RS Vfgh 1987/11/30 B367/87

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Veröffentlicht am 30.11.1987
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art90 Abs2
StVO 1960 §4 Abs2
KFG 1967 §103 Abs2

Leitsatz

Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Verletzung der Verständigungspflicht nach einem Verkehrsunfall; Verständigungspflicht gem. §4 Abs2 zweiter Satz StVO 1960 soll sicherstellen, daß zur Hilfeleistung notwendige Maßnahmen der Sicherheitsdienststellen sofort ergriffen werden können - andere Zielrichtung als die Pflicht zur Lenkerauskunft iSd §103 Abs2 KFG 1967 idF BGBl. 615/1977 (Ermittlung des Tatverdächtigen); keine Bedenken gegen diese Regelung; keine Rechtsverletzung

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen §4 Abs2 2. Satz StVO 1960.

Der Beschwerdeführer hält die im zweiten Satz des §4 Abs2 StVO getroffene Regelung über die Verständigungspflicht nach einem Verkehrsunfall, bei dem Personen verletzt wurden, aus den gleichen Gründen für verfassungswidrig, die den Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen VfSlg. 9950/1984 und 10394/1985 veranlaßt haben, Bestimmungen im §103 Abs2 des KFG 1967 idF der Novelle BGBl. 1977/615 wegen Verstoßes gegen Art90 Abs2 B-VG sowie gegen das Gleichheitsgebot aufzuheben. Seine Vorwürfe beruhen auf der Annahme, daß der Zweck der in §4 Abs2 zweiter Satz StVO festgelegten Verständigungspflicht praktisch ebenfalls darin bestehe, den einer strafgerichtlich oder verwaltungsstrafbehördlich ahndbaren Tat Verdächtigen festzustellen. Dieser Prämisse - und somit auch den daran geknüpften Schlußfolgerungen - vermag der Verfassungsgerichtshof jedoch nicht beizupflichten.

Die Verständigungspflicht nach einem Verkehrsunfall mit Personenverletzung steht in engstem Zusammenhang mit der im ersten Satz des §4 Abs2 StVO festgelegten Hilfeleistungspflicht für den Verletzten einschließlich der Pflicht, für fremde Hilfe zu sorgen; diese Verständigungspflicht soll insbesondere sicherstellen, daß die zur Hilfeleistung allenfalls notwendigen Maßnahmen der Sicherheitsdienststellen gleichfalls sofort ergriffen werden können. Die Meldepflicht nach §4 Abs2 StVO hat somit eine ganz andere Zielrichtung als die Pflicht zur Lenkerauskunft gemäß §103 Abs2 KFG 1967 idF der Novelle BGBl. 1977/615 (deren praktische Funktion der Verfassungsgerichtshof in den vorhin zitierten Erkenntnissen in der Ermittlung des Tatverdächtigen gesehen hat); sie kann daher der Pflicht zur Lenkerauskunft weder unter dem Aspekt des Anklageprinzips (Art90 Abs2 B-VG) noch unter dem des Gleichheitsgebotes gleichgestellt werden.

Verwaltungsstrafe wegen Übertretung des §4 Abs2 2. Satz StVO 1960 (Verständigungspflicht nach Verkehrsunfall mit Verletzten); kein Entzug des gesetzlichen Richters.

Der Beschwerdeführer weist darauf hin, daß er aus Anlaß des von ihm verursachten Verkehrsunfalls mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 5.8.1986 des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach §88 Abs1 und 4, 1. Fall, StGB sowie des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach §94 Abs1 StGB schuldig erkannt wurde, und hält sich im Hinblick auf diese Verurteilung durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, weil das Unterlassen der Meldung eine straflose Nachtat darstelle. Damit wirft der Beschwerdeführer jedoch nur die Frage nach der Richtigkeit der getroffenen verwaltungsbehördlichen Entscheidung auf, die unter dem Blickwinkel des geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes nach der ständigen Rechtsprechung (s. zB VfSlg. 10379/1985) nicht von Belang ist.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Straßenpolizei, Kraftfahrrecht, Verwaltungsstrafrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B367.1987

Dokumentnummer

JFR_10128870_87B00367_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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