TE Vfgh Beschluss 2003/11/28 G383/02

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.2003
beobachten
merken

Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ORF-G §14 Abs3
ORF-G §44 Abs5

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags von ORF-Mitarbeitern auf Aufhebung des Werbeverbotes für Nachrichtensprecher und ORF-Moderatoren als unzulässig; keine Beurteilung der Antragsvoraussetzungen aufgrund des widersprüchlichen Antragsvorbringens möglich

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Mit dem vorliegenden Individualantrag nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG begehren die Einschreiter mit näherer Begründung, §14 Abs3 und §44 Abs5 des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk (ORF-G), BGBl. I Nr. 83/2001, idF BGBl. I Nr. 100/2002 als verfassungswidrig aufzuheben. Diese Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

"§14.

(1) ...

(2) ...

(3) In der Werbung dürfen weder im Bild noch im Ton Personen auftreten, die regelmäßig Nachrichtensendungen und Sendungen zum politischen Zeitgeschehen vorstellen oder die regelmäßig als programmgestaltende und journalistische Mitarbeiter des Österreichischen Rundfunks sonstige Sendungen moderieren.

(4) ... - (8) ... .

§44.

(1) ...

(2) ...

(3) ...

(4) ...

(5) Vor der Kundmachung dieses Bundesgesetzes abgeschlossene Verträge über die Werbetätigkeit programmgestaltender oder journalistischer Mitarbeiter des Österreichischen Rundfunks, die regelmäßig sonstige Sendungen (§13 Abs3 [richtig wohl §14 Abs3]) in Hörfunk- und Fernsehprogrammen des Österreichischen Rundfunks moderieren, können bis zum 31. Dezember 2002 erfüllt werden und sind bis zu diesem Zeitpunkt aufzulösen."

1.2. Die Antragsteller treten aufgrund von Werbeverträgen, die zeitlich über den 1. Jänner 2003 hinausreichen und noch vor Inkrafttreten der angefochtenen Gesetzesbestimmungen vom ORF genehmigt wurden, als Werbeträger für private Unternehmen in Bild und Ton auf. Laut ihrem Vorbringen seien sie nunmehr gezwungen, ihre Werbeverträge mit den Vertragspartnern in der Wirtschaft zu lösen. Sie seien dadurch gehalten, vertragliche Verpflichtungen nicht einzuhalten. Darüber hinaus müßten die Antragsteller auch der "vertraglich verpflichtend eingeräumten Option auf Verlängerung der Verträge widersprechen".

Das Gesetz bedeute daher einen unmittelbaren Eingriff in bestehende Verträge. Es schränke auch die Erwerbsfreiheit und die damit verbundenen privatrechtlichen Dispositionsmöglichkeiten der Antragsteller ein. Sowohl das gesetzliche Verbot des §14 Abs3 ORF-G, als auch der "Gesetzesbefehl" des §44 ORF-G sei an die Antragsteller adressiert, sodaß sie unmittelbar in ihren Rechten verletzt seien. Die angefochtenen Bestimmungen würden für die Antragsteller aktuell und nicht potentiell wirken. Auch sei ein zumutbarer Umweg, die Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen im Wege der Bekämpfung eines letztinstanzlichen Bescheides "vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen", nicht vorhanden: Insbesondere komme für die Antragsteller eine Anrufung des Bundeskommunikationssenates nach §36 ORF-G nicht in Betracht, weil es sich hier nicht um eine Verletzung des ORF-G handle, sondern es werde die Verletzung in Rechten gerade durch die Einhaltung des ORF-G hervorgerufen.

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in welcher sie primär die Zurückweisung des Individualantrages wegen fehlender Antragsberechtigung begehrt.

2.1. Nach ihrer Auffassung sei von den Antragstellern nicht hinreichend dargelegt worden, inwiefern sie durch die angefochtenen Gesetzesbestimmungen unmittelbar und aktuell in ihrer Rechtssphäre betroffen sind. Es lasse sich aus dem Antragsvorbringen nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, ob die Antragsteller "programmgestaltende Moderatoren" iSd. §14 Abs3 ORF-G oder lediglich Präsentatoren ohne inhaltlichen Einfluß auf die moderierten Sendungen seien. Den programmgestaltenden und journalistischen Mitarbeitern komme in §32 Abs1 ORF-G eine besondere Stellung zu. Um Umgehungen dieser Bestimmung hintanzuhalten, sei primär darauf abzustellen, welche Tätigkeiten die Antragsteller innerhalb des ORF tatsächlich ausüben. Aus den Angaben der Antragsteller lasse sich nicht schließen, welche Aufgaben die Antragsteller bei ihrer Tätigkeit als "Moderator" oder "Reporter" wahrnehmen, insbesondere ob sie inhaltlichen Einfluß auf die Programmgestaltung der von ihnen moderierten Sendungen nehmen könnten.

2.2. Nach Auffassung der Bundesregierung habe die Beurteilung der Tätigkeit eines ORF-Mitarbeiters als programmgestaltend oder journalistisch durch den ORF selbst zu erfolgen. Hier eröffne sich ein zumutbarer Umweg für die Antragsteller, die verfassungsrechtlichen Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, weil die Richtigkeit dieser Beurteilung durch den ORF gemäß §36 ORF-G mit Beschwerde beim Bundeskommunikationssenat bekämpft werden könne. Da erst durch Dazwischenschaltung des Bescheides des Bundeskommunikationssenates feststehe, ob §14 Abs3 ORF-G auf Mitarbeiter des ORF tatsächlich Anwendung finde, könne nicht davon gesprochen werden, daß das angefochtene Gesetz die rechtlich geschützten Interessen der Antragsteller bereits aktuell beeinträchtige.

