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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2008/21/0464Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde von
1. N und 2. A, beide vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 18. Jänner 2008, Zl. 313.163/55-III/4/07, und Zl. 313.163/50-III/4/07, jeweils betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Bescheiderlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin; beide stammen aus dem Kosovo. Sie reisten gemeinsam mit vier weiteren Kindern bzw. Geschwistern nach Österreich ein, wo sich ihr Ehemann bzw. Vater seit Mai 2001 als Asylwerber aufhielt. Die Asylverfahren aller Familienangehörigen sind rechtskräftig negativ beendet.
Aus dem zu B 172/08 beim Verfassungsgerichtshof geführten, auch die Beschwerdeführerinnen betreffenden und mit Beschluss vom 27. Juni 2008 erledigten Verfahren, auf das auch in der vorliegenden Beschwerde verwiesen wird, ergibt sich, dass der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck im Jahr 2007 von Amts wegen ein Verfahren zur Erteilung humanitärer Aufenthaltsbewilligungen gemäß § 72 NAG an die Beschwerdeführerinnen eingeleitet hatte. Im Zuge dieses Verfahrens ersuchte er mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 den Bundesminister für Inneres (im Folgenden: BMI) um Zustimmung gemäß § 75 NAG zur Erteilung solcher Aufenthaltsbewilligungen. Am 14. Dezember 2007 erfolgte eine Presseaussendung des BMI, mit der bekannt gegeben wurde, dass er der Erteilung von humanitären Aufenthaltsbewilligungen für die Beschwerdeführerinnen nicht zustimme, weil die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Am 21. Dezember 2007 stellten die beiden Beschwerdeführerinnen an den BMI Anträge auf Ausstellung und Zustellung eines anfechtbaren Bescheides betreffend die Ablehnung ihrer Ansuchen auf Erteilung humanitärer "Niederlassungsbewilligungen" (richtig: "Aufenthaltsbewilligungen"). Diese Anträge wurden mit den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Wesentlichen inhaltsgleichen Bescheiden des BMI (der belangten Behörde) vom 18. Jänner 2008 gemäß § 6 AVG zurückgewiesen.
Nach dem Inhalt dieser Bescheide hatten die Beschwerdeführerinnen zur Begründung ihrer Anträge vorgebracht, sie hätten Medienberichten vom 14. Dezember 2007 entnommen, dass der BMI der Erteilung humanitärer Niederlassungsbewilligungen für sie nicht zugestimmt habe. Durch diese Entscheidung werde in die menschenrechtlich geschützte Rechtsposition der Beschwerdeführerinnen eingegriffen, weshalb es aus rechtsstaatlichen Gründen unerlässlich sei, dass ihnen über die Ablehnung ihrer Anträge auf humanitäre Niederlassungsbewilligung ein Bescheid zugehe, um in die Lage versetzt zu werden, den Rechtsweg zu beschreiten.
Dem hielt die belangte Behörde entgegen, nach § 3 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG sei "Behörde nach diesem Bundesgesetz" der örtlich zuständige Landeshauptmann. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung entscheide über Berufungen gegen Entscheidungen des Landeshauptmann der BMI. Für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen nach den §§ 72 bis 74 NAG bedürfe es zwar gemäß § 75 NAG der Zustimmung des BMI, doch ändere das nichts "an der Qualität" des Landeshauptmannes als zuständige Behörde erster Instanz. Die Unzuständigkeit des angerufenen BMI sei in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen und - da die Beschwerdeführerinnen unzweifelhaft auf der Zuständigkeit des BMI bestünden - über die Frage der Zuständigkeit bescheidmäßig durch Zurückweisung der Anträge abzusprechen.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführerinnen zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 16. Juni 2008, B 478, 479/08-6, ablehnte. Über gesonderten Antrag wurde die Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. Juli 2008 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der über die mit Schriftsatz vom 3. September 2008 ergänzte Beschwerde erwogen hat:
Voranzustellen ist, dass in der Beschwerde die Zulässigkeit der bekämpften Entscheidung, mit der über die Frage der Zuständigkeit der belangten Behörde durch Antragszurückweisung abgesprochen wurde, nicht bestritten und auch nicht geltend gemacht wird, die belangte Behörde hätte den Antrag jedenfalls nicht zurückweisen, sondern nach § 6 Abs. 1 AVG der zuständigen Behörde weiterleiten müssen (siehe dazu Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 14 zu § 6).
In der Beschwerde wiederholen die Beschwerdeführerinnen, bei verfassungskonformer Interpretation der "maßgeblichen Gesetzesbestimmungen über das humanitäre Aufenthaltsrecht" hätten sie ein Recht auf Zustellung eines Bescheides über die Ablehnung des für sie geltend gemachten humanitären Aufenthaltstitels. Folge man der Argumentation des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 27. Juni 2008, G 246/07 ua, müsse eine bescheidmäßige Erledigung der Abweisung des für die Beschwerdeführerinnen beantragten Aufenthaltstitels erfolgen.
