin Dr. A bereits am 16. Mai 2006 zugestellt worden sei. Dr. A habe für ihn als ehrenamtliche Mitarbeiterin von SOS Mitmensch und des Vereins X. gearbeitet. Er habe stets auf ihre Verlässlichkeit vertraut, es habe kein Zweifel an ihren Fähigkeiten im Umgang mit fristgebundenen Gerichtsstücken bestanden. Dr. A. habe ihre Pflichten als Zustellbevollmächtigte bisher in keiner Weise außer Acht gelassen. Sie habe jedoch im Jahr 2006 eine äußerst belastende Zeit durchlebt, die nicht zuletzt von den schweren Erkrankungen und dem Tod ihrer Eltern geprägt gewesen sei. Das gegenständliche Poststück müsse auf Grund einmaliger Unachtsamkeit der Dr. A. nicht entsprechend berücksichtigt worden sein. Dr. A. sei allerdings eine äußerst versierte, bisher fehlerfrei arbeitende Mitarbeiterin, der gegenständlich bei einer wiederkehrenden, von ihr beherrschten Routinearbeit "offensichtlich" ein Fehler unterlaufen sei. Dadurch habe er, auf die Verlässlichkeit der Dr. A vertrauend, deren Unverlässlichkeit ihm erst später bekannt geworden sei, ohne eigenes Verschulden die rechtzeitige Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 2. Mai 2006 versäumt.
Er selbst habe erst am 7. November 2006 vom Inhalt dieses Bescheides Kenntnis erlangt, und zwar anlässlich einer Vorsprache bei Herrn K. in der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg. Von der Zustellung dieses Bescheides an Dr. A. habe er erst mit Erhalt der hg. Verfügung vom 20. Mai 2008 erfahren. Ein "direkter" Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist wäre ihm früher nicht möglich gewesen, weil er im Zeitpunkt der Stellung des Verfahrenshilfeantrages nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, sodass er die versäumte Prozesshandlung, also "die anwaltspflichtige Beschwerde", nicht hätte nachholen können. Es sei daher nur von einem geringen Verschulden auszugehen, hätte er doch auf das korrekte Vorgehen der von ihm beauftragten Zustellbevollmächtigten Dr. A. vertrauen dürfen.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen geringen Grad des Versehens handelt. Die Partei hat in diesem Zusammenhang nicht nur ihr eigenes Verschulden zu vertreten, sondern ihr ist auch das Verhalten ihres jeweiligen Vertreters zuzurechnen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 22. Oktober 2002, Zl. 2002/01/0286, mwN).
Dabei bildet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Untätigkeit eines Vertreters (hier der Dr. A.) im Allgemeinen keinen Wiedereinsetzungsgrund, es sei denn, der Vertreter wäre seinerseits durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen, die Frist einzuhalten, und es träfe ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens. Diesbezüglich trifft den Wiedereinsetzungswerber die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt ist (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 9. Juli 2002, Zl. 2002/01/0216, und das hg. Erkenntnis vom 17. Juli 2008, Zlen. 2007/21/0227 und 0228, jeweils mwN).
Mit dem wiedergegebenen, Dr. A. betreffenden Vorbringen gelingt es dem - nunmehr anwaltlich vertretenen - Beschwerdeführer nicht, im Hinblick auf das ihm zurechenbare Verhalten der Dr. A. als seiner Vertreterin einen Sachverhalt darzulegen, der die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 VwGG erfüllen könnte. Auch von Dr. A. wären nämlich, wenn auch nicht im Ausmaß und in der Professionalität wie bei einem Rechtsanwalt, Maßnahmen (wie etwa ein Kontrollsystem) zu fordern gewesen, um ein In-Verstoß-Geraten von Poststücken oder das Übersehen von Fristen zu unterbinden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. März 2006, Zl. 2005/20/0646, mwN). Den Bestand eines derartigen (im Regelfall wirksamen) Kontroll- und Überwachungssystems hat der Beschwerdeführer jedoch - trotz der dargestellten ihn treffenden Obliegenheit - nicht einmal behauptet. Dasselbe gilt für Art und Umfang einer Mitwirkung von Dr. A. in diesem System. Dies wäre allerdings nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes notwendiger Inhalt eines Wiedereinsetzungsantrages gewesen. Es ist nicht Sache des Verwaltungsgerichtshofes, amtswegig darüber hinausgehende tatsächliche Umstände ins Spiel zu bringen, die einen Wiedereinsetzungsgrund bilden könnten (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 17. Juli 2008, Zlen. 2007/21/0227 und 0228, mwN).
Der Wiedereinsetzungsantrag enthält auch kein konkretes Vorbringen, welches die Prüfung ermöglichen würde, ob für die - nur pauschal, also ohne inhaltliche Konkretisierung - behauptete "Unachtsamkeit" bzw. "Unverlässlichkeit" der Dr. A. nur ein minderer Grad des Versehens ausschlaggebend gewesen wäre. Da im Wiedereinsetzungsantrag Ausführungen dazu fehlen, in welcher Form üblicherweise die Information der Vertretenen und die Evidenthaltung von Schriftstücken und Fristen erfolgte, sowie welche Vorkehrungen für den Fall einer Verhinderung der Dr. A. getroffen wurden, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen darzutun, dass seine damalige Vertreterin kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist träfe.
Das Vorbringen war daher nicht geeignet, dem Wiedereinsetzungsantrag zum Erfolg zu verhelfen, sodass er - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - abzuweisen war.
Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages hat zur Folge, dass die Beschwerde im Hinblick auf die eingangs wiedergegebenen Daten der Zustellung des angefochtenen Bescheides und ihrer Postaufgabe nicht fristgerecht erhoben wurde. Die Auffassung der Beschwerdeführer-Vertreterin, die Beschwerdefrist liefe erst mit der Zustellung an sie selbst, ist unzutreffend. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als verspätet zurückzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 18. September 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007210116.X00Im RIS seit
05.02.2009Zuletzt aktualisiert am
19.02.2009