II. Der Verfassungsgerichtshof erachtet den Einwand der Bundesregierung, daß die Antragsteller ihre individuelle Betroffenheit nicht hinreichend dargelegt haben, als zutreffend. Der Individualantrag erweist sich aus diesem Grund als unzulässig.

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (VfSlg. 14199/1995, 14338/1995, 14668/1996).

2.1. Vom Werbeverbot nach §14 Abs3 ORF-G sind neben Nachrichtensprechern und Moderatoren von Sendungen zum politischen Zeitgeschehen Personen erfaßt, die regelmäßig als programmgestaltende oder journalistische Mitarbeiter des ORF sonstige Sendungen moderieren. Programmgestaltend sind jene Mitarbeiter des ORF, die an der inhaltlichen Gestaltung von Hörfunk- und Fernsehsendungen mitwirken (§32 Abs2 ORF-G), journalistische Mitarbeiter sind jene Personen, die an der journalistischen Gestaltung von Programmen im Hörfunk und Fernsehen mitwirken (§32 Abs3 ORF-G), wobei es nach den Gesetzesmaterialien für die Abgrenzung dieser Mitarbeiter von anderen Mitarbeitern des ORF darauf ankommen soll, ob sie den Inhalt der Sendungen (mit-)gestalten (und damit unter die Bestimmung des §14 Abs3 ORF-G fallen) oder lediglich die Präsentation wahrnehmen (vgl. die Regierungsvorlage 634 BlgNR, 21. GP zu §14 ORF-G). In unmittelbarem Zusammenhang zu §14 Abs3 ORF-G steht §44 Abs5 ORF-G, wonach vor der Kundmachung dieses Bundesgesetzes abgeschlossene Verträge über die Werbetätigkeit programmgestaltender oder journalistischer Mitarbeiter des ORF bis 31. Dezember 2002 noch erfüllt werden können und bis zu diesem Zeitpunkt aufzulösen sind.

2.2. Das Antragsvorbringen, an das der Verfassungsgerichtshof - wie bereits erwähnt - gebunden ist, ist jedoch in sich widersprüchlich, sodaß dem Verfassungsgerichtshof eine Beurteilung der für die Zulässigkeit maßgeblichen Frage nicht möglich ist, ob die Antragsteller von den angefochtenen Gesetzesstellen unmittelbar betroffen sind.

Es wird zwar im Antrag einerseits betont, daß die angefochtenen Gesetzesbestimmungen auf alle Antragsteller "unmittelbar Anwendung finden". Während die im Fernsehen tätigen Antragsteller überhaupt nicht darlegen, daß und ob sie "programmgestaltend" oder "journalistisch" iS des §14 Abs3 ORF-G tätig sind, schließen die im Hörfunk tätigen Antragsteller das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen sogar ausdrücklich aus, indem sie ausführen, daß in den Radioprogrammen des ORF (insbesondere in Ö 3) das Programm von hauptberuflich tätigen Journalisten bestimmt werde und keiner der Antragsteller, der in diesen Radioprogrammen als Moderator bzw. als Reporter auftritt, durch seine Arbeit einen inhaltlichen Einfluß auf das Medium Ö 3 nehme. Für den Antragsteller Robert K wird überdies ausdrücklich erwähnt, daß er die Hörfunksendungen "ohne journalistischen und programmgestaltenden Einfluß moderiere". Diese Widersprüchlichkeiten im Antragsvorbringen lassen die dem gesamten Antrag zugrundeliegende Auffassung der Antragsteller erkennen, wonach - ohne jeweils das Vorliegen der weiteren gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen einer (regelmäßigen) programmgestaltenden oder journalistischen Tätigkeit näher darzulegen - bereits die Behauptung, eine (Hörfunk- oder Fernseh-) Sendung zu moderieren, genügen soll, um den für die Antragslegitimation erforderlichen Nachweis der Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale des §14 Abs3 ORF-G zu erbringen.

Im übrigen ist auch aus den vorgelegten Dienstverträgen für die Zulässigkeit der Anträge nichts zu gewinnen, da sie - so der Wortlaut des Antrages - bloß "allgemein formuliert sind" und "in keiner Weise für die wirkliche Tätigkeit der einzelnen Antragsteller zutreffen". Aufgabe des Gerichtshofes kann es nicht sein, über das Vorliegen der Anwendbarkeit der angefochtenen Bestimmungen auf die Antragsteller Vermutungen anzustellen und allenfalls an Hand bloßer Mutmaßungen die Antragsvoraussetzungen zu beurteilen.

Damit leidet der Antrag nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes an einem inhaltlichen, nicht verbesserungsfähigen Mangel (VfSlg. 12797/1991, 13717/1994, 14309/1995).

3. Der Antrag war aus diesen Erwägungen zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.

Schlagworte

Rundfunk, VfGH / Bedenken, VfGH / Individualantrag, Werbung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G383.2002

Dokumentnummer

JFT_09968872_02G00383_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten