RS Vfgh 1988/3/16 B662/87, B701/87, B816/87, B834/87, B1053/87, B1153/87, B1325/87

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 16.03.1988
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Index

33 Bewertungsrecht
33/01 Bewertungsrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Sachentscheidung
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
BewG 1955 §6 Abs1
BewG 1955 §13
BewG 1955 §64 Abs1
AngG §23 Abs7

Leitsatz

Nichtanerkennung von Abfertigungsrücklagen und Pensionsrückstellungen als vom Rohvermögen abzugsfähige Schulden; keine gleichheitswidrige Gesetzesauslegung bei der Berücksichtigung von Körperschaftssteuerrückstellungen bei Ermittlung des Einheitswertes

Rechtssatz

Der Verfassungsgerichtshof kann unter dem Aspekt der von ihm ausschließlich zu prüfenden Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, insbesondere des Gleichheitssatzes und des Eigentumsrechtes, dahingestellt sein lassen, ob sich die Nichtberücksichtigung von Abfertigungsvorsorgen bei der Einheitsbewertung eines Betriebes auf §6 Abs1 BewG stützt, wie er selbst in VfSlg. 5628/1967 angenommen hat, oder ausschließlich auf §64 Abs1 BewG. Denn in Anbetracht des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitssatzes hat der Verfassungsgerichtshof lediglich zu überprüfen, ob eine gesetzliche Regelung, die Rückstellungen für Abfertigungen bei der Ermittlung des Einheitswertes eines gewerblichen Betriebes nicht als Schulden bzw. Lasten vom Rohvermögen abziehen läßt, an sich sachlich gerechtfertigt ist oder nicht.

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß eine Regelung, die Rückstellungen für Abfertigungen bei der Ermittlung des Einheitswertes eines gewerblichen Betriebes nicht als Schulden bzw. Lasten vom Rohvermögen abziehen läßt, dem Gleichheitssatz widerspricht. Der Zeitpunkt des Entstehens eines Abfertigungsanspruchs muß aufgrund der Anspruchsvoraussetzungen nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften schon mit Rücksicht auf §23 Abs7 AngG als variabel, also in jedem Einzelfall gesondert betrachtet werden. Das Fehlen eines einheitlichen Entstehungszeitpunktes ist arbeitsrechtlich regelmäßig auch belanglos, weil danach nur die Voraussetzungen des einzelnen Anspruchs für sein Vorliegen und dessen Fälligkeit von Bedeutung sind. Wenn der Steuerrechtsgesetzgeber davon ausgeht, daß Schulden erst dann abzugsfähig sind, wenn sie zum Stichtag nicht nur möglicherweise, sondern unzweifelhaft entstanden sind, erscheint es dem Gerichtshof als sachlich gerechtfertigt, Abfertigungsansprüche steuerrechtlich erst dann als Schulden oder Lasten zu bewerten und vom Rohvermögen abzuziehen, wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. VwGH 11.03.83, Zl. 81/17/0048) für den Anspruch vorliegen. Dem Gleichheitssatz entspricht eine derartige steuerliche Regelung sohin schon deshalb, weil der Entstehungszeitpunkt des Abfertigungsanspruchs nicht nur abstrakt in Lehre und Judikatur (vgl. die Nachweise bei Jabornegg- Strasser, Die bewertungsrechtliche Behandlung von Abfertigungsansprüchen aus zivilrechtlicher und arbeitsrechtlicher Sicht, ÖStZ 1984, 117) umstritten ist, sondern weil er wegen der bis zur Auflösung des Dienstverhältnisses gegebenen Möglichkeit des Nichtbestehens des Anspruchs gemäß §23 Abs7 AngG letztlich offenbleibt.

Daran kann auch der Umstand nichts ändern, daß der überwiegenden Zahl von Arbeitnehmern der Abfertigungsanspruch mangels Vorliegen eines Grundes für dessen Nichtbestehen gemäß §23 Abs7 AngG zukommt.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner in VfSlg. 5628/1967 vertretenen Auffassung, daß die Nichtberücksichtigung von Abfertigungsrückstellungen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens §6 Abs1 BewG 1955 nicht gleichheitswidrig macht. Er ist ferner der Meinung, daß eine Auslegung des §6 Abs1 oder/und des §64 Abs1 BewG 1955, welche Abfertigungsrückstellungen nicht als vom Rohvermögen abzugsfähige Lasten oder/und Schulden versteht, nicht dem Gleichheitssatz widerstreitet.