Gemäß § 72 Abs. 1 NAG kann die Behörde im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses, ausgenommen bei Vorliegen eines Aufenthaltsverbotes, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen bedarf nach § 75 NAG der Zustimmung des BMI.
Mit dem in der Beschwerde erwähnten Erkenntnis vom 27. Juni 2008, G 246, 247/07, hob der Verfassungsgerichtshof (mit Ablauf des 31. März 2009) die Wortfolge "von Amts wegen" unter anderem in § 72 Abs. 1 erster Satz NAG als verfassungswidrig auf, weil es aus rechtsstaatlichen Gründen unzulässig sei, in diesen (besonders berücksichtigungswürdigen) Fällen lediglich ein Tätigwerden der Behörden von Amts wegen vorzusehen und keine Antragstellung des in seinen Rechten betroffene Einzelnen zuzulassen, und zwar auch nicht für solche, bei denen besondere Umstände aus Art 8 EMRK ein Recht auf Erteilung eines Aufenthaltstitels begründen können. Im Zusammenhang mit der Zustimmungsbefugnis des BMI führte der Verfassungsgerichtshof dann unter Punkt III.2.3.3. der Entscheidungsgründe noch aus, er habe bereits in seinem Beschluss VfSlg. 15.687/1999 zu der der nunmehr bereinigten Rechtslage im Wesentlichen entsprechenden Vorgängerbestimmung des § 90 Abs. 1 FrG 1997 erkennen lassen, dass gegen diese Zustimmungsbefugnis - im Interesse einer möglichst einheitlichen Gesetzeshandhabung - keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken bestünden. Es sei darauf hinzuweisen, dass der BMI bei der Ausübung seines Zustimmungsrechts an dieselben gesetzlichen Kriterien gebunden sei wie die zur Bescheiderlassung zuständige Behörde und dass durch die Aufhebung der Wortfolge "von Amts wegen" in den §§ 72 Abs. 1, 73 Abs. 2 und 3 NAG und die damit verbundene Einräumung eines Antragsrechts die rechtsstaatliche Kontrolle negativer behördlicher Entscheidungen sichergestellt sei.
Demnach geht der Verfassungsgerichtshof offenbar davon aus, bei einem Antrag eines Fremden auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels komme dem BMI nur die (gesetzlich gebundene) Ausübung des Zustimmungsrechtes zu, während "die Behörde" (vgl. § 72 Abs. 1 NAG) zur Erlassung eines (anfechtbaren) Bescheides zuständig sei. Diese Auffassung teilt auch der Verwaltungsgerichtshof.
Gemäß § 3 Abs. 1 NAG ist aber "Behörde nach diesem Bundesgesetz" der örtlich zuständige Landeshauptmann, der unter bestimmten Voraussetzungen die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen kann, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden. Der BMI entscheidet nur über Berufungen gegen Entscheidungen des Landeshauptmannes (§ 3 Abs. 2 NAG). Eine Zuständigkeit des BMI zur Entscheidung in erster Instanz über die Erteilung von Aufenthaltstiteln ist dem NAG nicht zu entnehmen und wird auch in der Beschwerde nicht aufgezeigt.
Der belangte BMI hat daher den an ihn gerichteten Antrag auf Erlassung eines Bescheides in Bezug auf die Ansuchen der Beschwerdeführerinnen auf Erteilung humanitärer Aufenthaltstitel zu Recht wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen. In diesem Sinne hat im Übrigen auch schon der Verfassungsgerichtshof in dem in dieser Sache ergangenen Ablehnungsbeschluss darauf hingewiesen, "die Beschwerdebehauptungen übersehen, dass die belangte Behörde zur Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gar nicht zuständig war".
An dieser Beurteilung ändert aber nichts, dass auch der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck - nach dem Vorbringen in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde - "als an sich zuständige Behörde" die Entscheidung über die Anträge auf humanitäre Aufenthaltstitel verweigert habe, sodass den Beschwerdeführerinnen kein anfechtbarer Bescheid ausgestellt worden sei und sie demzufolge gegen den mit der Nichterteilung des humanitären Aufenthaltstitels bewirkten Grundrechtseingriff keine Beschwerdemöglichkeit hätten. Daraus ergibt sich nämlich für sich genommen - die Stellung eines Devolutionsantrages wurde nicht behauptet - noch keine Zuständigkeit des BMI über die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf Erteilung humanitärer Aufenthaltstitel bescheidmäßig abzusprechen.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von den Beschwerdeführerinnen behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 18. September 2008
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1sachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenInstanzenzugsachliche ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008210463.X00Im RIS seit
17.10.2008Zuletzt aktualisiert am
03.02.2009