Daß eine bloß wahrscheinlich entstehende Last nicht abzugsfähig ist, bildet einen Grundsatz des Bewertungsrechts, das die Möglichkeit des Erwerbs ebenso wie des Verlusts von Vermögen zum jeweiligen Bewertungsstichtag unberücksichtigt läßt (Twaroch-Frühwald-Wittmann-Rupp-Fiala-Binder, Kommentar zum BewG, 1986, 66; Rössler-Troll-Langner, Bewertungsgesetz und Vermögenssteuergesetz, 1986, 897). Dem Gesetzgeber kann vom Standpunkt des Gleichheitssatzes nicht entgegengetreten werden, wenn er aus Gründen der Praktikabilität (VwGH 29.09.63, Zl. 1914/61) von einer Wahrscheinlichkeitsschätzung, die je nach Art der Bedingung oder Befristung schwierig oder kaum lösbar ist, Abstand genommen hat, zumal das Stichtagsprinzip für den Erwerb von Wirtschaftsgütern in gleicher Weise gilt wie für das Entstehen von Lasten. Daß eine andere gesetzliche Lösung, die das Maß der Aussichten berücksichtigen läßt, die am Stichtag für den Erwerb eines Wirtschaftsgutes oder für das Entstehen einer Last durch Eintritt einer Bedingung oder Ablauf einer Frist sprechen, vielleicht zweckmäßiger wäre und den wirtschaftlichen Verhältnissen besser entsprechen würde (Ruppe, Bedingungen und Befristungen:

Rechtsanwendungsprobleme im Bereich der §§4 - 8 BewG, ÖStZ 1985, 82), kann den bestehenden bewertungsrechtlichen Grundsatz noch nicht gleichheitswidrig machen. Auch der diesbezügliche Unterschied zum Ertragssteuerrecht begründet keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, weil es durchaus von der Sache her gerechtfertigt ist, daß das Ertragssteuerrecht einen möglichst periodenrichtigen Jahresgewinn ermitteln will, während das Bewertungsrecht das Vermögen zu einem bestimmten Zeitpunkt in jenem Umfang erfassen will, wie es mit Sicherheit vorliegt.

Keine Verletzung im Eigentumsrecht durch die Beurteilung der Rückstellung für Abfertigungsansprüche als eine aufschiebend bedingte Last gemäß §6 Abs1 BewG bzw. als nicht abzugsfähige Schuld iSd §64 Abs1 BewG.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner in VfSlg. 5628/1967 vertretenen Meinung:

"Die Behörde hat nicht angenommen, daß Abfertigungsansprüche bereits existent geworden sind, sondern daß es sich um in der Zukunft liegende Verpflichtungen handelt, deren Eintritt und Höhe von verschiedenen Umständen abhängt. Deren rechtliche Beurteilung als eine aufschiebend bedingte Last kann nicht als denkunmöglich angesehen werden. Sollte die Behörde damit die Rechtslage unrichtig entschieden haben, so hätte sie nur gegen einfachgesetzliche Vorschriften verstoßen, aber nicht das nur unter dem Vorbehalt des Gesetz gewährleistete Eigentumsrecht verletzt."

Keine Gleichheitsbedenken gegen §6 Abs1 BewG, mögen danach auch Rückstellungen für Pensionen als aufschiebend bedingte Lasten nicht vom Rohvermögen abzuziehen sein.

Der Verfassungsgerichtshof ist der Meinung, daß vom Standpunkt des Gleichheitssatzes der Gesetzgeber auch im Bewertungsrecht grundsätzl frei ist, Pensionsrückstellungen als vom Rohvermögen abzugsfähige oder nicht abzugsfähige Lasten einzustufen, sofern seine Regelung nicht zu sachlich unbegründbaren Differenzierungen führt. Der in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage angeführte Zweck der Beseitigung der Abzugsfähigkeit von Pensionsrückstellungen durch das 2. AbgÄG 1977 bildet nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes einen hinreichend sachlichen Grund für diese Regelung. Auch nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes ist es "vertretbar", Verpflichtungen, "die die Unternehmen erst in Zukunft tatsächlich zu tragen haben", auch erst zu diesem zukünftigen Zeitpunkt bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens berücksichtigen zu lassen. Keinesfalls kann der Gesetzgeber im Bewertungsrecht vom Standpunkt des Gleichheitssatzes aus verhalten werden, noch ungewisse wirtschaftliche Belastungen eines Betriebes schlechthin als "Schulden" iSd §64 Abs1 BewG vom Rohvermögen abziehen zu lassen. Auch der Umstand, daß ein Unternehmen den Grundsätzen ordnungsgemäßer kaufmännischer Buchführung und kaufmännischer Vorsicht entsprechend für zukünftige Pensionsverpflichtungen Rückstellungen bildet und bilanziert, kann für das Bewertungsrecht außer acht bleiben. Wenn das Bewertungsrecht - ausgehend von der statischen Bilanzauffassung - lediglich die zum Bewertungsstichtag wirksamen Verpflichtungen iSd §64 Abs1 BewG vom Rohvermögen abziehen läßt, kann dem Gesetzgeber diesbezüglich nicht entgegengetreten werden. Wenn aber nicht die wirtschaftlichen Belastungen eines Betriebes im allgemeinen, sondern nur konkret entstandene Schulden bewertungsrechtlich abzugsfähig sind, so kann auch die "aus der Gesamtheit der Zusagen bei entsprechend großer Anzahl mit größter statistischer Wahrscheinlichkeit" gegebene Belastung unberücksichtigt bleiben.

Daß bei Beteiligungen gemäß §13 BewG der gemeine Wert heranzuziehen ist - und insoweit auch Pensions- sowie Abfertigungsrückstellungen zu berücksichtigen sind -, liegt im Rahmen der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, zumal derartige Anteile als positive Wirtschaftsgüter des Anteilsinhabers bewertungsrechtlich zu betrachten sind.

Keine Gleichheitsbedenken gegen §6 Abs1 BewG, mögen danach auch Rückstellungen für Pensionen als aufschiebend bedingte Lasten nicht vom Rohvermögen abzuziehen sein.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der von der belangten Behörde herangezogenen Rechtsgrundlage erübrigt es sich, auf die in den Beschwerden behauptete Verletzung des Gleichheitsgebotes einzugehen, die darin erblickt wird, daß die belangte Behörde es angeblich verabsäumte, in einem entscheidungswesentlichen Punkt den maßgeblichen Sachverhalt, nämlich den Inhalt der von beschwerdeführenden Parteien getroffenen Pensionsvereinbarungen, festzustellen. Wenn nämlich Pensionszusagen generell als aufschiebend bedingte Lasten vom Gesetzgeber qualifiziert werden können, bestand für die belangte Behörde kein Anlaß, auf den konkreten Inhalt der einzelnen Pensionsvereinbarungen näher einzugehen.

Berücksichtigung nur der (rückgestellten) halben Körperschaftsteuerschuld durch die belangte Behörde.

Ob Körperschaftssteuerrückstellungen bei Ermittlung des Einheitswertes eines gewerblichen Betriebes in einem nach dem normalen Körperschaftssteuersatz gemäß §22 Abs1 KStG oder nach dem gespaltenen Körperschaftssteuersatz gemäß §22 Abs2 KStG ermittelten Ausmaß als Schuld zu berücksichtigen sind, ist eine Frage der richtigen Auslegung des §64 Abs1 und 2 BewG 1955. Gleichheitswidrig ist das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Auslegung des Gesetzes jedenfalls nicht, weil bei Ermittlung der bewertungsrechtlich abziehbaren Körperschaftssteuerschuld das tatsächliche Ausschüttungsverhalten der Gesellschaft berücksichtigt wird.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Prüfungsmaßstab, Bewertung, Arbeitsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B662.1987

Dokumentnummer

JFR_10119684_87B00662_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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